„Ein fantastischer Erfolg“

Ein Gespräch mit Tobias Voss, Geschäftsleiter Internationale Projekte der Buchmesse, zu Georgien als Gastland der Frankfurter Buchmesse 2018

Von Sascha SeilerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sascha Seiler

Steigen wir gleich mit einer Frage zur georgischen Literatur ein: Wo sehen Sie die aktuellen Trends in der georgischen Gegenwartsliteratur?

Nun, das Georgische ist ja eine nicht ganz einfache Sprache, der ich leider auch nicht mächtig bin. Deshalb würde ich mich jetzt für die Frage, was die Trends in Georgien sind, für nicht wirklich zuständig erklären.

Was ich aber sagen kann: Mit dem Gastlandvertrag für die Frankfurter Buchmesse ist ja immer die Etablierung einer Übersetzungsförderung verbunden. Die gab es in Georgien vorher in dieser jetzigen Form noch nicht. Jetzt aber gibt es sie seit einigen Jahren, und die Kolleginnen, die dort arbeiten, haben einen tollen Job gemacht, sodass insgesamt etwa 150 Übersetzungen allein nach Deutschland gekommen sind.

So habe ich persönlich dann auch einen Zugang zu dieser Literatur. Im Falle von Georgien haben wir zudem ja eine etwas spezielle Situation: Ein, ich nenne es mal in Anführungszeichen „Nationalepos“, das vor zwei Jahr geschrieben wurde – Das Achte Leben von Nino Haratischwili – wird zum Termin des Gastlandauftritts in Georgien veröffentlicht! Der Roman wurde ja auf Deutsch geschrieben und dann zurückübersetzt ins Georgische. Das ist etwas wirklich Außergewöhnliches, das wir so noch nie hatten.

Ansonsten kann ich so aus meiner bescheidenen Wahrnehmung sagen, dass die Aufmerksamkeit für georgische Literatur in Deutschland immens gewachsen ist. Wenn sie mal vor sechs Jahren schauen, da werden sie gerade mal ein halbes Dutzend Titel finden und jetzt sind es wirklich eine ganze Menge.

Georgien ist ja ein Land, in dem das Gedicht noch eine große Rolle spielt. Auch da sind eine Reihe von Übersetzungen auf den Weg gebracht worden.

Meist sind es junge, ganz zeitgenössische Autoren, die jetzt übersetzt werden, aber auch ältere wie Otar Tschiladze, von dem mir wiederholt gesagt wurde, er sei der ‚Goethe Georgiens‘. Sein Werk ist aber nicht ganz so alt, er ist erst 2009 verstorben. Bei Matthes & Seitz sind nun seine Bücher erschienen. Das ist ganz großartige Literatur, vor der ich nur den Hut ziehen kann.

Vieles, auch in der aktuellen Literatur, spielt mit der Stellung Georgiens in der Geschichte und natürlich mit dem Verhältnis zu Russland und gleichzeitig mit dem Verhältnis zum Westen. Diese Themen spielen eine große Rolle.

Der Roman Westflug von Dato Turaschwili etwa: Es war eines der ersten georgischen Bücher, die nach Deutschland verkauft wurden und ist bei Wagenbach erschienen. Er handelt von dem realen Fall einer Flugzeugentführung. Die Maschine wurde von jungen Georgiern von Moskau kommend in den Westen entführt. Die Flugzeugentführer wollten einfach in die freie Welt, das war ihre Motivation, und das Buch beschreibt dieses ganze Projekt, das natürlich zum Schluss mit Gefängnis bestraft wurde. Die Flucht in die Freiheit hat demnach leider nicht so funktioniert. Das ist jetzt nur ein Beispiel eines sehr guten Romans, an dem man sieht, welch große Rolle die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte spielt, ebenso mit dem Verhältnis zu Russland und zum Westen.

Was sind Ihrer Meinung nach – jetzt haben Sie ja viel Erfahrung in den letzten Monaten gesammelt – bei Kritikern und Lesern die erfolgreichsten zeitgenössischen Autoren derzeit?

Also sehr erfolgreich ist natürlich Nino Haratischwili. Aber das ist, wie gesagt, ein spezieller Fall, da es im Original ja schon auf Deutsch erschien, also gar nicht übersetzt wurde.

Weil sie auf Deutsch schreibt?

Genau. Sie hat ja jetzt auch wieder ein neues Buch veröffentlicht, Der General und die Katze. Das steht auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis.

