Festung Marienberg – Vom Fürstensitz zum Bauprojekt

Von einer Festung, die ohne außenstehende Hilfe nicht verteidigt werden konnte

Von Thomas LudewigRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Ludewig und Lisa-Marie MickoRSS-Newsfeed neuer Artikel von Lisa-Marie Micko

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Durch das 2017 begangene Jubiläumsjahr zum 400. Todestag des Würzburger Fürstbischofs Julius Echter konzentrierte sich einmal mehr das Interesse von Öffentlichkeit und Wissenschaft auf die Festung Marienberg. In Nachfolge zu einem 2009 erschienenen Sammelwerk veröffentlichten die fränkischen Landeshistoriker Helmut Flachenecker und Dirk Götschmann neue Forschungsergebnisse zur Festung im Rahmen einer Neuinterpretation bisheriger Resultate bzw. der Auswertung bisher weniger im Fokus stehender, unterschiedlicher Quellengattungen. Ausgewählte Autoren betrachten dabei in der disziplinübergreifenden Darstellung die Festung Marienberg aus verschiedenen Perspektiven vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart.

Der Erste von insgesamt acht Aufsätzen aus der Feder des Herausgebers Flachenecker behandelt die Festung Marienberg in der Zeit der Bauernkriege. Besonderen Fokus legt Flachenecker dabei auf die Analyse eines Holzschnitts aus dem 16. Jahrhundert mit Wappenliste und Namen der Verteidiger während ihrer Belagerung 1525, die er mit bekannten historischen Begebenheiten abgleicht. Belagerungs- und Verteidigungsmöglichkeiten stehen auch bei Götschmann im Fokus, denn er schließt mit dem generellen Festungsaufbau zu Zeiten der Aufklärung an. Der Autor stellt anhand zeitgenössischer Abbildungen damaliger Fachleute den idealen Aufbau sowie Verteidigungs- und Erstürmungsmöglichkeiten dar. Der abschließende Bezug zur Festung Marienberg fällt dabei doch recht knapp aus, ihre Verteidigung, so Götschmann, wäre ohne außenstehende Hilfe nicht möglich gewesen. Der folgende Beitrag von Regine Hörl verlegt den Fokus aus kunsthistorischer Perspektive auf den Aufbau des Fürstengartens. Dabei konzentriert sie sich auf seine Entstehungsgeschichte, die Gestaltung der zwei Pavillons und der Statuen. Anhand von Fotografien ist es ihr möglich, die ursprünglichen Skulpturen und ihre Aufstellung zu rekonstruieren. Hierbei beruft sie sich ebenfalls auf zahlreiche Schrift- wie Bildquellen, wobei letztere bedauerlicherweise kaum abgedruckt wurden. Die kunstgeschichtliche Perspektive wird mit Stefan Kummers Betrachtung der Raumeinteilung des Schlosses vom 16. bis ins 19. Jahrhundert vertieft. Den Anlass bildet die Entdeckung königlich-bayerischer Pläne diverser Baumaßnahmen des Schlosses. Kummer rekonstruiert unter Hinzunahme diverser Inschriften und Abbildungen sowohl etagenweise die Schlossräume als auch deren Umgestaltungen unter Julius Echter. Im Folgeaufsatz des Germanisten und Historikers Christian Leo tritt der Fürstbischof Johann Phillip von Schönborn und sein Wirken in den Mittelpunkt. Vor dem Hintergrund Schönborns geistlicher wie militärischer Laufbahn und der Bedeutung der Festung während des Dreißigjährigen Kriegs, legt Leo sein Hauptaugenmerk auf vorgenommene Modernisierungsarbeiten. Er beruft sich hierfür vornehmlich auf Fortifikationsbaurechnungen, Briefe und Domkapitelprotokolle. Anschließend befasst sich der Antiquar Tobias Müller mit der Analyse eines neuen Festungsplans von Oberst Choquet. Diesen ordnet er aufgrund der dargestellten Bastionen am Ende dem Jahr 1673 zu und vergleicht ihn im Zuge dessen mit anderen zeitgenössischen Darstellungen der Festung. Martin Süß entführt den Leser in das Königreich Bayern: Im 19. Jahrhundert wie auch in den vorangegangenen Epochen bewerten die zeitgenössischen Experten die zentrale Funktion der Festung als Verteidigungsanlage eher negativ. Dennoch blieben jegliche Modernisierungen aus, weshalb ihr bereits 1867 die Festungseigenschaft aberkannt wurde.  Der Sammelband schließt mit der Geschichte der Festung vom 20. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Bei der Darstellung von ihrer Zerstörung bis zu den Restaurierungsarbeiten bezieht sich Matthias Paßmann sowohl auf Kostenvoranschläge als auch auf drei Pläne. Der dabei angeführte „Plan zwei“ habe bei Redaktionsschluss allerdings nicht vorgelegen, was diesbezügliche konkrete Verweise im Text eigentlich überflüssig gemacht hätte. Des Weiteren unterteilt er eine von ihm verwendete Karte in „a“ und „b“, ohne diese Unterscheidung in seinen Kartenkürzeln beizubehalten. Auch unterlaufen ihm gelegentliche Ungenauigkeiten bezüglich seines Anmerkungsapparates, womit Paßmann dem Leser leider vorenthält, die Auswertung seiner Quellen in Gänze nachzuvollziehen.

Der vorliegende Sammelband bleibt insgesamt seiner Zielsetzung treu. Die disziplinübergreifende, detailreiche Arbeit mit neuen Quellen und die Verknüpfung dieser mit bereits erschlossenen Zeitzeugnissen überzeugt. Wenn auch nicht durchgehend, wurden die meisten Aufsätze durch veranschaulichende Abbildungen abgerundet. Neben den neuen Erkenntnissen werden auch immer wieder mögliche weitergehende Forschungsfelder betont, für welche vorliegender Sammelband eine ausgezeichnete Grundlage bildet.

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

Titelbild

Helmut Flachenecker (Hg.) / Dirk Göttschmann: Fürstensitz, Landesfestung, Kulturdenkmal. Neuere Forschungen zur Würzburger Festung Marienberg.
Spurbuchverlag, Baunach 2016.
288 Seiten, 24,00€ EUR.
ISBN-13: 9783887784829

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