Kaffee und Bomben

Dave Eggers schreibt in „Der Mönch von Mokka“ über den amerikanischen Traum im 21. Jahrhundert und die Anfänge des Bürgerkriegs im Jemen

Von Felix HaasRSS-Newsfeed neuer Artikel von Felix Haas

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Dave Eggers ist spätestens seit dem Erscheinen seines autobiografischen Werkes Ein herzzerreissendes Werk von umwerfender Genialität im Jahr 2000 der internationalen Literaturwelt ein bekannter Name. 15 weitere Bücher und das Verlagshaus und Literaturjournal McSweeneyʼs, dessen Gründer er ist, haben seitdem dazu beigetragen, dass sein Name nicht mehr in Vergessenheit geraten ist.

Nach Weit gegangen (2006) und Zeitoun (2009), ist Der Mönch von Mokka nun sein drittes Buch über das Leben von Immigranten im Amerika nach 9/11. Über einen Zeitraum von drei Jahren führte Eggers dazu Gespräche mit Mokhtar Alkanshali und Menschen, die ihm nahestehen. Alkanshali ist Sohn jemenitischer Einwanderer, geboren in den Vereinigten Staaten und aufgewachsen in der „Bay Area“, dem Großraum San Francisco. Er führt lange ein relativ normales Leben, macht als Kind allen möglichen Unfug und interessiert sich wenig für die Schule. Doch hat er schon früh einen starken Geschäftssinn, versteht es zu „hustlen“, ist ambitioniert, ohne es aber zu verstehen, seiner Ambition eine gezielte Richtung zu geben. Dies ändert sich schlagartig, als er lernt, dass das Land seiner Vorfahren das Geburtsland des Kaffees ist, der Jemen heute auf dem Weltmarkt aber kaum noch präsent ist. Ohne selber mehr als ein paar Tassen Kaffee in seinem Leben getrunken zu haben, entschließt er sich schnell, den jemenitischen Kaffeeexport wieder aufleben zu lassen und „Bohnen direkt am Ursprungsort ein[zu]kaufen“.

Als Alkanshali bei seiner Familie im Jemen landet, hat der Anbau des Rauschmittels Khat den Kaffee in weiten Teilen verdrängt. Auf einer Landwirtschaftsmesse lernt er dennoch Kaffeebauern kennen, die er in verschiedenen Teilen des Landes besucht, ohne jegliche agrarwirtschaftliche Grundkenntnisse zu haben. Zurück in den USA, zeigen sich von dutzenden Proben der unterschiedlichen Anbaugebiete einige wenige als qualitativ hochwertig und Alkanshali beginnt auf Kredit, diesen Bauern in großen Mengen Kaffee abzunehmen. Bevor er und Eggers aber gemeinsam vom Dach eines Apartmentkomplexes das Containerschiff mit Alkanshalis Kaffee in den Hafen von San Francisco einlaufen sehen, muss er noch etliche Unwägbarkeiten in einem Land überwinden, das langsam in einem Bürgerkrieg versinkt.

Ein Held aus einer Immigrantenfamilie, dessen Vater erst Hausmeister, dann Busfahrer ist, schlägt sich selbst lange mit Gelegenheitsjobs durch, ist mal Autoverkäufer, dann Empfangsportier, bis er eine Berufung findet, an der er so lange verbissen arbeitet, bis sein Port of Mokha Kaffee für 16 Dollar die Tasse in den besten Kaffeehäusern der USA getrunken wird. Auf den ersten Blick hat Der Mönch von Mokka viele Elemente einer klassischen Geschichte des amerikanischen Traums. Doch spielt mehr als die Hälfte des Buches im Jemen und die Verwirklichung von Mokhtars Traum ist ebenso wie er und Eggers Buch nicht nur amerikanisch, sondern ein Mischprodukt zweier Welten.

Der Mönch von Mokka vereint nicht nur Länder, sondern auch Genres und Inhalte. Der Autor selbst besteht zwar in seinem Prolog darauf, dass es „sich hier nicht um einen Roman [handelt], sondern um die Darstellung von Ereignissen, wie sie von Mokhtar Alkanshali wahrgenommen und erlebt wurden“, doch ist sein Buch eben nicht nur distanzierte Biografie, sondern eine Coming-of-Age-Story, in welcher der zunächst eher beobachtende Chronist am Ende selbst Teil der Geschehnisse wird. Es ist außerdem eine Geschichte des Kaffees von seinen Ursprüngen im Jemen bis hin zur aktuellen dritten Welle, der Rückbesinnung auf hochqualitativen Kaffee. Und es ist Gesellschafts- und Politikkritik in unterschiedlichsten Themen: Von Integration und Umgang mit muslimischen Amerikanern bis hin zu Fair Trade mit Bauern in Produktionsländern und einem bis heute anhaltenden Bürgerkrieg im Jemen, in dem bislang geschätzte 85.000 Kinder verhungert sind.

Das Brillante an Eggers Buch ist, dass es versteht, durch seine einfache Sprache all diese Themenkomplexe weitestgehend natürlich miteinander zu verweben. Obwohl sich der Leser von Anfang an des Happy Ends sicher ist, folgt er trotzdem mit Spannung Mokhtars Besuchen entlegener jemenitischer Bergdörfer oder seiner Flucht vor Huthi-Rebellen und saudischen Bombern. Sicher wirkt nicht jeder Einschub zur Geschichte des Kaffees bis ins letzte notwendig und mancher Charakter bleibt weniger entwickelt, als man es sich in einem Roman vielleicht gewünscht hätte, aber all das kann man Eggers unter Berücksichtigung seines eigenen Genres durchaus verzeihen. Der Mönch von Mokka bleibt ein farbenfrohes, ein mutiges Buch, eines von jenen, die eine ganze Welt entwerfen, in der sich der Leser schnell verliert.

Doch ist Eggers das Schreiben alleine nicht genug. Gemeinsam mit seiner Frau leitet er „826 Valencia“, ein Förderzentrum, das durch lokale Chapters über San Francisco hinaus unentgeltliche schulische Unterstützung bietet. Mit Mokhtar Alkanshali hat er nun „die Stiftung Mokha Foundation gegründet, die sich dafür einsetzt, die Lebensqualität im Jemen auf vielfache Weise zu verbessern.“ Ob als Autor oder als Stiftungsgründer, Eggers arbeitet an wichtigen Themen unser Zeit und zeigt sich mit Der Mönch von Mokka einmal mehr als innovativer Schriftsteller und Gewissen der Nation.

Titelbild

Dave Eggers: Der Mönch von Mokka.
Übersetzt aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2018.
379 Seiten, 22,00 EUR.
ISBN-13: 9783462048780

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