Die „Literaturstreitsstafette“ als „Medieninszenierung“?

Über die Affektivität von Feuilleton-Debatten und ihr Echo im Internet

Von Jan SüselbeckRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jan Süselbeck

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Debatte um Uwe Tellkamps Äußerungen zur „Meinungsfreiheit“

Zu Jahresbeginn gab es viel Aufregung um Uwe Tellkamps Anti-Einwanderungs-Rhetorik bei einer Diskussionsveranstaltung in Dresden. Am 7. März 2018 hatte der renommierte Suhrkamp-Autor im Streitgespräch mit seinem Kollegen Durs Grünbein u.a. behauptet, 95% der Immigranten kämen nur nach Deutschland, um in die Sozialsysteme einzuwandern.[1]

Daraufhin meldete sich der emeritierte Heidelberger Literaturwissenschaftler Dieter Borchmeyer im Deutschlandfunk zu Wort: „Was soll das eigentlich? Immer wieder kommt es vor, in Abständen von wenigen Jahren, dass ein prominenter Autor plötzlich zum Skandalfall erklärt wird. Das war auch bei Günter Grass so, das war bei Botho Strauß so, das war bei Christa Wolf so.“ Borchmeyer meinte weiter, es handele sich um eine regelrechte „Literaturstreitsstafette, die sich durch die jüngere Mediengeschichte hindurchzieht“. Diese Skandale würden „produziert“. Sie seien „eine regelrechte Medieninszenierung“, und „nach einiger Zeit hat sich der Fall erschöpft, und dann will man nichts mehr davon wissen. Das ist also eine bedenkliche Geschichte, finde ich.“[2]

Borchmeyer deutete damit eine moralische Empörung an, die dazu angelegt war, die Debatte weiter zu befeuern. Dass der Suhrkamp Verlag in einem Tweet am 9. März öffentlich Abstand von den Äußerungen Tellkamps genommen hatte, erboste den Kritiker. Vor allem deshalb, weil er sich als nimmermüder Verteidiger Martin Walsers an dessen Skandalroman „Tod eines Kritikers“ (2002) und an den folgenden Konflikt zwischen Walser und Suhrkamp erinnert fühlte. Vor diesem Hintergrund trat Borchmeyer als prominenter Sprecher eines neuen Zweigs der laufenden Kontroverse auf, der nicht etwa die haltlosen Aussagen des Dresdner Schriftstellers, sondern den Suhrkamp Verlag skandalisierte, welcher genauso wie sein Autor nichts weiter getan hatte, als von dem Recht zur freien Meinungsäußerung Gebrauch zu machen.

Weit wütendere Reaktionen als die Borchmeyers findet man allerdings, wenn man sich bei Twitter ansieht, was Hunderte von Usern auf diesen Verlagstweet geantwortet haben, obwohl die unscheinbare Kurznachricht bloß eine Selbstverständlichkeit wiederholte. Der Verlag hatte geschrieben: „Aus gegebenem Anlass: Die Haltung, die in Äußerungen von Autoren des Hauses zum Ausdruck kommt, ist nicht mit der des Verlags zu verwechseln.“[3]

Wie in den sozialen Medien oft zu beobachten, häuften sich bei Twitter dazu aggressive Angriffe, die bis hin zu verschwörungsphantastischen Insinuierungen einer Deutschland terrorisierenden Diktatur politisch korrekter Gesinnungen reichen. Auch Tellkamp hatte in Dresden von einem „Gesinnungskorridor zwischen gewünschter und geduldeter Meinung“ gesprochen, und in der Publikumsdiskussion im Kulturpalast wurde der Vorwurf laut, das deutsche Fernsehen zensiere die „Meinungen“ Dresdner Bürger. Bei Twitter liest man nun Antworten auf die Suhrkamp-Nachricht wie die Bemerkung eines bekennenden Islamhassers, der sich „Zwetschgenmandl“ nennt: „Kritik gegen das Regime muss sofort abgewürgt werden.“[4] Mit anderen Worten: Der Suhrkamp Verlag soll Handlanger eines ominösen „Regimes“ sein, das jedwede Kritik an den Verhältnissen in Deutschland sofort mundtot macht.

Mit bestimmten Begriffen wie dem Borchmeyers sollte man in diesem Diskussionsklima vorsichtig sein: Es gibt keine „Medieninszenierung“, wie der Heidelberger Literaturwissenschaftler in seinem zitierten Interview meinte. User wie „Zwetschgenmandl“ könnten derartige Andeutungen zumindest als implizite Bestätigung ihres paranoiden Glaubens nehmen, es gebe ungenannte Dunkelmänner, die in Deutschland mit ihren inszenierten kritischen Debatten über unbescholtene deutsche SchriftstellerInnen bestimmte „Meinungen“ zu unterdrücken versuchen.

Wenn man den Wandel und die Beschleunigung von Feuilleton-Debatten durch social media besser verstehen lernen will, muss man sich genauer ansehen, was hier geschieht. Es gibt eine veränderte Diskussions- und Emotionskultur in Deutschland und der Welt, die die Entstehung von Skandalen mitbestimmt. Gewiss: Was jeweils tabuisiert wird oder nicht, hing schon immer mit dominierenden Konjunkturen des Sagbaren bzw. mit hegemonialen politischen Trends zusammen. Es sieht aber danach aus, als erlebten wir grundlegende Verschiebungen moralischer Grundannahmen, die seit 1945 gegolten haben. Neuerdings scheint sich etwa ein Ressentiment gegen die Kritik an Rassismus Bahn zu brechen, das frühere Sprachregelungen geradezu in ihr Gegenteil verkehrt: Nicht rassistisch verstehbare Äußerungen wie die Tellkamps werden skandalisiert, sondern deren öffentliche Ächtung wird als ‚Zensur‘ oder sogar selbst als ‚Rassismus‘ an den Pranger gestellt.

Selbst eine betont zurückhaltend formulierte Kritik wie die Borchmeyers in einem öffentlich-rechtlichen Medium, der lediglich bemerkt, er sei „ein bisschen unangenehm“ berührt von der Suhrkamp’schen Politik, da der Verlag sich auch gegenüber Walser schon einmal „schovel“ (schlecht) verhalten habe und ihn der Umgang mit Tellkamp daran erinnere, ist in diesem Klima nicht nur als eine private emotionale Reaktion des Kommentators zu verstehen, eine bloße Äußerung literaturkritischen Unbehagens. Selbst als Literaturwissenschaftler, der gelernt haben sollte, Sachverhalte logisch zu betrachten, scheint auch Borchmeyer ein gewisses Verständnis für die Empörung über die rechtlich legitime Verlags- und Medienkritik an Tellkamp gehabt zu haben, womit seine Äußerungen nolens volens als Verstärker einer Affektdynamik wirken konnten, die Demokratiefeinden wie „Zwetschgenmandl“ im Netz zugute kam.

Typisch für den aktuellen Diskurs ist es dabei, dass Borchmeyer eine mögliche Kritik an seiner Positionierung im Interview mit Dieter Kassel verärgert zurückweist, als seien allein die Versuche politischer Einordnungen öffentlicher Wortmeldungen wie der Tellkamps der Skandal an der gesamten Debatte:

Borchmeyer: Ich persönlich glaube auch nicht, dass 95 Prozent der Flüchtlinge nur in die Sozialsysteme eindringen wollen. Das kann man ja sagen: Aber Herr Tellkamp, Sie übertreiben da, das sind niemals so viele. Aber man sollte das Faktum als solches natürlich nicht leugnen, denn das Faktum ist, ich sage einfach: evident, dass tatsächlich viele kommen, nur um in die Sozialsysteme hineinzukommen.