An den Übersetzungen ist der eben erwähnte Dato Turaschwili herauszuheben, auch Tamta Melashwili mit ihrem Roman Abzählen beim schweizerischen Unionsverlag. Auch Zaza Burchuladze muss genannt werden, der mit Adibas eine georgische Dystopiegeschrieben hat, die beim Aufbau-Verlag erschienen ist. Sein neustes Werk Der aufblasbare Engel ist gerade bei Blumenbar veröffentlicht worden. Er gilt, würde ich mal behaupten, in Georgien ein wenig als enfant terrible: Man muss dazu wissen, dass es in Bezug auf die Bevölkerung Georgiens sehr vereinfacht gesprochen zwei große Blöcke gibt, die sich sehr kritisch gegenüber stehen. Da sind zum einen die Säkularen, die sehr in den Westen orientiert sind. Und zum anderen sind da die mitunter tiefgläubigen Orthodoxen, also eine Mischung, die nicht konfliktfrei ist, vor allem dadurch, dass der Patriarch durchaus in die Tagespolitik eingreift und Positionen für die Gläubigen vorgibt.

Und eben mit jenen Orthodoxen hat Burchuladze sich literarisch angelegt, lesen Sie nur mal Der aufblasbare Engel. Er hat dann auch einige Schwierigkeiten bekommen in Georgien und lebt jetzt seit geraumer Zeit in Deutschland. Seine Werke würde ich eher als avantgardistische Literatur bezeichnen, da seine Art des Schreibens sich nicht am klassischen Erzählen orientiert, sondern mit Form und Inhalt experimentiert.

Findet denn allgemein eine Orientierung eher in Richtung Russland oder in Richtung Europa statt? Viele Kritiker berichten ja von einem bedeutenden Konflikt innerhalb der georgischen Literatur: Orientiert man sich am europäischen Mainstream und kommt damit möglicherweise leichter in den europäischen Markt, oder bleibt man den georgischen Wurzeln treu, was ja offensichtlich dann auch eine Orientierung in Richtung Russland impliziert. Wie ist denn da das Spannungsverhältnis? 

Nun, das Thema Russland spielt in der Tagespolitik durchaus eine große Rolle, denken sie an den Regierungswechsel nach den Wahlen vor einigen Jahren: Zunächst haben ja Saakashvili und seine Partei einen eher konfrontativen Kurs gegenüber Russland gefahren, der dann 2008 nach erheblichen Provokationen durch die russische Seite im sogenannten August- oder Fünf-Tage-Krieg mündete.

Danach wurde der Georgische Traum, ein Bündnis von verschiedenen Parteien, gewählt. Diese Regierung versucht einen etwas moderateren Kurs gegenüber Russland zu fahren, auch, weil man letztlich die geopolitische Situation nicht wird ändern können: Man hat halt diesen großen Nachbarn und er wird auch nicht verschwinden.

Das spielt auch im umgekehrten Verhältnis eine vielleicht sogar noch stärkere Rolle: David Lordkipanidze, der Direktor des Nationalmuseums, hat mal gesagt, was für den Deutschen in der Klassik und der Romantik Italien verkörperte, also ein Sehnsuchtsort und Elysium, das war für die Russen Georgien. Insofern spielt das Verhältnis eine große Rolle, weil man dann, egal auf welcher Seite, immer auch mit Mythologemen konfrontiert ist. Das ist eine interessante kulturelle Auseinandersetzung, die da stattfindet. Ich bin bei den vielen Gesprächen, die ich in Georgien führen konnte, immer wieder auf junge Leute gestoßen, die genau hierüber wissenschaftlich arbeiten, also über diese enge kulturelle Verknüpfung beider Länder trotz politischer Gegnerschaft: Welche Bilder wurden wann auf welcher der beiden Seiten benutzt, welche Traditionen gepflegt und welche eher als überkommen abgelehnt… Das ist alles schon ziemlich spannend!

Welchen Stellenwert hat denn Literatur in der georgischen Gesellschaft etwa im Vergleich zu Deutschland?  

Ich habe ja am Anfang schon gesagt, Gedichte spielen nach meinem Eindruck eine größe Rolle und haben einen anderen Status als bei uns.

