Das Blockbuch ein „dead medium“?

Angelika Merk erweckt mit ihrer Arbeit die Blockbücher zu neuem Leben

Von Ruth IsserRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ruth Isser

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Jede/r kennt die großartigen Wiegendrucke, die beweglichen Lettern und den Namen Johannes Gutenberg. Doch wie sieht es mit den zeitgleich existenten Blockbüchern aus? Diese wurden bisher gemeinhin nur als Vorläufer des Inkunabeldrucks betrachtet und weniger als eigenständige technische Errungenschaft im Wesen der Buchherstellung. Dies liegt vermutlich daran, dass die Blockbücher in nur etwa 100 Jahren ihre Blütezeit durchlebten und dann wieder verschwanden. Dennoch handelt es sich bei ihnen um wesentliche Zeugnisse einer Experimentierphase der westeuropäischen Medien- und Drucktechnik um die Mitte des 15. Jahrhunderts.

Grundsätzlich existiert das Prinzip der Blockbücher aber schon viel länger. Bereits im 6. Jahrhundert entstanden die ersten Blockbücher in China. Dafür musste alles, was gedruckt werden sollte, seitenverkehrt in Holzblöcke eingeschnitzt werden. Damit konnten Text und beispielsweise Holzschnitt-Illustrationen in nur einem Arbeitsschritt gedruckt werden. Es gab aber natürlich auch die Möglichkeit, einen Teil des Textes zu drucken und einen weiteren Teil handschriftlich hinzuzufügen. Da das Papier bei dieser Art der Verarbeitung ziemlich strapaziert wurde, konnte es immer nur einseitig bedruckt werden. Das Blatt wurde dabei auf dem Holzblock abgerieben, wobei sich auch die Form der Buchstaben durchdrückte. Im weiteren Verlauf wurden die unbedruckten Seiten zusammengeklebt und daraus dann das Buch gebunden.

Angelika Merk gibt in ihrer Arbeit einen Überblick über die in den bekannten 44 Blockbuchtiteln bearbeiteten Themen. Für die weitere Bearbeitung teilt sie die Titel in religiöse und nicht-religiöse Themen ein. Das Themenspektrum erstreckt sich dabei von Bibelwissen bis hin zu Kampfkunst. Die religiösen Themen überwiegen aber wesentlich. Für ihre eingehendere Analyse widmet sich Merk den Ars Moriendi in engem Zusammenhang mit den Bilder-Ars und den Planetenkinderbüchern. Damit behandelt sie aus beiden Themengruppen je sehr auflagenreiche Beispiele, die in Latein sowie volkssprachlich überliefert sind.

Bei der Bearbeitung der Sterbeliteratur stellt die Autorin prägnant dar, welche Wichtigkeit das Thema des heilsamen Todes für die damalige Bevölkerung hatte. Dementsprechend waren auch die großformatigen Holzschnitte der Bilder-Ars sehr bedeutsam. Damit hatten nämlich genauso Analphabeten und Analphabetinnen die Möglichkeit, den Inhalt der Ars Moriendi zu verstehen. Merk zeigt, inwiefern diese Bilder als Leitfaden herangezogen wurden, um bei der letzten Prüfung den Gefährdungen des Seelenheils entgegentreten zu können. Besonders aufgrund der Pestwelle Mitte des 14. Jahrhunderts steigerte sich die Angst vor einem plötzlichen Tod. Durch die Ansteckungsgefahr verlebten die Sterbenden ihre letzen Stunden oftmals alleine. Dabei sollten die Ars Moriendi den Part der Seelsorge übernehmen.

Ähnlich wie die Ars Moriendi stellen auch die Planetenkinderbücher eine enge Verbindung zwischen Text und Bild dar. Neben der Darstellung der verschiedenen Planetengottheiten, zu denen früher genauso die Sonne und der Mond gezählt wurden, werden auch die dazu assoziierten Planetenkinder und deren Eigenschaften abgebildet. Je nach Geburtszeit wurden die Menschen unter dem Einfluss anderer Planeten gedacht. Dieser Einfluss wurde aber nicht als unüberwindbar betrachtet, sondern als beeinflussbar. Anschaulich vermittelt Merk, wie sich die Meinung der Kirche den Planetenblockbüchern gegenüber bis zum Ende des Mittelalters hin immer mehr verbesserte bis schließlich sogar einflussreiche Kirchenmänner selbst astrologische Traktate verfassten. Im Vergleich zu den Bilder-Ars stellen sie quasi deren Gegenstück dar, indem sie sich dem Schicksal der Individuen in der diesseitigen Welt widmen und nicht dem Schicksal im Jenseits.

Anschließend widmet sich die Autorin der räumlichen Verbreitung der Blockbücher. Dabei zeigen sich vor allem der Raum Niederlande-Flandern-Brabant und das Rheinland als Orte verstärkter Produktion. Hinweise zur Lokalisierung bilden besonders künstlerische Stilmerkmale, inhaltliche Gesichtspunkte und sprachliche Eigenheiten. Desweiteren untersucht Merk in ihrer Arbeit auch den potenziellen Rezipientenkreis. Hier folgert sie aufgrund inhaltlicher und finanzieller Gegebenheiten, dass es sich dabei vermutlich um begüterte Bevölkerungsschichten, Besitzer/innen, die die Bücher für die Ausübung ihres Berufs benötigten und um geistliche Personen gehandelt haben dürfte. Das Ende dieses Kapitels bildet die Betrachtung eines nachgewiesenen spätmittelalterlichen Blockbuchbesitzers: Gallus Kemli.

Abschließend geht Angelika Merk in ihrem Werk auf den spätmittelalterlichen Medienwandel ein und verortet dabei das Blockbuch in seiner Funktion innerhalb des Buchdrucks. Hier zeigt sich, dass die Besonderheit der Blockbücher vor allem darin begründet liegt, dass die bildlichen Darstellungen die Überhand über den Text haben, während im Inkunabeldruck der Text dominiert. Ein sehr umfangreicher Anhang, der die behandelten Themenbereiche ergänzt, rundet Merks Arbeit ab.

Nach der Lektüre Angelika Merks Blockbücher des 15. Jahrhunderts kann ich es all jenen ans Herz legen, die sich für Mediengeschichte im Mittelalter interessieren. Auch ohne Vorkenntnisse ist der Band sehr verständlich und spannend zu lesen. Es ist nicht nur inhaltlich eine Freude, sich dieser Abhandlung zu widmen, sondern auch rein ästhetisch. Wundervolle Abbildungen laden gerade dazu ein, immer wieder dieses Buch aufzuschlagen und einfach nur zu staunen. Viele farbige wie in schwarz/weiß gehaltene Abdrucke von Holzschnitten und Blockbuchseiten, illustrieren das gewaltige Ausmaß an Kunstfertigkeit, das um die Mitte des 15. Jahrhunderts in die Produktion von Büchern gesteckt wurde. Insofern hat Angelika Merk mit ihrer Dissertation die Blockbücher wirklich wieder zu neuem Leben erweckt und damit dafür gesorgt, dass ihre Abhandlung vor dem Einstauben im Regal gewahrt bleibt.

Ein Beitrag aus der Mittelalter-Redaktion der Universität Marburg

Titelbild

Angelika Merk: Blockbücher des 15. Jahrhunderts. Artefakte des frühen Buchdrucks.
De Gruyter, Berlin 2018.
275 Seiten, 99,95 EUR.
ISBN-13: 9783110559194

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