Kassel: Ich glaube aber – Entschuldigung, wenn ich Sie da kurz unterbreche, Herr Borchmeyer –, ich glaube, viele, die Suhrkamps Distanzierung richtig finden, werden bisher sich vielleicht gesagt haben, was Herr Borchmeyer sagt, ist so falsch ja auch nicht, und werden jetzt sagen, ah, der ist ja auch so einer, einer von ganz weit rechts, weil Sie das gerade gesagt haben.

Borchmeyer: Ja, das ist eben das Üble: Dann wird sofort eine Stigmatisierung versucht, und man wird sofort in eine bestimmte rechte Ecke geschoben, wo man noch nie war und wo man auch nicht sein möchte. Das ist das Unangenehme. Jetzt wird natürlich der Tellkamp gleich mit der AfD identifiziert und so weiter, und diese Stigmatisierung, verbunden mit dem Göttersturz eines bedeutenden Autors, das ist etwas, was mich sehr unangenehm berührt.

Die Untersuchung der Effekte solcher emotionalisierender Rhetorik, die zur Erhellung dessen beitragen kann, was in solchen öffentlichen Kontroversen geschieht und warum sie sich so zuspitzen können wie im Fall Tellkamp, ist bisher von der Literaturwissenschaft kaum versucht worden. Wer sich öffentlich in solchen Debatten zu Wort meldet, muss sich darüber im Klaren sein, dass er mit Emotionen spielt, die große Wirkungskraft entfalten können. Laut Thomas Anz sind emotionalisierende Formulierungen in Kritiken – und man müsste hier hinzufügen, auch in anderen literaturbetrieblichen Äußerungen wie denen Borchmeyers – schlicht „Reize, die bei Lesern literaturkritischer Texte zu emotionalen Reaktionen führen (sollen)“.[5] 

Medien-Kontroversen werden also generell durch rhetorische Reizkonfigurationen vorangetrieben, die affektive Kettenreaktionen auslösen können oder auch sollen, selbst dann, wenn es sich ‚nur‘ um polemische literaturkritische Wertungen handelt. Da die Emotionsforschung seit Längerem weiß, dass unsere Gefühle eng mit solchen Werturteilen zusammenhängen, bemerkt Anz, dass die mangelnde Beschäftigung der Wertungs- und Literaturkritikforschung mit Emotionen erstaunlich sei.[6]

Grundsätzlich ist an Feuilleton-Debatten erst einmal nichts auszusetzen: Sie haben die Geschichte der Literaturkritik seit dem 18. Jahrhundert bestimmt[7] und gehören zu einer jeden Demokratie mit Presse- und Meinungsfreiheit, also einem Gut, das es zu schützen gilt. Literaturdebatten haben nicht nur die Geschichte der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur seit 1990 mitbestimmt und die Literaturwissenschaft inspiriert. Skandale, die solche Kontroversen – je nach Forschungsperspektive – sogar bereits seit der Antike[8] oder dem Mittelalter[9] ausgelöst haben, sind seit einigen Jahren ein neu entdecktes Feld literaturwissenschaftlicher Studien, wie u.a. der von Stefan Neuhaus und Johann Holzner 2007 vorgelegte Sammelband „Literatur als Skandal“[10] und die beiden von Andrea Bartl und Martin Kraus 2014 herausgegebenen Bände zu „Skandalautoren“ unterstreichen.[11] Feuilleton-Debatten hatten und haben Anteil an Kanonisierungs- und Dekanonisierungsprozessen und damit nicht zuletzt Eingang in Lehrmaterialien zur Gegenwartsliteratur gefunden. Leonhard Herrmann und Silke Horstkotte etwa beginnen ihre bei Metzler erschienene Einführung in die Gegenwartsliteratur mit einem Kapitel zu „Literaturdebatten 1999-2015“, in dem sie in aller Kürze Themen wie den „deutsch-deutschen Literaturstreit und das Ende der ‚Gesinnungsästhetik‘“, die Debatten um Botho Strauß und seinen Essay „Anschwellender Bocksgesang“, um Walsers Paulskirchenrede und Günter Grass und die Enthüllung seiner SS-Mitgliedschaft skizzieren.[12]

Wie angedeutet, kann man anhand der Beteiligung von Akteuren in den sozialen Medien wie Twitter aber auch eine Wandlung von Emotionskulturen ablesen, die im Internet mit besonderer Effektivität etabliert oder auch konterkariert werden können. Wie in allen anderen Medien auch hängen diese Affektkulturen bei Feuilleton-Debatten zunächst einmal stets eng mit der jeweiligen Weltsicht der Diskutanten und ihrem Literaturbegriff zusammen. Medien wie Twitter wirken jedoch viel schneller als Verstärker bestimmter Meinungstrends als traditionelle Printmedien: Kollektiv geteilte Emotionsregeln bzw. Gefühlsstandards unterschiedlicher User-Gruppen werden durch solche Medien auf besonders effektvolle, beschleunigte Weise weiter codiert, archiviert, aktiviert und verändert.

Was genau ist damit gemeint? Das Stichwort „Fake News“ etwa ist ein zur Zeit besonders prominentes Beispiel für eine solche Codierung. Diese beruht auf einer affektgeladenen, zugleich aber vollkommen irrationalen Infragestellung sinnvoller Grundlagen eines seriösen, auf recherchierten und wissenschaftlich belegbaren Fakten beruhenden Journalismus. „Fake News“ als Signalwort steht also nicht etwa für eine Kritik an tatsächlichen Falschbehauptungen der Presse, sondern – etwa bei Donald Trump, der den Begriff vor allem via Twitter weltweit etabliert und stark gemacht hat – für eine komplette Umkehrung der rationalen Grundlagen unserer Gesellschaft. Damit wird ganz einfach all das als „Fake News“ bezeichnet, was dem eigenen Weltbild widerspricht – auch wenn dies besagt, der Kilmawandel sei ein Hoax aus China, Barack Obama sei kein geborener Amerikaner, oder dass alle Immigranten in Deutschland nichts anderes im Schilde führten als ‚unsere‘ Sozialhilfesysteme auszubeuten. Die so entstehenden kollektiven Denkweisen präsentieren sich gegen jede Evidenz als Aufstand des ‚gesunden Menschenverstands‘ gegen die ‚Lügenpresse‘ bzw. eine als diktatorisch wahrgenommene ‚Political Correctness‘. Sie formen im Netz sehr umtriebige emotional communities, die bestimmten emotional regimes oder auch feeling rules folgen.[13]

Bei Twitter können dabei sehr unterschiedliche Gefühlskulturen in besonders aggressiver Weise kollidieren und sich zu Hate-Speech-Konflikten hochschaukeln, die u.a. in sogenannten Shitstorms gipfeln. Aufgrund der Retweet- oder Tweet-Funktionen, mit denen man auch Medienbeiträge wie Borchmeyers Interview in Twitter-Diskussionen einspeisen und dort wiederveröffentlichen kann, sind die Sphären von ‚Qualitätspresse‘ und den sozialen Medien nicht mehr klar voneinander zu trennen und können sich durch vielfältige Faktoren gegenseitig beeinflussen. Es gibt also nicht nur eine „Fraktalisierung“ der Literaturkritik, wie sie Stephan Porombka ausgemacht hat,[14] sondern die neuen Bricolage- und Patchworkformen der literaturkritischen Kommunikation sind trotz der viel beschworenen informationstechnischen Blasenbildung in sogenannten Freundschaftsnetzwerken zumindest potenziell auch weiter durchlässig.[15] Wie im Folgenden an einem aktuellen Beispiel zu zeigen sein wird, sieht sich insbesondere auch die ökonmomisch in Bedrängnis geratene Print-Presse animiert, auf die angeblich so fraktalisierten Debatten in den sozialen Medien zu reagieren und diese in ihrer Berichterstattung aufzugreifen oder deren affektive Kommunikationsformen sogar selbst zu imitieren.

