Eine Reise nach Japan

Christoph Peters schickt seine von Berlin nach Japan, ins Herzland der Yakuza. „Das Jahr der Katze“ ist bemerkenswert

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Was macht ein Schriftsteller, der einen guten Krimi geschrieben hat? Er schreibt eine Fortsetzung – und schon hat er ein Problem. Denn die Fortsetzung muss zwei völlig gegensätzlichen Anforderungen gerecht werden: Sie soll den Vorgänger erkennen lassen, ohne ihn zu wiederholen. Das kennt man von Pop-Bands: Die zweite Platte ist immer schlecht.

Christoph Peters hat dieses Doublebind-Problem mit seinem Roman Das Jahr der Katze auf die bestmögliche Art gelöst. Er hat aus seinem Berliner Yakuza-Roman Der Arm des Kraken, in dem ein handlungsmächtiger japanischer Auftragskiller metzelnd durch die Berliner Lande zieht, einen Japan-Roman gemacht, in dem er zeigt, dass die Moderne eben nicht nur ein Problem für die westlichen Zivilisationen ist, sondern auch für die fernöstlichen. Das mag nicht weiter überraschen, treibt die japanische Gesellschaft doch in vielem die Modernisierungsspirale weiter voran, nicht nur bei den Mangas, sondern eben auch im kriminellen Milieu (nichts ist dabei gegen Mangas gesagt).

Allerdings sind die Moderneprobleme der japanischen Yakuzas in ihrer Heimat andere als die des Yakuza-Killers in der Fremde. Zwar kann man ihm vorwerfen, dass er rein gar nichts von dem versteht, was um ihn herum vorgeht, auch wenn er tatkräftig demonstriert, dass er genau weiß, was abgeht. Dass er dabei nur Chaos stiftet, ist ihm wahrscheinlich selbst egal. Nicht entgangen ist ihm jedoch, dass das Resultat seiner Berliner Arbeit in der japanischen Zentrale für Ärger sorgt, weshalb Fumio Onishi nach Japan zurückkehrt, um abzuklären, was aus der Sache wird. Er nimmt Nikola mit, die ihn bereits durch den Vorgängerroman in Berlin begleitete. Während Nikola in Berlin nicht auffällt, ist sie in Japan allerdings – insbesondere in Begleitung eines Yakuza – ein echtes Leuchtfeuer. Wenn es Fumios Ziel gewesen wäre, die Konsequenzen seines ein wenig eigenmächtigen Handelns in Berlin möglichst klein zu halten, hätte er Nikola nicht mitnehmen dürfen.

Nimmt man diese japanische Reise, die sämtliche Klischees anachronistischer Yakuza-Rituale aufnimmt, die einem halbwegs belesenen Mitteleuropäer bekannt sein mögen, dann ist sie letztlich ein grandioser Reinfall. Fumio und Nikola reisen nach Japan, fahren ein wenig hin und her, sind vorsichtig, Fumio versteckt Nikola, was nichts hilft, sie fliehen durchs Land und am Ende verlassen sie Japan in Richtung Amerika, wie es sich für Flüchtlinge gehört. Dort soll es Arbeit für sie geben. Killer wie Reiter werden immer gebraucht.

Aber Hand aufs Herz, liest man deswegen einen Yakuza-Krimi, um mit dem gewaltigsten aller Karate- und Sonstwas-Kämpfer, den die Welt je gesehen hat, durch Japan zu reisen und ihm über die Schulter zu blicken?

Und wenn doch? Selbstverständlich treffen Fumio und Nikola – Romanhelden darf man ungestraft duzen – auf alles, was das japanfreundliche Herz begehrt. Es gibt den großen Boss, Takeda, der offensichtlich um seine Macht kämpft, aber zum Trinker geworden ist. Und es gibt Meister Harada, den Ausbilder Fumios – und aller Yakuzas, die für Takeda arbeiten.

Aber Takeda hat zu viele Yakuza-Filme gesehen, in denen es auf den Showdown zugeht. Und Meister Harada ist kein Weiser vom Berg, sondern ein alternder Karate-Lehrer, dem der große Boss die Gunst entzogen hat, weil sein wichtigster Schüler, Fumio, Mist gebaut hat – und weil Karate-Lehrer in den heutigen Zeiten vielleicht nicht mehr ganz so wichtig sind wie früher.

So zieht durch den Roman das ständige Lamento Haradas, der seine Frau und den gemeinsamen Sohn niedermacht, um das dann als Lehre auszugeben. Der sich darüber beklagt, dass seine Schüler – die Leute Takedas – lieber mit dem Smartphones daddeln, als sich im Kampfsport zu quälen und ihren Charakter zu schulen. Harada ist seinerseits ein offensichtlicher Anachronismus, und dass er sich – wenn auch sehr gewunden – seiner Frau und seinem Sohn zuwendet, ist dafür das deutliche Zeichen. Denn wer wärmt sonst das Lager seines Alters und setzt fort, was er begonnen hat?

Harada und Takeda werden als Duellanten gezeichnet, die unentwirrbar miteinander verstrickt sind. Aufzulösen ist dieses Verhältnis nur mit Gewalt, was dann genrespezifisch vorgeführt wird. Auffallend ist aber, dass die einzigen Gewaltszenen, die im Roman zu finden sind, sich um Harada gruppieren.

Nur Fumio und Nikola, um die sich alles drehen sollte und die die Handlung zu tragen haben, bleiben von alledem unberührt. Sie fahren nach Japan und danach nach Amerika. Neben der Kontingenztoleranz ist eben in der Moderne auch noch ein gerüttelt Maß an Langmut gefordert, denn wie sonst käme man damit klar, dass alles, was man tut, keine Rolle spielt. Fumio müsste also gar nicht so viel telefonieren. Aber es liest sich sehr geheimnisvoll und geschäftig.

Titelbild

Christoph Peters: Das Jahr der Katze. Roman.
Luchterhand Literaturverlag, München 2018.
352 Seiten, 22,00 EUR.
ISBN-13: 9783630874760

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