Gefangen zwischen Fürsten und Kaiser

Cord Ulrichs beschreitet den Weg der fränkischen Ritter in die Freiheit

Von Ramona EmmertRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ramona Emmert und Frederike-Kristina MattstedtRSS-Newsfeed neuer Artikel von Frederike-Kristina Mattstedt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ganze 100 Millionen Euro sollen vom Freistaat Bayern in den kommenden Jahren in die Sanierung der Würzburger Festung Marienberg investiert werden, so kündigt es der Gründungsdirektor Erich Schneider in einem Zeitungsartikel (Mai 2018) an. Denn auf dieser soll bis zum Jahr 2027 ein regionales Museum entstehen, welches sämtliche Quellen zur Geschichte Frankens vereinigen möchte. Dazu zählen auch solche zur fränkischen Ritterschaft. Mit deren Entstehungsgeschichte und Entwicklungslinien setzt sich der Historiker und Richter Cord Ulrichs in seiner Zweitdissertation unter dem Titel Die Entstehung der fränkischen Reichsritterschaft auseinander.

Verschiedene Kontinuitäten und Diskontinuitäten in der Entwicklung der fränkischen Reichsritterschaft möchte er für den Zeitraum von 1370 bis 1590 offenlegen – die detaillierte Auswertung verschiedener Quellengattungen, in erster Linie Urkunden, Reichstagsakten und Chroniken, bilden dabei die maßgebliche Grundlage seiner chronologischen und zugleich kontextualisierenden Darstellung. Bei der Erläuterung der Wurzeln, Entwicklungen und Ausdifferenzierungen der Reichsritterschaft fließen so nicht nur Franken betreffende Geschehnisse mit ein, sondern Ulrichs bettet diese gezielt in den Kontext der damaligen Städteverbände.

Seine Darstellung ist in zwei Teile gegliedert. Während der erste die Organisationsformen der fränkischen Reichsritterschaft im ausgehenden Mittelalter behandelt, geht es im zweiten Teil um die Entwicklung zur freien Reichsritterschaft. Beide Großkapitel sind wiederum mehrfach untergliedert. Die Wurzeln der Gesamtentwicklung sieht Ulrichs in der Kontinuität der Organisationsformen von den Adelsgesellschaften hin zu den fränkischen Einungen. So differenziert er erstere zunächst nach ihren verschiedenen Ursprüngen und erläutert, wie ihre Verträge, aufgefächert in Bündnis- und Gesellschaftsteil, die Grundlage für die sich nachfolgend gründenden Einungen bildeten. Zusammenschlüsse mehrerer Grafen versprachen zunächst gegenseitige Unterstützung bei Angriffen und Unrecht, generierten sich dann aber zu einem eigenen Friedens- und Rechtsbereich. Dadurch konnten sie ihre Interessen nach innen und außen wahren. Ein weiterer hervorzuhebender Faktor sei die kaiserlich-ritterliche Beziehung, die die Ritterschaft, aus Adeligen bestehend, als Untertanen der Fürsten schrittweise enthob und als nur dem Kaiser unterstellte Vasallen beschrieb. In Folge dessen bewilligten die Ritter 1529 erstmals dem Kaiser den Reiterdienst und standen ihm ab 1532 gegen die Türken zur Seite. Anschließend wurden sie mit Rechten und Privilegien belohnt. Wiederholte Verhandlungen über die sogenannte Türkenhilfe zwischen den Rittern und dem Kaiser festigten die vom Adel abseits von den Fürsten unterhaltenen Beziehungen. Im Augsburger Religionsfrieden (1555) wurde die fränkische Ritterschaft schließlich erstmals schriftlich als freie Gruppe anerkannt. Der Prozess der Loslösung von den Fürsten wurde durch die tiefgreifende Spaltung des Adels anlässlich der Gravamina verstärkt. Dabei handelte es sich um Beschwerden der Ritter aus dem deutschsprachigen Raum gegen Papst und Kurie in Rom, welche einen entscheidenden Schritt in der Entwicklung zur freien Reichsritterschaft darstellten. Dementsprechend, resümiert Ulrichs, zeichnete sich der Prozess der Entstehung der fränkischen Reichsritterschaft durch eine Stagnation der Verbindung zu den Fürsten bei gleichzeitiger Entwicklung neuer Beziehungen zum Kaiser aus.

Auch wenn der sprachliche Stil des Verfassers mitunter etwas langatmig ist, liegt mit der Publikation ein größtenteils interessantes und erstmals sehr ausführliches Werk zur fränkischen Reichsritterschaft vor, das jedoch für Laien stellenweise durch mangelnde Definitionen von Fachbegriffen schwer nachzuvollziehen ist. So fehlt auch eine klar definierte Fragestellung, der Leser erfährt von der Zielsetzung – der Skizzierung der Kontinuitäten und Diskontinuitäten – erst in der Schlussbetrachtung, auf letztere geht er jedoch kaum ein. Seinem Anspruch, quellennah zu arbeiten, wird er gerecht, wenngleich an einigen Stellen aufgrund fehlender Belege das Nachvollziehen der Informationen erschwert wird. Aufgrund des bestehenden Desiderats und des umfangreichen Quellen- und Literaturverzeichnis stellt das Buch jedoch einen wertvollen Baustein in der Forschung zur fränkischen Reichsritterschaft dar.

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

Titelbild

Cord Ulrichs: Die Entstehung der fränkischen Reichsritterschaft. Entwicklungslinien von 1370 bis 1590.
Böhlau Verlag, Köln 2016.
633 Seiten, 85 EUR.
ISBN-13: 9783412505271

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