Eine der Konsequenzen der Digitalisierung ist ein „Present Shock“, also ein Gegenwartsschock oder auch eine oft in kulturpessimistischer Krisenrhetorik beklagte „Totalisierung der Gegenwart“.[16] Die Rede ist von einer beschleunigten „Nowness“, einer uns angeblich katastrophisch überflutenden Netzkultur der „Jetztzeitigkeit“.[17] Diese akzelerierte „Hyperkommunikation“[18] erzeugt nicht nur Fragmentierungen und Asynchronien, sondern auch Simultanitäten, deren Effekte sich der Kontrolle einzelner AutorInnen entziehen.[19]

Wie auch immer man zu diesen Entwicklungen im Zeitalter der Digitalisierung stehen mag: Die Literaturwissenschaft kann diese neuen Formen literarischer Kommunikation im 21. Jahrhundert nicht mehr ignorieren. Sie muss konstruktiv und kritisch damit umgehen. Sie muss die Möglichkeiten der neuen Medien nutzen, um zu analysieren und zu kommentieren, wie genau Literaturdebatten heute verlaufen und was sie über aktuelle deutschsprachige Lesekulturen verraten.

Foren wie Twitter bieten dazu reichhaltiges Anschauungsmaterial.[20] Der Siegener Medienwissenschaftler Johannes Paßmann hat im Mai 2018 eine „Twitter-Ethnografie“ über die „soziale Logik des Likes“ vorgelegt, die auf teilnehmenden Beobachtungen wie denen des Sozialanthropologen Bronisław Malinowski und dem ethnomethodologischen Ansatz Harold Garfinkels beruht.[21] Neue Kommunikationsformen wie das „Liken“ können aber nicht nur als eine „alternative Form der Wissensdistribution, eine alternative Epistemologie“ verstanden werden, wie das „Historische Wörterbuch des Mediengebrauchs“ (2015) urteilt,[22] sondern auch als Multiplikatoren und Katalysatoren von Affekten.

Georg Franck hat bereits in seiner Studie über die „Ökonomie der Aufmerksamkeit“ von 1998, also lange vor dem Aufkommen von Facebook (2004) und Twitter (2006), auf die strategischen Aushandlungen und Konkurrenzkämpfe verwiesen, die insbesondere über die Medien stattfinden und dabei eng mit Gefühlen zusammenhängen.[23] Im Folgenden soll anhand eines ausgewählten Beispiels gezeigt werden, wie unterschiedliche Emotionskulturen in aktuellen Literaturdebatten parallel existieren, sich aber auch gegenseitig beeinflussen können.

Die Kontroverse um Simon Strauß’ Debüt „Sieben Nächte“

Erste hymnische Besprechungen namhafter Kritiker in Deutschland begrüßten Simon Strauß mit seinem Prosamanifest „Sieben Nächte“ als Stimme seiner ‚Generation‘ der ‚Millenials‘ (Volker Weidermann und Florian Illies). Als Autor des Buchs „Generation Golf“ (2000) betrieb Illies in seinem Lob in der ZEIT zugleich eine rückblickende Selbst-Konsekration, indem er Strauß zuschrieb, „nach Worten für das Unsagbare und Unsägliche im Leben seiner Altersgenossen“ zu suchen. Es könne sein, dass Strauß „genau mit dem Thematisieren dieser Suche nach einer eigenen Identität in diesem Buch nun erstmals einen sichtbaren Identitätsnachweis seiner Generation erbringt“.[24]

Dass diese Rezeption insbesondere auch jüngere RezipientInnen erreicht zu haben scheint und ein ansteckendes Emotionalisierungspotenzial aufweist, das sich durch virtuelle Kanäle gut multiplizieren lässt, liegt nicht nur am ausdrucksstarken Buchcover, sondern u.a. auch an der hohen Dichte von expliziten Gefühls-Adressierungen im autodiegetisch erzählten Text. Bereits im ersten Kapitel, „Vor dem Anfang“, heißt es: „Der einzige Kampf, der jetzt noch lohnt, ist der ums Gefühl.“[25] Mehr noch: Schon der allererste Satz des schmalen Bändchens beschreibt eine existenzielle Emotion und wirkt wie ein adoleszenter Appell, als Eröffnung eines „Kampfbuch[s] gegen die Abgeklärtheit“ und für die „Offenheit der Herzen“, wie es Volker Weidermanns emphatischer Kommentar auf der Rückseite des Bucheinbands der bereits 5. Auflage formuliert.

Der erste Satz von „Sieben Nächte“ lautet: „Das hier schreibe ich aus Angst“,[26] und er verfehlt seine Wirkung nicht, wie man u.a. anhand von Hervorhebungen auf Twitter sehen kann, wo ihn z.B. eine enthusiasmierte Leserin am 24. Februar 2018 unter dem Hashtag #buchbeginn postete.[27] Diese emotionalen Reaktionen beruhen auf einer emphatischen Rezeption des Textes, die jene Kontexte, die zur kritischen Debattierung des Buchs führten, gar nicht wahrnimmt. Aus dieser Sicht beschreibt der empfindsame Text von Simon Strauß unter jungen Männern eher tabuisierte Gefühle der Unsicherheit und spricht kollektive Sehnsüchte nach weniger Zynismus an, nach ‚ehrlicheren‘ Emotionen und weniger heuchlerischer Abgeklärtheit unter Heranwachsenden.

Damit soll keineswegs gesagt sein, dass es sich dabei um ein Missverständnis handelt: „Sieben Nächte“ ist tatsächlich ein Adoleszenz-Roman, der für bestimmte LeserInnengruppen offensichtlich ein hohes Identifikationspotenzial aufweist. Dabei fällt auf, dass der Text der seit Sommer 2017 bei YouTube zu beobachtenden Rezeptionslage nach insbesondere auf Leserinnen aufwühlend gewirkt zu haben scheint, da bei Abschluss der vorliegenden Beitrags überhaupt keine vergleichbaren Video-Rezensionen von Männern im Internet zu finden waren. Die im Netz auftauchenden Rezeptionszeugnisse reagieren offenbar auf einen literarischen Text, der Gefühle wie Empathie evoziert. „Sieben Nächte“ liest sich aus dieser Perspektive als verstörendes Stimme-einer-Generation-Narrativ, das nicht zuletzt ambivalente Gemeinschaftsgefühle wachruft, die mit vager Aufbruchsstimmung und Zuversicht gekoppelt sein können, insofern LeserInnen sich in dem Text selbst wiederzuerkennen glauben und erleichtert feststellen, dass sie mit ihren geheimen Ängsten gar nicht alleine sind.

