#Queer, #Homo, #MeToo, #Foucault – Corinna Virchows und Mario Kaisers neue Zeitschrift „Avenue“ und ihre jüngste Ausgabe über „Junge Männer“

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Im Juni 2016 erschien die erste Ausgabe der Zeitschrift Avenue zum Thema „Wir Cyborgs. Zwischen Mensch und Maschine“, 2018 setzte sich das fünfte Heft, „roh & gekocht“, mit Essenskulturen und der Forschung darüber auseinander. Die folgende, bislang letzte gedruckte Ausgabe trägt den Titel „Junge Männer“ und platziert auf der Titelseite sowie im Inhaltsverzeichnis eine Reihe von Hashtags, die andeuten, worum es geht: #Queer, #Homo, #MeToo, #Foucault und andere.

„Frisches Wissen aus den Geistes- & Sozialwissenschaften“ vermittelt die noch junge, innovative, sich selbst als „populärwissenschaftlich“ charakterisierende Zeitschrift Avenue im Format eines reich bebilderten und optisch auch sonst aufwändig gestalteten Magazins an ein breites Publikum. Zu ihrem bemerkenswerten Profil gehört, dass die Beiträge schon vor dem Druck online erscheinen und diskutiert werden. „Zunächst werden die Artikel per open access der Kritik ausgesetzt. Erst dann wird die Zeitschrift samt Kommentaren gedruckt.“ (https://avenue.jetzt/portfolio/wer/) Gesprächscharakter hat die Zeitschrift auch mit ihren Beiträgen. Eröffnet wird die Ausgabe mit einem von fünf Interviews. Zu den Gesprächspartnern (wie zu den Autorinnen und Autoren der anderen Beiträge) gehören renommierte Persönlichkeiten. Die Ausgabe über „Junge Männer“ beginnt mit einem Interview, das Corinna Virchow und Mario Kaiser, die beide u.a. an der Universität in Basel studiert und gelehrt haben und für die Geschäftsführung, die Redaktion sowie für das Layout ihres Magazins verantwortlich sind, mit Andreas Kraß führten. Der Literaturwissenschaftler leitet seit 2012 die Forschungsstelle „Kulturgeschichte der Sexualität“ an der Humboldt-Universität zu Berlin und veröffentlichte 2016 ein Buch über die Männerfreundschaft. Am Anfang des Interviews steht die Frage:

Bevor wir Sie zur Männerfreundschaft befragen – dürfen wir Sie um eine Einschätzung der aktuellen Verunsicherung von Männern bitten? Vor kurzem ist in der ZEIT eine Replik auf #MeToo erschienen. Der Autor Jens Jessen beklagt die Infragestellung des Geschlechtswesens „Mann“ und fühlt sich angegriffen. Dabei übersieht er die Chance, Männlichkeit neu zu definieren; auch „Männer“ wollen ja nicht notwendigerweise in den alten patriarchalen Strukturen leben.

Die Antwort und weitere Ausführungen zur Männlichkeitsforschung sind zusammen mit Leserkommentaren auch im Netz nachzulesen (https://avenue.jetzt/junge-maenner/homosozialitaet/).  Das zweite Interview haben Virchow und Kaiser mit der Psychoanalytikerin Monika Theweleit und dem Literaturwissenschaftler Klaus Theweleit geführt – über „die Radikalisierung junger Männer, über deren Ängste sowie Chancen, von ihren Vätern in einem Krieg geopfert zu werden.“ Und nicht zufällig bezieht sich ein Beitrag der in Tübingen lehrenden Literaturwissenschaftlerin Julia Kerscher zu Musik-Videos von „The Blaze“ und über „männliche Beziehungen an der Grenze zwischen Freundschaft und Liebe“ auf „Michel Foucault im Gespräch“ über „Freundschaft als Lebensweise“ (Berlin 1984).

„Warum junge Männer?“ So fragen Corinna Virchow und Mario Kaiser in ihrem Editorial.

Sind junge Frauen nicht viel interessanter? An jungen Männern wird derzeit der Kampf um Privilegien sichtbar. Sie sind nicht mehr selbstverständlich die Thronfolger. Anders als den soeben pensionierten Kavalieren steht ihnen nicht mehr zu, bedenkenlos über Dekolletés zu sprechen oder Sex einzufordern. Und niemand verspricht ihnen mehr, dass sie von Geburt an schlauer als ihre Mitschülerinnen sind.

Konservative Kräfte beklagen das Verlustgeschäft. Doch für junge Männer bietet sich die historisch einmalige Chance, ihre Männlichkeit neu zu definieren, auch im Dialog mit jungen Frauen. Härte, Stärke, Zielstrebigkeit sind kein Schicksal mehr. Welche anderen Werte an ihre Stelle treten werden – die Zukunft wird’s zeigen.

Wir wünschen hoffnungsfrohe und erhellende Lektüre!

T.A.

Kein Bild

Mario Kaiser / Corinna Virchow (Hg.): AVENUE Wissenskultur. Nr. 5: roh & gekocht.
Avenue Verlag, Basel 2018.
144 Seiten, 12,00 EUR.
ISBN-13: 9783952465738

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Titelbild

Mario Kaiser / Corinna Virchow (Hg.): AVENUE Wissenskultur. Nr. 6: Junge Männer.
Avenue Verlag, Basel 2018.
144 Seiten , 12,00 EUR.
ISBN-13: 9783952465745

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