Einhörner machen das Leben auch nicht leichter

Christian Moser-Sollmann liefert mit seinem Debütroman eine ironisch erfrischende Männersicht auf die Wiener (Liebes-)Welt des 21. Jahrhunderts

Von Hannah SchwittmannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Hannah Schwittmann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Tito Penz ist Ende dreißig und bereits ziemlich gelangweilt vom Leben. Seinen Job als Politikberater übt er seit einer gefühlten Ewigkeit aus, obwohl er der Unfähigkeit der österreichischen Innenpolitik schon lange überdrüssig ist. Wie aus dem Nähkästchen plaudert er von seiner Arbeit und regt sich über die Falschheit der Wiener Politiker*innen auf. Auch von ernsten Frauengeschichten hält er nicht viel. Als er eines Abends Ulrike kennenlernt, scheint sich das Blatt jedoch plötzlich zu wenden.

Dreh- und Wendepunkt von Christian Moser-Sollmanns Roman Tito, die Piaffe und das Einhorn ist eben jenes „Einhorn“, die Stammkneipe des Wiener Protagonisten. Hier hält sich Tito jeden Freitagabend auf und betrinkt sich – mal mehr und mal weniger – mit Freund*innen oder Bekannten. Jede*r im „Einhorn“ scheint sich flüchtig zu kennen. Es handelt sich um eine alteingesessene Stammkneipe und keine hippe Bar, in der junge Leute einkehren, das ist Tito ganz wichtig, denn von trendigen Partys hält er gar nichts. Das „Einhorn“ löst ein Gefühl von Kleinstadt und Vertrautheit in der österreichischen Hauptstadt aus. Auch wenn Tito immer wieder betont, nicht wirklich Gefallen an diesem Ort zu finden, so endet er doch Abend um Abend dort. Es ist eine Hassliebe, die ihn mit der Kneipe verbindet, die auch der*die Leser*in spürt. Er sieht dort zwar oftmals vertraute Gesichter, bei denen es sich jedoch nicht unbedingt um Menschen handelt, die er besonders mag oder sehen will. Als äußerst gelungen erweist sich auch, dass das „Einhorn“ zum einen der Ort ist, an dem Tito Ulrike kennenlernt – wo also alles seinen Ursprung hat –, andererseits aber auch der Ort, der letztlich zu ihrer Trennung führt. Der Kreis schließt sich und entlarvt die Identität des „Einhorns“, dem so nicht wie in der Mythologie heilsame Kräfte zugesprochen werden können: Tito ist am Ende der Erzählung nicht weiter als am Anfang und keineswegs „geheilt“.

Dass er Beziehungen abgeschworen hat, erklärt sich im Laufe des Romans immer mehr. Nach und nach erfahren die Lesenden fetzenweise von seinen bisherigen Partnerschaften und können sich zunehmend ein Bild des Protagonisten machen. Man muss ihn erst kennenlernen, bis er sich öffnet. Erzähltechnisch ist dies angenehm gelöst, da die Lesenden so nicht mit vielen Jahren voll von Beziehungsgeschichten auf einmal überflutet werden.

Aktuell beginnt Tito zunächst eine Affäre mit der Studentin Alex, die ihm äußerlich sehr gefällt. Dennoch weiß er von Beginn an, dass auch diese Dates zu keiner festen Bindung führen werden. Leicht egoistisch veranlagt, behält er diese Tatsache für sich und trifft sich nach Lust und Laune mit ihr, obwohl ihm klar ist, dass Alex sich langsam, aber sicher in ihn verliebt. Erst als er im „Einhorn“ die quirlige und schlagfertige Ulrike kennenlernt, findet er in ihr den Anreiz, die Liaison mit Alex zu beenden. Überhaupt verändert sich von jetzt an alles.

In der rasch entstehenden Beziehung von Tito und Ulrike zeichnet Moser-Sollmann gekonnt die Klischees einer Partnerschaft in einer schnelllebigen Welt nach. Hals über Kopf wirft Tito all seine Vorsätze über Bord und zieht nach wenigen Wochen bereits bei seiner neuen Freundin ein. Widerstandslos eingefangen von der frischen Liebe beginnt er, sich für Haushaltsführung, Kochen und schlechte Vorabend-Soaps zu interessieren, denn dies sind die Dinge, die Ulrike wichtig sind. Mit ironischem Unterton hinterfragt der Roman konservative Geschlechterrollen, die Tito mit klarem Kopf eigentlich nicht einnehmen will – dass seine Freundin reden darf, mit wem sie will, so kurze Röcke tragen kann, wie sie möchte und sich nicht nur um ihn kümmern muss, weiß er eigentlich. Leicht angetrunken, kommen sie im Streit aus Eifersucht aber doch immer mal wieder zum Vorschein. Ulrike ist Feministin durch und durch, was hier und da etwas überspitzt dargestellt ist. Bei nichts und gar nichts darf Tito ihr helfen, da sie sich ihm sonst untergeordnet fühlt. Schade, weil der Roman auf diese Weise Feminismus als etwas Übertriebenes belächelt. Tito auch einmal zu erlauben, ihr fünf Euro zu leihen, würde ihre Position als Feministin nicht abschwächen.

Man ist sich nicht immer sicher, ob man den Protagonisten nun mögen oder genervt von ihm sein soll, nichtsdestoweniger können seine Gefühle und die Situationen, in die er gerät, nachvollzogen und mitempfunden werden, und das ist es, was den Roman ausmacht und Spaß bringt. Sprachlich spiegelt sich vor allem die nüchtern ironische Persönlichkeit Titos wider. Schlicht und doch voller Emotionen passt sich der Schreibstil dem Protagonisten an.

Dass Christian Moser-Sollmann selbst Wiener ist, erschließt sich in Tito, die Piaffe und das Einhorn zwischen den Seiten. Ein leicht zynischer Blick wird auf die österreichische Hauptstadt geworfen wie nur wahre Kenner*innen ihn leisten können. Sehr erfrischend und kurzweilig lesen sich die Wahrnehmungen aus Männersicht. Ein erstes literarisches Kind Moser-Sollmanns, das nach Geschwistern verlangt.

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

Titelbild

Christian Moser-Sollmann: Tito, die Piaffe und das Einhorn. Roman.
Dachbuch Verlag, Wien 2017.
285 Seiten, 19,99 EUR.
ISBN-13: 9783950442625

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