Hitlers Helfer

Hubertus Büschel legt eine kritische Studie über den Herzog von Coburg vor

Von Luisa GötzRSS-Newsfeed neuer Artikel von Luisa Götz und Stefan ZimmermannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefan Zimmermann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Anlässlich des Kriegsendes vor 100 Jahren wird der Erste Weltkrieg wieder ins Bewusstsein gerufen. Inzwischen wohl in Vergessenheit geraten ist die damit korrelierende Abdankung der deutschen Bundesfürsten, von der auch Herzog Carl Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha betroffen war. Hubertus Büschel, Professor für Zeitgeschichte in Groningen, entstammt ebenfalls dem Coburger Raum und zeigt wohl deshalb Interesse an dieser Thematik. In seiner Monographie stellt sich Büschel der bislang eher dürftigen, aber überwiegend ein positives Bild zeichnenden Forschung zum Coburger Herzog kritisch entgegen. Er hinterfragt den ihm bisher zugesprochenen Status als Mitläufer und versucht ihn stattdessen auf der Basis bisher unbekannter Quellen – zum Beispiel dem Taschenkalender des Herzogs – als Täter zweiter Reihe zu identifizieren.

Inhaltlich ist der Band in zwei Komplexe gegliedert: Zu Beginn erläutert Büschel den Werdegang Carl Eduards. Retrospektiv analysiert er dessen Umzug von England nach Coburg, mit welchem die Erziehung durch seine Großmutter Queen Victoria der „Germanisierung“ unter seinem Vetter Wilhelm II. weichen muss. Um der neuen Heimat seinen Willen zur Integration zu zeigen, tritt der Herzog in diverse nationalistische Vereine ein, zeigt sich aber in politischen Fragen vorerst zurückhaltend. Sein Frontbesuch im Ersten Weltkrieg markiert für ihn einen Wendepunkt, von nun an präferiert er die Tätigkeit des Diplomaten, wofür der Herzog aufgrund seiner internationalen verwandtschaftlichen Beziehungen mehr als geeignet scheint. In diesem Zusammenhang diskutiert der Verfasser die Etappen des Herzogs nach Kriegsende bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten: Mit der entstandenen Republik wird die Monarchie obsolet, trotzdem bleibt Carl Eduard vor den Folgen weitgehend bewahrt. Im weiteren Verlauf nähert er sich immer mehr der NSDAP und somit auch Hitler an.

Der zweite Teil rückt das Leben des Herzogs im Dritten Reich in den Fokus: Zunehmend wird er als ein durch Machtopportunismus geprägter Zeitgenosse sowie treu ergebener Anhänger Hitlers charakterisiert. Er bekleidet unterschiedliche Ämter, die in der Präsidentschaft des Roten Kreuzes (DRK) kulminieren. Auch den diplomatischen Aufgabenfeldern widmet sich Büschel ausführlich: Als Repräsentant der Reichsregierung im Ausland untersteht er nur den Weisungen Hitlers. Ohne das Zutun der deutschen Botschaft kann er dabei Einfluss auf das deutsch-englische Verhältnis nehmen. Die eigentliche Aufgabe besteht jedoch darin, den Friedenswillen im Ausland zu betonen und damit die Kriegsplanung zu kaschieren. So nehmen zwei Weltreisen des Herzogs eine besondere Stellung ein: Beide verfolgten inoffiziell politische Ziele in Japan und den USA. Außerdem werden die Entwicklung des DRK auf nationaler und internationaler Ebene sowie dessen personelle Verflechtungen zur SS von Büschel erörtert. Dabei lässt sich eine Mitverantwortung des DRK an der Euthanasie im Dritten Reich erkennen. Dem Coburger Herzog schreibt er abschließend aufgrund seiner zahlreichen Aktivitäten eine Sonderstellung unter den adligen Diplomaten zu: Er sei durchaus als Täter zweiter Reihe zu klassifizieren, da er bewusst an der Kaschierung der aggressiv-expansiv sowie rassistisch-antisemitisch geprägten Politik beteiligt war und die Ermordung der Juden seit spätestens 1942 zudem als offenes Geheimnis gelten kann.

Insgesamt nimmt der Verfasser dem Herzog gegenüber eine kritische Haltung ein und liefert ein detailliertes Bild von dessen Leben und Handeln als Stellvertreter für die transnationalen Verflechtungen des Adels mit dem Nationalsozialismus. Dem Leser wird ein breites Informationsspektrum geboten, das gelegentlich unscharfe Formulierungen und irreführende Jahreszahlen aufweist. Büschel greift dazu auf Quellen der Familie zurück und unterstreicht seine Schlussfolgerungen durch aussagekräftige Abbildungen. Dennoch können nicht alle Ergebnisse widerspruchsfrei belegt werden. Zudem zeigt sich die zu nuancierte Zergliederung des Werks als problematisch. Die Erforschung sogenannter Täter zweiter Reihe steht erst am Anfang und scheint an Auftrieb zu gewinnen, kontextbezogen ist aktuell ein neues Buch des Enkels des Herzogs erschienen (Prinz Andreas von Sachsen-Coburg und Gotha: The Duke. Der letzte Herzog, Coburg 2018). Büschels Werk stellt in diesem Zusammenhang somit einen ersten Anstoß dar, sich mit diesem Thema kritisch auseinanderzusetzen.

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

Titelbild

Hubertus Büschel: Hitlers adliger Diplomat. Der Herzog von Coburg und das Dritte Reich.
S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2016.
336 Seiten, 24,99 EUR.
ISBN-13: 9783100022615

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