Bei alledem muss allerdings betont werden, dass der Schluss, es handele sich bei dieser betont emotionalen Rezeption um typisch weibliche Lesarten, wohingegen die politisch-rationale Debatte um den Autor männlich dominiert gewesen sei, problematisch wäre. Selbstverständlich müsste der Text in dieser Weise eigentlich vor allem auch auf männliche Leser gewirkt haben, da er aus einer Erzählperspektive heraus berichtet, die sich betont an althergebrachten Geschlechterbildern orientiert: Strauß‘ Erzähler lacht etwa über junge Familienväter, die Windeln wechseln,[28] und hält sich für einen mutigeren Menschen und einen „Mann“, weil er Fleisch isst.[29]

Festzuhalten bleibt: In der emotional community von jüngeren Leserinnen, die sich dem nüchternen Befund der vorliegenden Recherche nach von Simon Strauß‘ Text in der referierten Weise angezogen gefühlt haben, gelten offensichtlich andere feeling rules als für die empörten Reaktionen aus dem linken Blog- und Pressespektrum oder für die feministische Kritik an „Sieben Nächte“. Die Bloggerin Janine Rumrich etwa fasst ihre ungebremste identifikatorische Ergriffenheit im Sommer 2017, also noch vor Beginn der politischen Debatte um Simon Strauß einige Monate später, in folgende Worte:

Ich kenne nur wenige Buchanfänge, die mich so haben fühlen lassen, wie der von „Sieben Nächte“. Die Sätze von Simon Strauss [sic!] sind stark und fordernd. Ich wollte nicht aufhören zu lesen und hatte zugleich Angst davor, weil ich nicht wusste, welchen meiner persönlichen Gedanken, [sic!] Simon Strauss [sic!] als nächstes offenbart und vor mir selbst entblößt. In stillen Minuten plagen mich die gleichen Sorgen und Ängste wie den Protagonisten des Buches, der tatsächlich genauso gut ich sein könnte, denn er hat nicht einmal einen Namen. Er ist jeder.[30]

Bald danach wurde das Buch jedoch ganz anders gelesen. Nach einem Bericht in der britischen Zeitung The Guardian im November 2017, der Strauß und sein Buch im Kontext des Comebacks eines umstrittenen „ultra-romanticism“ (also einer „Ultraromantik“) vorstellte,[31] wurden immer mehr Stimmen laut, die mutmaßten, Strauß sei ein Wasserträger der Neuen Rechten und der AfD. So u.a. der harsche Verriss von Alem Grabovac in der taz, der Strauß vorhielt, er spiele „mit der Ästhetik und den Inhalten des rechten Randes“.[32]

Erst diese Aufregung führte sehr spät dazu, dass „Sieben Nächte“ auch sprachkritisch genauer unter die Lupe genommen wurde. Unpolitisch daherkommende Polemiken dieser Art sind dazu geeignet, Schadenfreude über die literarische Unfähigkeit eines allseits gelobten Star-Autors auszulösen. Sieglinde Geisel, Herausgeberin des Magazins für Literatur und Zeitgenossenschaft „tell“, las in ihrem berüchtigten „Page-99-Test“ nur eine Seite aus „Sieben Nächte“ und befand:

Mich wundert kein bisschen, dass einer so etwas schreibt. Mich wundert, dass ein Verlag so etwas druckt. Noch mehr wundert mich, dass so etwas zum Hype des Tages wird (5. Auflage!). Und am allermeisten wundert mich, dass sich alle im larger-than-life-Modus darüber aufregen.[33]

Der ideologiekritische Alarmismus um das Buch war in der Tat übertrieben,[34] wenn Strauß auch an vielen Stellen andeutungsweise mit Versatzstücken des Selbstbilds toxischer Männlichkeit kokettiert bzw. mit Stichwörtern hantiert, die man bereits aus dem Skandal-Essay seines Vaters Botho Strauß, „Anschwellender Bocksgesang“ vom Februar 1993, kennt.[35] Simon Strauß‘ Erzähler verteidigt z.B. den Zorn,[36] oder er formuliert, eine „Gesellschaft, in der sich niemand mehr zum Ganzen“ bekenne, sei „auf Dauer nicht überlebensfähig“.[37]

Nimmt man den vielfach kommentierten Kontext hinzu, dass Botho Strauß mit seinem Essay 25 Jahre zuvor sein Coming-Out als intellektueller Wortführer der Neuen Rechten der 90er Jahre hatte, so versteht man schnell, welche Schlüsselreize und Signalwörter jene emotionale Erregung triggerten, die über Wochen auch in den sozialen Medien zu beobachten war. Die teils ambivalente Faszination jüngerer YouTube-Rezensentinnen[38] für Strauß’ Alter-Ego-Erzählung über die Angst vorm Erwachsenwerden und die Protokollierung der Begehung der sieben Todsünden[39] in sieben Nächten dürfte, wie erwähnt, mit dem stets extrem konstruierten Stimme-der-Generation-Skript zusammenhängen, mit dem der Text spielt und das auch die Literaturkritik seit Jahrzehnten immer wieder gerne aufgreift, um Trends zu markieren.[40] 

Das raunende, eher undeutliche und bewusst im Vagen gehaltene Spiel mit dem ‚Tabubruch‘ reaktionären Denkens wiederum ist ebenfalls alt und wurde u.a. von Joachim Bessings popliterarischem Quintett in „Tristesse Royale“ (1999) oder auch in späteren Selbstinszenierungen Christian Krachts auf vergleichbare Weise erprobt. Auf Seiten linksliberal orientierter LeserInnen werden derartige Strategien mit erwartbarer Wut und Empörung quittiert. Diese Gefühlslage setzt zudem eine epitextuelle Suche nach Äußerungen und Aktionen des empirischen Autors in Gang, die belegen helfen soll, dass es sich bei ihm um einen politischen Feind handele, der öffentlich bekämpft werden müsse. So wurde vielfach kolportiert, dass Simon Strauß den neurechten Vordenker Götz Kubitschek in seinen Berliner Salon eingeladen habe (wenn auch aus kritischer Absicht, wie von VerteidigerInnen beteuert wurde). Derartige Enthüllungen gehen in betreffenden emotional communities mit Gefühlen wie brüsker Ablehnung, Misstrauen und Spott einher. Das gilt auch für die angeblichen männerbündlerischen Töne in Strauß’ Buch, die Antonia Baum in der ZEIT mit einem polemischen Gender-Ansatz angriff:

Der Erzähler isst Fleisch und fährt Auto, wie sich das für richtige Männer gehört; wenn er seine geistigen Bezugsgrößen zitiert, so sind es ausschließlich Männer, er sehnt sich nach Heldentum und Geheimbünden, bis er selbst einen für die Handlung des Buches zentralen Pakt mit einem Mann schließt, der ihn ‚führen will‘. Hier erinnert der Roman an die Wirklichkeit, an jene fast besoffene, George-Kreis-hafte Strauß-Verliebtheit einiger seiner männlichen Fans in den Feuilletons und natürlich an den zentralen Strauß-Förderer Jürgen Kaube, der einem absoluten Männerparadies vorsteht, nämlich der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, wo der Feuilletonredakteur Simon Strauß die Seiten mit AfD-Sorgen in Proseminar-Sprache vollschreibt.[41]

Ijoma Mangold wiederum eröffnete diese Pro- und Contra-Rubrik in der ZEIT mit der Empörung über die Kritiker und Mitleid mit dem Autor evozierenden Gegenthese, Strauß sei ein Opfer eines einwandfreien „Rufmordes“ geworden.[42] Ein polemischer Standpunkt, der auf Seiten der Verteidiger von Strauß dazu angelegt ist, die Wut auf die andere Seite des Meinungsspektrums zu erhöhen.

Nichts an all diesen literaturbetrieblichen Mechanismen und Rhetoriken war vollkommen neu, weder auf Seiten des Autors noch auf Seiten der Presse. Doch es funktioniert trotzdem, vor allem aufgrund erwartbarer heftiger emotionaler Reaktionen und der fortgeführten Verbalisierung dieser Emotionen über verschiedenste Kanäle im Netz. Simon Strauß hat bewährte Emotionalisierungsstrategien verfolgt, die zumindest bei bestimmten Zielgruppen ihren Effekt nicht verfehlt haben und das Debüt zum Verkaufserfolg machten.

