Die Sinnsuche des postkapitalistischen Individuums in Filmen über sich selbst

Lola Randls Film „Von Bienen und Blumen“ trifft den Zeitgeist

Von Lisa-Marie KrosseRSS-Newsfeed neuer Artikel von Lisa-Marie Krosse

Der Begriff „Hipster“ ist laut Duden wie folgt definiert: „(Jargon) zu einer [urbanen] Subkultur gehörender junger Mensch mit ausgefallener, nicht der aktuellen Mode entsprechender Kleidung und extravagantem, individualistischem Lebensstil“. Es ist ein Begriff, der in den letzten Jahren immer inflationärer verwendet wurde. Für die meisten steht er nicht mehr für eine Subkultur, sondern bezeichnet eine Gruppe von Leuten, die in ihrer Individualität ununterscheidbar geworden sind. Er bezeichnet meist recht gut situierte Menschen, die sich nicht in eine Schublade quetschen lassen wollen und deshalb ihre eigene erfinden, eben die „Hipster“-Schublade.

Kein Wunder, dass, wenn es um Filme geht, Hipster gerne Filme für Hipster machen, man versteht sich immerhin gegenseitig am besten. Und was würde das Ganze noch toppen? Genau: Ein Film von Hipstern über Hipster für Hipster. Von Bienen und Blumen ist so ein Fall.

Es fängt bereits bei der Genrebezeichnung des Films an. Eigentlich ist es ein Dokumentarfilm, der allerdings auch fiktive Anteile enthält. Statt der gängigen Bezeichnung Mockumentary schlägt die Autorin Lola Randl in einem Interview beim Filmfest München 2018 den Ausdruck „autofiktional“ vor. „Auto-“ wegen des großen persönlichen Anteils, den sie in den vermeintlich selbstkritischen Film hineingesteckt hat.

Der Inhalt rankt sich um mehrere hippe Berliner Stadtmenschen, die in der Uckermark eine brachliegende Gartenanlage aufarbeiten wollen, um hier autark leben zu können. Tatsächlich wurde die Uckermark seit einigen Jahren von Künstlern und anderen Individualisten als neuer Pilgerort auserkoren. Diese Stadtflucht wird im Film begleitet von einer vermeintlich fiktiven Doktorarbeit, die immer wieder aus dem Off vorgelesen wird. Sie trägt den Titel: „Die Sinnsuche des postkapitalistischen Individuums“. Diese sowie die verschiedenen Jahreszeiten bilden den Rahmen, in dem die Arbeit der Städter auf dem Land gezeigt wird. Manche von ihnen kommen nur am Wochenende, andere sind die ganze Zeit dort. Auch die Dorfbewohner helfen mit. Nach und nach kristallisiert sich noch ein anderes zentrales Thema heraus: die Polyamorie. Denn dem modernen, individualistischen Städter, der als Kontrast zu seinem urbanen Leben den Einklang mit der Natur sucht, ist eine konventionelle Beziehung zu einengend. Am Ende zeigt sich, dass das mit der freien Liebe dann doch nicht so einfach ist, wie es scheint. Und auch dem autarken Landleben ist die Bequemlichkeit eines Dönerbudenbesuchs von Zeit zu Zeit vorzuziehen.

Der Inhalt zeigt: Der Film Von Bienen und Blumen nimmt sich durchaus nicht ernst. Lola Randl, die tatsächlich mit ihrem Freund Philipp in der Uckermark lebt, sagt, der Film sei eine Selbstkritik. So werden die Städter unbeholfen und selbstgerecht gezeigt. Es ist schön zu sehen, dass sie auch nur Menschen sind, die ihren Idealen nicht auf ganzer Linie treu bleiben können. Auch der Humor, mit dem der Film arbeitet, unterstreicht diesen Aspekt. Auf trockene Art und Weise werden die Macken der einzelnen Personen dokumentiert und so entsteht nicht selten grotesker Witz.

Der Stil ist konstant dokumentarisch. Für den Zuschauer ist nicht erkennbar, ob die Szenen gespielt sind, einem Skript folgen oder echt sind. Allein die vorgelesene Doktorarbeit sowie die Konversation zwischen Lola Randl und ihrem Freund, die aus dem Off eingesprochen werden, wirken fiktional. Diese Tatsache macht den Film einerseits durchaus besonders, andererseits lässt er beim Zuschauer auch ein seltsames Gefühl zurück. Kann man wirklich darüber lachen, dass es Menschen gibt, die so dekadent sind, dass sie auf dem Land in die Rolle des Bauern schlüpfen wollen, weil ihr Stadtleben sie langweilt? Ist es wirklich komisch zu sehen, wie Menschen scheinbar so unentschlossen und unglücklich mit sich selbst sind, dass sie ihr Glück bei immer anderen Partnern suchen wollen, nur um dann festzustellen, dass eine Dreiecksbeziehung doch nicht die gewünschte Erfüllung bringt?

Auch die Darstellung der Dorfbewohner, die noch am realistischsten scheint, ist seltsam. Sie wirken simpel, gucken Soaps wie Rote Rosen oder sind, wenn auch sympathisch, etwas wunderlich. Dieser Aspekt hat einen arroganten Beigeschmack. Natürlich kann es sich dabei nur um einen ungewollten Nebeneffekt handeln, dennoch ist es einer, der hängen bleibt.

Häufig lacht man über Dinge, in denen man sich selbst wiedererkennt. Das ist gut und zeugt von Humor und der Fähigkeit zur Selbstreflexion. Was dabei jedoch wichtig ist, ist, tatsächlich Kritik zu üben. Dies kommt in Von Bienen und Blumen, auch wenn es die Prämisse des Films ist, leider zu kurz. Zwar wird das Scheitern der Figuren angedeutet, im Großen und Ganzen bleibt er jedoch lediglich eine Doku über Städter, die sich auf dem Land verwirklichen, unterlegt mit einem heiteren Unterton, ohne Moral und ohne, dass sie etwas Nennenswertes beim Zuschauer zurücklässt.

Insgesamt ist Von Bienen und Blumen somit eher enttäuschend. Es hätte eine ehrliche Kritik einer Kultur werden können, in der die Selbstverwirklichung zur Selbstinszenierung wird. Eine Kritik über Menschen, die sich unbedingt unterscheiden und zu keiner Gruppe gezählt werden wollen, nur, um einen noch exklusiveren Kreis zu bilden. Kurz: Der Film hätte eine witzige Kritik am „Hipstertum“ werden können. Die Form des Films wäre dafür ideal gewesen: Eine Dokumentation, die keine ist, dann aber irgendwie doch. Ein Film, bei dem die Grenzen von Fiktion und Realität verschwimmen, wäre das passende Vehikel gewesen. So ist er nun leider ein Porträt von Menschen geworden, die sich selbst toll und außergewöhnlich finden und lediglich kleine Macken haben. Natürlich können sie auch über sich lachen, denn im Endeffekt wissen sie, dass sie etwas Besonderes sind. Es ist eben ein Film von Hipstern über Hipster für Hipster.

 

Von Bienen und Blumen

Deutschland 2018
Regie: Lola Randl
Darsteller*innen:  Lola Randl u.a.
Spieldauer: 96 Minuten

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen

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