Mein Eindruck ist aber auch, dass Literatur insgesamt in Georgien eine große Rolle spielt. Aber natürlich ist der Buchmarkt sehr viel überschaubarer, als bei uns. Und die Situation des Buchmarktes ist in so kleinen Märkten grundsätzlich nicht ganz einfach. Es arbeiten in Georgien um die 80 Verlage, die professionell am Markt agieren. Allerdings  gibt es dort keine Preisbindung, wie bei uns, was es gerade den kleineren Verlagen nicht einfach macht, über die Runden zu kommen. Die engagierte Buchhändler- und Verleger-Vereinigung organisiert die Buchmesse in Tbilisi.  Aber die Auflagen der Titel sind klein und ein grundlegendes Problem ist, wie in vielen Ländern Osteuropas, die Distribution. In Tiflis ist die Buchversorgung noch relativ gut, oder auch in Batumi und in einigen anderen, größeren Städten, aber auf dem Land wird es dann schon sehr schwierig. Ein weiterer kritischer Punkt ist das Bibliothekswesen, das finanziell nicht besonders gut ausgestattet ist.

Lesen Georgier eigentlich vermehrt Übersetzungen bekannter Autoren aus den USA oder aus Europa, oder haben sie eher eine besondere Vorliebe für ihre eigene Literatur?

Natürlich gibt es Übersetzungen aus Europa und den USA, viele Übersetzungen allerdings auch aus Russland. Russisch ist ja auch eine Sprache, die dort durchaus noch gesprochen wird, weil gerade ältere Georgier das noch früher in der Schule gelernt haben. Bei den jungen Leuten ist es eher nicht mehr so en vogue, die sprechen sehr gut Englisch. Aber tatsächlich ist der Buchmarkt noch relativ stark auf die georgische Sprache gepolt. Die Georgier haben ja ein eigenes Alphabet, das sie übrigens zum Motto ihres Gastlandauftrittes in Frankfurt gemacht haben: Georgia – Made by Charakters!

Aber natürlich gibt es in Relation gesetzt ähnlich viele Übersetzungen wie in anderen Ländern. Und natürlich verkauft ein Dan Brown auch mehr Bücher als ein georgischer Debütant. Aber insgesamt ist die Aufmerksamkeit für das eigene literarische Schaffen schon recht groß.

Wie viele Bücher georgischer Autoren werden denn ungefähr im Jahr veröffentlicht?

Ein großes Problem in den östlichen Ländern ist, dass die Kennzahlen des Buchhandels kaum erhoben werden. In Deutschland sind wir da ja genauestens informiert, in Georgien ist das in dieser Form unmöglich. Aber im Zuge der Vorbereitung auf das Gastland wurde zunächst eine Broschüre Look at Georgia veröffentlicht, die bereits vor einigen Jahren erschien. Das Georgian National Book Center hat jetzt auch nochmal eine Erhebung gemacht, die aber wiederum nur eine gewisse Anzahl von Verlagen einschließt. Die Erhebung ist nicht flächendeckend, sondern ausschnitthaft. 2010 lag die Zahl der veröffentlichten Titel bei etwa 2.800, um hier eine Größenordung anzugeben.

Sind da die Übersetzungen mit drin?

Ja, da ist alles mit drin. Wenn sie das mit der Titelzahl bei uns vergleichen, was sich natürlich aufgrund der Bevölkerungszahl verbietet, aber nur zur Anschauung: In Deutschland liegt die Zahl der Erstauflagen bei ca. 76.000 Titeln. Das ist natürlich etwas ganz anderes.

Wie ist denn die Bereitschaft bei deutschen Verlagen im Zuge der Buchmesse gewesen, georgische Literatur zu publizieren? Gibt es Vergleiche mit anderen Gastländern? Oder hat man noch Berührungsängste?

Also, ich finde, das ist ausgesprochen gut gelaufen! So ein Gastlandauftritt auf der Frankfurter Buchmesse braucht in der Regel drei Jahre zur Vorbereitung. Mit den Georgiern sind wir jetzt über acht Jahre in Kontakt. 2014 wurde dann der Vertrag unterschrieben – und seitdem arbeiten sie daran, das waren also nach Vertragsunterzeichnung noch vier Jahre und ich glaube, es war gut so, dass die Kolleginnen und Kollegen etwas mehr Zeit hatten. Die Übersetzungsförderung ist gerade bei den, ich nenne es mal ‚kleinen Sprachen‘, ausgesprochen wichtig, denn natürlich besteht für einen deutschen Verleger, der einen Roman aus dem Georgischen übersetzt, der hier zunächst völlig unbekannt ist, immer auch ein verlegerisches Risiko. Da ist eine Übersetzungsförderung sehr hilfreich.

Die Kollegen haben das Ganze vorbildhaft durchgeführt: Gerade wenn man so lange Zeit hat, muss man eine passende Dramaturgie entwickeln. Man muss auf sich aufmerksam machen, aber ohne, dass man zu Beginn gleich sein ganzes Pulver verschießt. Das ist nicht einfach und es ist prima gelaufen.