YouTube-Rezensionen und -Interviews, ubiquitäre Online-Kommentare und auch die Reaktion des Schriftstellers selbst auf eine scharfe ideologiekritische Anklage auf der Website der AutorInnengruppe „Rich Kids of Literature“[43] via Facebook beinflussten diese Debatte mit. Strauß nannte die bis dahin befreundeten Publizisten „ängstliche Heuchler ohne Rückgrat“ und denunzierte damit ihre Polemik, die sein Buch mit maskulinem Gedankengut in Verbindung brachten, das „in erschreckend ähnlichen Erscheinungsformen vor nicht einmal siebzig Jahren den Holocaust mit möglich gemacht hat“.[44]

Hier wird deutlich, wie sich die Online-Debatte zusehends verselbständigt, sich vom Text zu lösen beginnt und wie angesichts gegenseitig sich hochschaukelnder Vorwürfe auch Strauß seinen Affekten freien Lauf lässt: „Jeder, der Euren Hatepost liest (und nicht nur aus dumpfer Prangerlust liked ohne zu lesen), wird feststellen, was für einen leichtfertigen Schwachsinn ihr da aus reiner Diffamierungsabsicht produziert habt.“[45]

Die Online-Kritikerin Katharina Herrmann wiederum ruderte nach einer persönlichen Email des Autors an sie und einem Treffen mit ihm zurück und widerrief ihren eigenen sprachkritischen Verriss bei „54 Books“, sowohl in einer nachträglich hochgeladenen Vorbemerkung zu ihrem ersten Artikel[46] als auch in einem weiteren Text auf dem gleichen Portal, der als längerer verteidigender Leserbrief zu Gunsten von Strauß auf Alem Grabovacs taz-Polemik reagierte.[47]

Dieses unkonventionelle Hin und Her kommt in der Print-Presse bis heute nur in extremen Ausnahmefällen vor und stellt eine neue Qualität literaturkritischer Kommunikation dar. Gerrit Bartels mochte im „Tagesspiegel“ einen Punkt damit getroffen haben, diese Kontroverse als eine der „bescheuertsten, absurdesten, überflüssigsten Feuilletondebatten der jüngeren Zeit“ abzutun.[48] Dies ändert aber nichts an der Anschaulichkeit der sich gegenseitig potenzierenden Emotionen in diesem Fall, die Licht auf die Rolle der sozialen Medien in diesem Spiel werfen.

Affektgeladene Literaturdebatten und die Neuordnung medialer Kommunikation

2017 ergab eine amerikanische Studie, dass die Gruppenbildung in den sozialen Medien eine verstärkte Polarisierung extremer Meinungen erzeugt. Einmal einer bestimmten Gruppe zugeordnet, versuchen demnach die Selbstprofilierer innerhalb dieser virtuellen Szene mit immer radikaleren Botschaften auf sich aufmerksam zu machen und vertiefen so die Gräben zur gegenteiligen Positionierung anderer Kommunikations-Cluster immer mehr.[49]

Man könnte in dem Zusammenhang den Blick auch auf eine weitere Debatte in Deutschland richten, die zu Beginn dieses Jahres die Gemüter erhitzte, auch wenn sie vollkommen anders gelagert war. Während sich Simon Strauß’ Erzähler in seinem Roman über die angeblich hegemoniale Kritik an Gender-Diskriminierungen[50] in unserer Gesellschaft empört, führte ein entsprechendes kritisches Verständnis von Eugen Gomringers Gedicht „Avenidas“ zu einer nicht minder aufgeregten Kontroverse. Dies wiederum war ein Beispiel dafür, dass sogar kürzeste lyrische Texte, die anders als „Sieben Nächte“ keinerlei explizit codierte Emotionsmanifestationen enthalten, sehr plötzlich extrem polarisierte Debatten erzeugen können.

Wie sich das Emotions- und Erregungspotenzial von Texten[51] zur Aufmerksamkeitsökonomie des Literaturbetriebs und zu dessen Erweiterung im Bereich der sozialen Medien verhält, kann und muss auch von der Literaturwissenschaft weiter untersucht werden.[52] Hier spielen soziokulturelle Phänomene und Rahmenbedingungen wie die legitime und progressive #MeToo-Debatte oder auch der bestürzende Wahlerfolg der AfD in Deutschland ebenso eine Rolle wie die Parallelisierung und schnellere Abrufbarkeit verschiedenster kultureller Kontexte im Internet und via social media. Allen drei hier erwähnten Kontroversen – Tellkamp, Strauß, Gomringer – ist zunächst einmal eine mehr oder weniger nachvollziehbare starke Politisierung des Themas eigen. Diese ideologiekritischen Aufladung der Rezeption erzeugt in den entsprechenden Foren und Kommunikationskanälen stets eine gewisse Eigendynamik, deren Drang zur Eskalation auch durch Einsprüche namhafter Akteure wie Dieter Borchmeyer nicht mehr zu deckeln ist, sondern eher noch befeuert wird.

In einem zweiten Schritt schaukeln sich die polarisierenden Standpunkte im Netz gegenseitig weiter hoch, wobei neuerdings sogar auch die Print-Presse dazu neigt, dieses Meinungsgefälle in den sozialen Medien strategisch aufzugreifen und abzubilden bzw. weiterzuspinnen. Ein prominentes Beispiel dafür wäre die früher eher untypische Entscheidung der ZEIT, Ijoma Mangold und Antonia Baum mit diametral entgegengesetzten, äußerst schrill klingenden Bewertungen der Simon-Strauß-Debatte ins Blatt zu rücken. Dies zeigt nicht zuletzt, dass es sich das etablierte Feuilleton offensichtlich nicht mehr leisten kann, die viel schnelleren und ihren Publikationen zeitlich oft vorausgehenden Debatten-Entwicklungen in den sozialen Medien einfach zu übergehen.

Derartige Emotions- und Publikationskulturen beeinflussen die Lesarten von literarischen Texten generell und auch deren Vermittlung in unterschiedlichen LeserInnengruppen stark. Dies literaturwissenschaftlich zu untersuchen, bedeutet nicht weniger als der Frage nachzugehen, wie im 21. Jahrhundert überhaupt noch gelesen werden und wie die Literaturkritik der Zukunft aussehen wird.

Anmerkungen

[1] Die gesamte zweistündige Podiumsdiskussion wurde aufgezeichnet und ist online abrufbar unter: https://www.youtube.com/watch?v=4X4ArZAcmbg (letzter Zugriff: 04.05.2018).

[2] Dieter Borchmeyer im Gespräch mit Dieter Kassel: „Göttersturz eines bedeutenden Autors“. In: Deutschlandfunk Kultur, 12.03.2018. Online abrufbar unter: http://www.deutschlandfunkkultur.de/uwe-tellkamp-goettersturz-eines-bedeutenden-autors.1008.de.html?dram:article_id=412786 (letzter Zugriff: 02.05.2018). Die hier im Artikel folgenden Borchmeyer-Zitate aus diesem Gespräch sind ebenfalls unter diesem Link zu finden.

[3] Siehe den Suhrkamp-Tweet am 09.03.2018 unter: https://twitter.com/suhrkamp/status/972035792003616769?lang=de (letzter Zugriff: 08.05.2018).

[4] Siehe: https://twitter.com/ZwetschgenmandI/status/972205198226706434 (letzter Zugriff: 02.05.2018).

[5] Thomas Anz: Werten und Fühlen. Zur Rationalität und Emotionalität literaturkritischer Kommunikation – am Beispiel von Marcel Reich-Ranicki. In: Heinrich Kaulen / Christina Gansel (Hg.). Literaturkritik heute. Tendenzen – Traditionen – Vermittlung. Göttingen: V&R unipress 2015, S. 13-25. Hier: S. 19.

[6] Ebd., S. 14 f. Anz bezieht sich dabei u.a. auf Emotionsdefinitionen von Thomas Hülshoff, Klaus R. Scherer und Monika Schwarz-Friesel.

[7] Schon die rasante Entwicklung des Buchmarkts mit ihrem Aktualitätsdruck und ihren Beschleunigungen seit dem Sturm und Drang, die Entdeckung der Aufhebung der Anonymität der Rezensenten und der Polemik ad hominem seit dem Vormärz, – all die damit verbundenen Umstellungen und Aufregungen prägten Kommunikationsformen vor, die auch heute in den neuen Medien immer noch vorkommen. Siehe dazu die Beiträge in Thomas Anz / Rainer Baasner (Hrsg.): Literaturkritik. Geschichte – Theorie – Praxis. München: Verlag C. H. Beck 2004.

[8] Vgl. Volker Ladenthin: Literatur als Skandal. In: Stefan Neuhaus / Johann Holzner (Hrsg.): Literatur als Skandal. Fälle – Funktionen – Folgen. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2007, S. 19-28. Hier: S. 19. Ladenthin verweist auf die Bestrafung des Sokrates wegen seiner „literarisch-philosophischen Verbalattacken“ und auf Aristoteles’ Beschäftigung mit dem Thema in seiner „Poetik“, die den Skandal als eine nicht tolerierbare Missachtung geltender literarischer Nomen definiert.

[9] Ob es eine Kontroverse zwischen Gottfried von Straßburg und Wolfram von Eschenbach gab oder diese nur von der modernen Forschung konstruiert wurde, ist unter Mediävisten umstritten. Martin Luther aber hat sicher Skandale ausgelöst, die u.a. zur Gründung der protestantischen Kirche führten und mit der Publikation einiger der Urtexte des christlichen Antisemitismus in deutscher Sprache einhergingen. Im Blick auf die folgenden Epochen kommt man kaum noch nach, wenn man etwa beginnt, chronologisch Literaturdebatten seit der Weimarer Klassik aufzuzählen: Da sind etwa die um Goethes „Werther“ und seine „Wahlverwandschaften“, die um Karl Gutzkows „Wally, die Zweiflerin“, die streitbaren Debatten zwischen Gutzkow, Gustav Freytag und Julian Schmidt in den „Grenzboten“, der Berliner Antisemitismusstreit um 1880, die Skandale um Gerhart Hauptmanns Theaterstücke „Vor Sonnenaufgang“ und „Die Weber“ und viele andere mehr.

[10] Stefan Neuhaus / Johann Holzner (Hrsg.), Literatur als Skandal, a.a.O.

[11] Andrea Bartl / Martin Kraus (Hrsg.): Skandalautoren. Zu repräsentativen Mustern literarischer Provokation und Aufsehen erregender Autorinszenierung. 2 Bd. Würzburg: Königshausen & Neumann 2014.

[12] So etwa in Leonhard Herrmann / Silke Horstkotte: Gegenwartsliteratur. Eine Einführung. J. B. Metzler: Stuttgart 2016, S. 15-32.

[13] Vgl. Johannes F. Lehmann: Geschichte der Gefühle. Wissensgeschichte, Begriffsgeschichte, Diskursgeschichte. In: Martin von Koppenfels, Cornelia Zumbusch (Hrsg.): Handbuch Literatur & Emotionen. Berlin / Boston: De Gruyter 2016, S. 140-157.Hier: S. 145f.

[14] Stephan Porombka: Weg von der Substanz. Hin zu den Substanzen. Literaturkritik 2.0ff. In: Matthias Beilein / Claudia Stockinger / Simone Winko (Hrsg.): Kanon, Wertung und Vermittlung: Literatur in der Wissensgesellschaft, Göttingen: De Gruyter 2012, S. 293-303. Hier: S. 298.

[15] Vgl. Jan Süselbeck: Prosumer, Ratgeber, Apotheker. Literaturkritische Netzwerke im Zeitalter des User Generated Content. In: Christina Hoffmann / Johanna Öttl (Hrsg.): Digitalität und literarische Netz-Werke. antikanon #2. Wien / Berlin: Verlag Turia + Kant 2017, S. 177-198.Hier besonders: S. 196.

[16] Siehe dazu Eckhard Schumachers Sammelrezension: Present Shock. Gegenwartsdiagnosen nach der Digitalisierung. In: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken. 72. Jahrgang, März 2018, S. 67-77. Hier: S. 72. Bereits Botho Strauß sprach in seinem Skandalartikel „Anschwellender Bocksgesang“, also lange vor der Existenz der sozialen Medien, „Rechts zu sein“ von „ganzem Wesen“ sei ein „Akt der Auflehnung“ gegen die „Totalherrschaft der Gegenwart“, die dem „Individuum jede Anwesenheit von unaufgeklärter Vergangenheit, von geschichtlichem Gewordensein, von mythischer Zeit rauben und ausmerzen“ wolle. Botho Strauß: Anschwellender Bocksgesang. In: Der Spiegel 6/1993 S. 202-207. Hier: S. 204.

[17] Eckhard Schumacher, Present Schock, a.a.O., S. 73.

[18] Ebd., S. 75.

[19] Vgl. ebd., S. 77.

[20] Vgl. Isabell Otto: Twittern. In: Heiko Christians / Matthias Bickenbach / Nikolaus Wegmann (Hrsg.): Historisches Wörterbuch des Mediengebrauchs. Köln / Weimar / Wien: Böhlau Verlag 2015, S. 614-620. Hier: S. 218: „Twitter bietet eine wichtige Quelle für historische, soziologische oder kommunikations- und sprachwissenschaftliche Forschungen. Auch für die Medienwissenschaft stellt die Plattform vielfältige Forschungsmöglichkeiten bereit: Tweets können gesammelt, gespeichert und verglichen werden.“ Man kann hinzufügen, dass auch die Emotionswissenschaft in solchen sozialen Medien reichhaltiges Anschauungsmaterial finden kann.

[21] Johannes Paßmann: Die soziale Logik des Likes. Eine Twitter-Ethnografie. Frankfurt am Main / New York: Campus Verlag 2018.

[22] Daniel Fehr / Hannes Mandel: Liken. In: Heiko Christians / Matthias Bickenbach / Nikolaus Wegmann (Hrsg.): Historisches Wörterbuch des Mediengebrauchs. Köln / Weimar / Wien: Böhlau Verlag 2015, S. 412-428. Hier: S. 423.

[23] Georg Franck: Ökonomie der Aufmerksamkeit. Ein Entwurf. München / Wien: Carl Hanser Verlag 1998. Es lohnt sich, Francks Überlegungen im Blick auf die Affekt- und Aufmerksamkeitsökonomie in den sozialen Medien noch einmal neu zu lesen, siehe etwa S. 109: „Gunst, Mißgunst, Dünkel, Ressentiment, Neid, Ehrgeiz urteilen sehr wohl; sie nehmen genau wahr und rechnen genau. […] Es ist ausgesprochen schwierig, ihrem Drang zu wehren. Sie überfallen uns – nur eben nicht von ungefähr. Sie lassen uns heißen Begehrens und peinigenden Vergleichs wissen, wie wir vor anderen dazustehen hätten.“ Wer schon einmal gierig auf Twitter geklickt hat, um zu sehen, wieviele „Likes“ er in den letzten Stunden bekommen hat, weiß, wovon hier die Rede ist. Der Literaturbetrieb multipliziert diese Gefühle bei den Beteiligten und handelt sie in der Öffentlichkeit aus, siehe ebd., S. 56: „Die eigenartige Verschränkung von Geld und Aufmerksamkeit erschließt der Beschäftigung mit Dingen, mit denen es sich nur um ihrer selbst willen zu beschäftigen lohnt, den Zugang zu einem Publikum. Was sonst Privatsache oder etwas für exklusive Zirkel bliebe, wird durch das Verlagswesen Gemeingut.“

[24] Florian Illies: Gib mir mein Herz zurück. Warum„Sieben Nächte“von Simon Strauß das Buch der nächsten Generation werden kann.In: DIE ZEIT, 12.07.2017. Online abrufbar unter: https://www.zeit.de/2017/29/sieben-naechte-simon-strauss (letzter Zugriff: 05.05.2018).