In der Vorbereitung wurden einige Autoren und Journalisten eingeladen, die durch Georgien geführt wurden. Ihnen wurden die Verlage gezeigt, ihnen wurde vorgestellt, was bei ihnen so passiert, sie wurden mit Autoren bekannt gemacht, und auf diese Weise ist dann ein großes Interesse an Georgien geweckt worden. Wir unterstützen das natürlich immer mit Rat und Tat, aber finanziert wird das Ganze letztlich vom Gastland, und daher müssen sie selber entscheiden, wie sie das machen wollen und da muss ich sagen: Das haben sie wirklich sehr, sehr gut hinbekommen. Und die Früchte können sie jetzt ernten.

Klar, wenn sie schauen, frühere Gastländer wie China, Brasilien oder Frankreich haben natürlich sehr viel mehr Übersetzungen. Aber wir machen ja keinen „body count“, also es geht ja nicht darum, wer jetzt in absoluten Zahlen die meisten Übersetzungen hat. Ich halte das Erreichte für einen fantastischen Erfolg, ganze 150 Titel hier nach Deutschland zu bringen! Und da sind ja jetzt noch nicht die Titel dabei, die in die anderen Länder verkauft wurden.  

Ich frage mich gerade, wo man überhaupt so viele Übersetzer herbekommt…

Das war in der Tat ein entscheidendes Problem und so etwas wie der Bottle-Neck, durch den alle Übersetzungen hindurchmüssen. Die Zahl der professionellen Übersetzer aus dem Georgischen oder ins Georgische, es geht ja in beide Richtungen, aber besonders natürlich ins Deutsche, sind begrenzt. Das war gerade am Anfang sehr schwierig, an der späteren Entwicklung allerdings kann man ganz deutlich ablesen, wie sehr sich der Markt um die Auslandslizenzen mittlerweile professionalisiert hat.

Wenn ich zum Beispiel an das vorhin erwähnte Buch denke, Westflug: Der Verlag Bakur Sulakauri hat dieses Buch gleich auch auf Englisch gemacht, also parallel zur georgischen Erstauflage eine englische Übersetzung veröffentlicht. Ursprünglich mit dem Ziel, dass es im englischsprachigen Raum vertrieben wird, aber das hat nicht funktioniert, und das funktioniert eigentlich nie. Das geht im Grunde nur über den Verkauf von Übersetzungslizenzen. Dennoch gab es aber natürlich Leute, die schon mit viel Elan an der Übersetzung des Buches arbeiteten. Es gab auch schon in Teilen eine Übersetzung ins Deutsche, nur der Wagenbach Verlag wollte eben seine eigenen Übersetzer haben, mit denen sie zusammenarbeiten und denen sie vertrauen.

Das ist ein Beispiel dafür, dass es am Anfang, als das mit dem Übersetzten losging, eine ganze Reihe von engagierten Personen gab, die dann tief enttäuscht waren, weil ihre Arbeit weder geschätzt, noch entlohnt wurde. Mittlerweile läuft der Prozess über das Georgia National Book Center sehr professionell mit großen Listen von Neuerscheinungen, von Broschüren mit Inhaltsangaben zu den Romanen und Probeübersetzungen, Kurzbios zu den Autoren … Also das Rechtegeschäft läuft eigentlich wie in den westlichen Ländern auch, wie man Titel auswählt, wie man sie anbietet, all das hat ein hohes professionelles Niveau erreicht. Die Herausforderung wird sein, dass diese Form der Professionalisierung auch nach dem Gastlandauftritt weiter gefördert wird. Es wäre fahrlässig, all die Kontakte und das geweckte Interesse nach dem Auftritt zu vernachlässigen.

Wie kann ich mir das denn vorstellen, wie ist denn die Nachhaltigkeit von solchen Auftritten, wenn wir jetzt über kleinere Länder sprechen? Ich erinnere mich daran, wie viele Übersetzungen vor ein paar Jahren aus Island erschienen. Wie sieht das heute aus?

Also zwei Sachen dazu. Einmal ganz konkret, weil Sie gerade Island ansprachen: Bei den Isländern war es so, dass sie zwei Jahre nach dem Gastlandauftritt doppelt so viel Lizenzen ins Ausland verkauft haben als zwei Jahre vor dem Gastlandauftritt, und zwar in die ganze Welt, nicht nur nach Deutschland. Natürlich ist es erst einmal so, dass in Deutschland nach dem Auftritt die Zahl der Veröffentlichungen zurück geht, das sehen wir eigentlich bei allen Gastländern. Aber die Zahl der Veröffentlichung pendelt sich auf höherem Niveau ein, als sie es vor dem Gastlandauftritt war. 