[25] Simon Strauß: Sieben Nächte. Berlin: Blumenbar / Aufbau Verlag 2017, S. 15.

[26] Ebd., S. 11.

[27] Bei Twitter abrufbar unter https://twitter.com/blumenkind_j/status/967411709152518144 (letzter Zugriff: 03.08.2018).

[28] Simon Strauß, Sieben Nächte, a.a.O., S. 27: „All die radelnden Jungväter mit ihren Kindersitzen und Tragetaschen, die nur darauf warten, allen zu beweisen, wie gut und wie schnell sie wickeln können. Wie über die Maßen zufrieden sie mit ihrer neuen Rolle sind. Endlich kein Mann mehr sein müssen. Nur noch Papa.“

[29] Ebd., S. 51.

[30] Janine Rumrich: Sieben Nächte von Simon Strauss oder auf der Suche nach der eigenen Identität. In: Frau Hemingway. Buch- und Literaturblog, 16.07.2017. Online abrufbar unter: https://frau-hemingway.de/sieben-naechte-von-simon-strauss-oder-auf-der-suche-nach-der-eigenen-identitaet/ (letzter Zugriff: 05.05.2018).

[31] Eine Anspielung auf ein ironisches Manifest des Autors Leonhard Hieronymi, eines Mitglieds der „Rich Kids of Literature“: Ultraromantik. Ein Manifest von Leonhard Hieronymi. Berlin: Korbinian Verlag 2017.

[32] Alem Grabovac: Debatte zum Schriftsteller Simon Strauß. Treibstoff für die Reaktionären. Ist der FAZ-Redakteur Simon Strauß wirklich der neue Messias der deutschen Literatur? Mit seiner Ultraromantik bedient er die Agenda der Rechten. In: taz, 08.01.2018. Online abrufbar unter: https://www.taz.de/Archiv-Suche/!5472546&s=grabovac/ (letzter Zugriff: 04.05.2018).

[33] Sieglinde Geisel: Page-99-Test: Simon Strauß. An Simon Strauß’ Text hat sich eine Debatte entzündet. Muss man dieses Buch gelesen haben, um mitreden zu können? Ein Kommentar mit integriertem Page-99-Test. In: tell. Magazin für Literatur und Zeitgenossenschaft, 22. Januar 2018. Online abrufbar unter: https://tell-review.de/page-99-test-simon-strauss/ (letzter Zugriff: 03.05.2018).

[34] Vgl. Andrea Gerk (Moderation): Julia Franck und Wolfram Eilenberger im Streitgespräch. Muss Literatur politisch sein – und wenn ja, wie? In: Deutschlandfunk Kultur, 27.02.2018. Online abrufbar unter: http://www.deutschlandfunkkultur.de/julia-franck-und-wolfram-eilenberger-im-streitgespraech.1270.de.html?dram:article_id=411779 (letzter Zugriff: 04.05.2018). Der Philosoph Wolfram Eilenberger sprach in diesem Interview, das er zusammen mit der Schriftstellerin Julia Franck dem Deutschlandfunk gab, von einer grassierenden „Zwangspolitisierung von Kunstwerken“, die eine „besondere Aufmerksamkeit“ verspreche. Adressaten und Leser fühlten sich persönlich von den Texten angesprochen, wodurch sie „totalisieren, was mit dem Kunstwerk gemeint ist und sich ihre eigenen Empfindlichkeiten verabsolutieren, indem sie sagen, das empfinde ich so, und deswegen ist es auch so zu verstehen“. Das ist nicht nur unglücklich formuliert, sondern trifft auf die literaturkritische Rezeption von „Sieben Nächte“ so nicht ganz zu, da es durchaus Belege für Strauß’ ideologisches Spiel mit dem Feuer gibt.

[35] Als erster wies darauf Maxim Biller hin. Siehe Ders.: Kaddisch für meinen Vater. Wahrscheinlich handelt jedes meiner Bücher von ihm. Er hat mir beigebracht, mich immer mit den Chefs anzulegen. In: Die Zeit, 16.08.2017. Online abrufbar unter: https://www.zeit.de/2017/34/ueber-den-linden-vater/komplettansicht (letzter Zugriff: 24.06.2018). Biller kommt der Text von Simon Strauß vor, als „hätte er nachts im Schreibtisch seines Vaters gewühlt und die Notizen gefunden, die sich Botho Strauß damals beim Schreiben des Anschwellenden Bocksgesangs gemacht hatte, was ja so eine Art Untergang des Abendlandes für das neueste Deutschland geworden war. Aber wo der Vater noch raunend und unverbindlich abstrakt die ‚Gewaltlosigkeit‘ und den ‚Demokratismus‘ der Liberalen von heute und die ‚Totalherrschaft der Gegenwart‘ beweint hatte, träumte der Sohn lieber gleich davon, wie er sich nachts auf ein Verkehrspodest stellte, wie er erst seine ‚Rechte‘ zur Stirn hob – eine ‚Feldherren-Geste‘ nannte er das – und dann zu einer erfundenen Masse redete, zu Leuten, die genauso schüchtern und klein waren wie er, wie er sie dazu aufrief, mutig und groß oder was auch immer zu sein, und zum Schluss bekam er von ihnen für seine trotzige Kleinbürgervision großen, rauschenden Applaus, und dann hob er auch noch die linke Hand, und die riesige Menge wurde sofort still wie ein Mann.“

[36] Simon Strauß, Sieben Nächte, a.a.O., S. 124. Vgl. Botho Strauß, Anschwellender Bocksgesang, a.a.O., S. 205, wo Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und sogar Lynchmorde im Blick auf ihren antiken Ritualcharakter auf einen „sakralen, ordnungsstiftenden Sinn“ zurückgeführt werden.

[37] Simon Strauß, Sieben Nächte, a.a.O., S. 31. Siehe dazu Botho Strauß, Anschwellender Bocksgesang, a.a.O., S. 202, wo es gleich in den Eingangssätzen des Essays heißt, wer nicht Scheu und Bewunderung für das Große und Ganze empfinde, sei von einer „politischen Krankheit befallen“. Bei Simon Strauß echauffiert sich der Erzähler zudem: „Überall identifizieren wir uns mit den Diskriminierten, fühlen uns aus Solidarität selbst diskriminiert und warten auf Wiedergutmachung durch ein Gesetz.“ Sein Vater schrieb 1993 ebenfalls gegen eine derartige Empathie für Unterdrückte an, siehe Botho Strauß, Anschwellender Bocksgesang, a.a.O., S. 203: „Wir werden herausgefordert, uns Heeerscharen von Vertriebenen und heimatlos Gewordenen gegenüber mitleidvoll und hilfsbereit zu verhalten, wir sind per Gesetz zur Güte verpflichtet.“

[38] So etwa Sarah Ricardas begeisterte Besprechung des Wechselbads der Gefühle ihrer Lektüre des Buchs unter: https://www.youtube.com/watch?v=Q-LVYhHwVew (letzter Abruf: 03.05.2018). Negativer, aber immer noch fasziniert bewertet die Rezensentin des Kanals „Bines Bücher“ den altklugen Gestus des Erzählers in „Sieben Nächte“, siehe: https://www.youtube.com/watch?v=HC6XtNI5XOA (letzter Zugriff: 03.05.2018).

[39] Nach dem Glauben der katholischen Kirche sind dies: Superbia (Hochmut, Stolz, Eitelkeit, Übermut), Avarita (Geiz, Habgier), Luxuria, (Wollust, Ausschweifung, Genusssucht, Begehren, Ira (Jähzorn, Wut, Ruchsucht), Gula (Völlerei, Gefräßigkeit, Maßlosigkeit, Selbstsucht), Invidia (Neid, Eifersucht, Missgunst) und Acedia (Faulheit, Ignoranz, Trägheit des Herzens). Strauß’ Buch hat außer zwei rahmenden Kapiteln sieben Abschnitte, die mit den jeweiligen lateinischen Termini überschrieben sind.

[40] Vgl. dazu Thomas Anz: Generationenkonstrukte. Zu ihrer Konjunktur seit 1989. In: Andrea Geier / Jan Süselbeck (Hrsg.): Konkurrenzen, Konflikte, Kontinuitäten. Generationenfragen in der Literatur seit 1990. Göttingen: Wallstein Verlag 2009, S. 16-29. Hier: S. 29: Anz zitiert dazu u.a. Benjamin von Stuckrad-Barres Polemik: „Bücher über Generationen gehören eigentlich verboten.“

[41] Antonia Baum: Ist der anschwellende Streit um den jungen Simon Strauß völlig aus der Luft gegriffen? Nein. Simon Strauß schreibt über AfD-Sorgen im Proseminarstil. Er träumt von Auswegen für den bedrohten Mann.In: DIE ZEIT, 17.01.2017. Online abrufbar unter: https://www.zeit.de/2018/04/simon-strauss-faz-autor-afd-faschismus-vorwurf-pro-contra/seite-2 (letzter Zugriff: 05.05.2018). Ähnlich urteilt auch Simon Sahner: Am Text – Simon Strauß [sic!] „Sieben Nächte“ – die richtigen Probleme. In: Buchdruck. Literatur in der Mangel, 10.04.2018. Online abrufbar unter: https://buchdruckliteratur.com/2018/04/10/am-text-simon-strauss-sieben-naechte-die-richtigen-probleme/ (letzter Zugriff: 05.05.2018). Zitat: „Das Männlichkeitsbild, das Strauß ziemlich schamlos propagiert, ist so klischeebeladen und gewollt, dass man sich beinahe fragen muss, ob er das ernst meint. Da Strauß wiederholt betont hat, dass er die Ironie hinter sich lassen will, muss man befürchten, dass er das genauso meint.“

[42] Ijoma Mangold:Ist der anschwellende Streit um den jungen Simon Strauß völlig aus der Luft gegriffen? Ja. Dem 29-jährigen FAZ-Autor Simon Strauß wird Nähe zum Faschismus vorgeworfen. Das ist lupenreiner Rufmord. In: DIE ZEIT, 17.01.2017. Online abrufbar unter: https://www.zeit.de/2018/04/simon-strauss-faz-autor-afd-faschismus-vorwurf-pro-contra (letzter Zugriff: 05.05.2018).

[43] Katharina Holzmann und Sascha Ehlert im Namen der Rich Kids Of Literature: Gab es das alles nicht schonmal? http://wetter-magazin.com/blog/2018/01/12/gab-es-das-alles-nicht-schon-mal/ (letzter Zugriff: 04.05.2018).

[44] Ebd.

[45] Simon Strauß auf Facebook, online abrufbar unter: https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=1331083146997164&id=100002864754856 (letzter Zugriff: 04.05.2018).

[46] Katharina Herrmann: Simon Strauß – Sieben Nächte. In: 54 Books. Klassiker und anspruchsvolle moderne Literatur. Online abrufbar unter: https://www.54books.de/simon-strauss-sieben-naechte/ (letzter Zugriff: 03.08.2018).

[47] Katharina Herrmann: Die Kirche im Dorf und den Messias in der Bibel lassen / über Simon Strauß und den TAZ-Artikel von Alem Grabovac. In: 4 Books. Klassiker und anspruchsvolle moderne Literatur. Online abrufbar unter: https://www.54books.de/den-messias-in-der-bibel-lassen/ (letzter Zugriff: 04.05.2018).

[48] Gerrit Bartels: Braucht die Gegenwartsliteratur einen „Messias“? In: Der Tagesspiegel, 29.01. 2018.

[49] Vgl. Robert Kozinets: „How social media fires people’s passions – and builds extremist divisions“. In: The Conversation, 13.11.2017. Online abrufbar unter: https://theconversation.com/how-social-media-fires-peoples-passions-and-builds-extremist-divisions-86909?utm_source=twitter&utm_medium=twitterbutton (letzter Zugriff: 06.05.2018).

[50] Simon Strauß, Sieben Nächte, a.a.O., S. 31: „Wenn vor wenigen Jahrzehnten noch mit dem Verweis auf die ‚Klassenverhältnisse‘ jeder Disput gewonnen werden konnte, reicht mittlerweile die ‚Geschlechterfrage‘, um alle auf seine [sic!] Seite zu bringen.“

[51] Siehe Monika Schwarz-Fiesel: Das Emotionspotenzial literarischer Texte. In: Anne Betten / Ulla Fix / Berbeli Wanning (Hrsg.): Handbuch Sprache in der Literatur. Berlin/Boston: De Gruyter 2017, S. 351-370. Laut Schwarz-Friesel tragen insbesondere referenzielle Unterspezifikationen, also ausgelassene Informationen, zum textuellen Emotionalisierungspotenzial bei. Da hierbei der Kontext, also die kulturelle und historische Verankerung bzw. das wechselnde Kontextwissen der Rezipienten eine entscheidende Rolle spielen, können Gedichte z.B. Jahrzehnte später ganz anders verstanden und emotional bewertet bzw. in ein vollkommen neues Textweltmodell integriert werden als zuvor. Vgl. ebd., S. 355f. Das emotionale Wirkungspotenzial fiktiver Texte ist demnach nur über das komplexe Zusammenspiel textinterner und textexterner Faktoren zu rekonstruieren (ebd., S. 367).

[52] Siehe dazu auch die beispielhafte Mini-Morphologie des modernen Verrisses in Jan Süselbeck: Verschwinden die Verrisse aus der Literaturkritik? Zum Status polemischer Wertungsformen im Feuilleton. In: Christina Gansel / Heinrich Kaulen (Hrsg.): Literaturkritik heute. Tendenzen – Traditionen – Vermittlung. Göttingen: V&R Unipress 2015, S. 175-195. Hier: S. 191-193. Ähnlich wie im Fall der Tellkamp- und der Simon-Strauß-Debatte sind ideologiekritische und meist auf den empirischen Autor bezogene Skandalisierungen, insbesondere solche, die mit Rassismus- oder Antisemitismusvorwürfen operieren, in Deutschland nach wie vor von höchstem Erregungspotenzial, wie u.a. auch 2012 die Debatte um Christian Kracht gezeigt hat. Seit der #MeToo-Bewegung werden aber auch feministische und gendertheoretisch orientierte Skandalisierungen – wie im Fall der Avenidas-Debatte – möglicherweise heftiger und aggressiver geführt als früher.

Titelbild

Simon Strauß: Sieben Nächte.
Blumenbar Verlag, Berlin 2017.
144 Seiten, 16,00 EUR.
ISBN-13: 9783351050412

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