Das zweite Beispiel, von dem ich Ihnen berichten kann: Wir hatten ein paar Länder ja schon zweimal, unter anderem die Niederlande und Flandern oder Frankreich, und die niederländischen Kollegen, mit denen ich die Freude hatte zusammenzuarbeiten, haben mir vor zwei Jahren bei ihrem zweiten Auftritt in Frankfurt gesagt, dass der erste Auftritt, also von 1993, für die Niederlande der Durchbruch in der Wahrnehmung ihrer Literatur in der Welt war. Vorher hat sich kaum jemand für niederländische Literatur interessiert, aber seit dem ersten Gastlandauftritt hat man plötzlich wie selbstverständlich zahlreiche Termine bei US-Verlagen und bei Verlagen in Frankreich, in Deutschland usw. gehabt.

Der Gastlandauftritt auf der Frankfurter Buchmesse hat also schon einen sehr deutlichen Effekt, kulturell, wie ökonomisch.

Gibt es eine Tendenz, welche Verlage die Übersetzungen publizieren, gerade im Bezug auf Georgien?

 Ja, da gibt es die Verlage, in der Regel sind das kleinere, die bereits vor der Bekanntgabe des Gastlands in Frankfurt entsprechende Bücher gemacht haben. Da wäre zum Beispiel der Verbrecher Verlag in Berlin zu nennen, der mit großem Engagement das Werk von Giwi Margwelaschwili herausgebracht hat, einem Autor der lange in Deutschland lebte und ein sehr komplexes Werk verfasst hat. Die schon genannte Autorin Nino Haratischwili hat ihre ersten Romane zunächst auch bei den „Verbrechern aus Berlin“ veröffentlicht, bevor sie dann zur Frankfurter Verlagsanstalt gewechselt ist.

Andere Verlage gehen mit dem Gastland auch sehr produktiv vor, so zum Beispiel der Weidle Verlag, der sich immer gerne an den Literaturen des Gastlandes der Frankfurter Buchmesse orientiert: Dort erschien justament Aka Morchiladze mit seiner Reise nach Karabach.

Aber auch die großen Verlage – Hanser, Rowohlt, Suhrkamp – sind immer dabei. Das freut uns natürlich sehr, dass unser Gastland immer wieder derart aufgegriffen wird. Es ist schön, zu wissen, dass mit dem Gastlandprojekt der Frankfurter Buchmesse maßgeblich für die Vielfalt der Übersetzungen auf dem deutschen Buchmarkt gesorgt wird. Das ist auch nachhaltig, also für uns in Deutschland. 

Wir sollten aber nicht vergessen, dass nicht nur Belletristik aus dem Gastland übersetzt wird: übersetzt wird in allen Segmenten der Branche: Kinderbuch, Sachbuch und – gerade im Falle von Georgien sehr wichtig – Bücher über die Natur und andere Bildbände zum kulturellen Erbe. Natürlich sind diese Titel nicht derart im Feuilleton präsent und bei literaturkritk.de dann wahrscheinlich auch nicht, aber diese Titel sollte man nicht vergessen. Sie tragen doch erheblich dazu bei, dass wir uns ein Bild von Georgien machen können. Nicht zuletzt denke ich, auch die Küche in Georgien ist großartig, und die ist jetzt in zahlreichen Koch- und Weinbüchern zugänglich.

Gibt es denn ein georgisches Buch, das Sie besonders beeindruckt hat?

Ja, das ist Der Korb von Otar Tschiladze, also das ist für mich eine wirkliche Entdeckung! Als ich das las, dachte ich, wie kann man das eigentlich übersetzen? Tschiladze hat eine derart ausgefeilte Sprache und großartige Wendungen. Dabei habe ich gewiss nur zwanzig Prozent des Buches wirklich verstanden, weil es gespickt ist mit Anspielungen auf die georgische Geschichte, die mir jetzt, obwohl ich mich auch ein bisschen damit beschäftigt habe, doch noch recht unbekannt ist. Und trotzdem: Es ist ein so beeindruckendes Werk und ich bin dem deutschen Verleger, Andreas Rötzer von Matthes & Seitz, sehr dankbar, dass er es in sein Programm aufgenommen hat.

Ein Beitrag aus der Komparatistik-Redaktion der Universität Mainz