Claus-Michael Schlesinger liefert mit „Aufklärung und Bewölkung. Poetik der Meteore im 18. Jahrhundert“ eine Wissensgeschichte der Wolken und atmosphärischen Erscheinungen
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseWolken und verwandte meteorologische Erscheinungen wie Nebel oder Dunst begegnen in aufklärerischen Texten überall dort, wo es darum geht, kognitive, empirische, gedankliche, begriffliche, rhetorische oder poetische Unsicherheit, Unsichtigkeit und Unverständlichkeit zu markieren. Aufklärung ist dann, wenn die Wolken vertrieben sind und ein geordneter Kosmos zum Vorschein kommt, wenn verworrene Gedanken sich in erkenntnisleitende Unterscheidungen transformieren und in einer klaren Form verständlich werden.
Doch welchen epistemischen Status hat die Wolke als Wissensobjekt? Was ist die poetologische Funktion des Wolkigen in erkenntnistheoretischen, rhetorischen, poetischen und meteorologischen Diskursen? Ausgehend von Christian Wolffs Deutscher Metaphysik über Descartes Die Meteore bis hin zu Johann Wolfgang Goethes meteorologischen Studien und Friedrich von Hardenbergs Allgemeinem Brouillon verfolgt Claus-Michael Schlesingers Buch die Frage, wie sich Rationalität, Klarheit, Licht und damit die Aufklärung insgesamt zum Wissen des Verschwommenen und Unklaren verhalten, das die Bewölkung anzeigt.
Mit dem Wetter als Naturerscheinung beschäftigen sich im 18. Jahrhundert unterschiedliche Meteorologien. Neben astro-meteorologischen Ansätzen, theologisch-teleologischen Erklärungen und Wettermechaniken bilden sich im Zuge eines massiv gesteigerten Aufkommens von Wetterdaten zunehmend physikalisch orientierte Modelle heraus, die von Kausal- auf Korrelationszusammenhänge, von Sicherheiten auf Wahrscheinlichkeiten und von einem statischen auf einen dynamischen Zeitablauf umschalten.
Im Umgang mit Bewölkungen, so die These dieses Buches, deutet sich deswegen ein Wissen an, das mit unsicheren Verhältnissen umgeht, diffuse Objekte ernstnimmt und eine Vielfalt von möglichen Zukünften antizipiert. In einer reflexiven Wendung konstituiert sich das Wissen dadurch selbst nicht mehr als fortschreitende Sammlung und Ordnung, sondern als ständige dynamische Umordnung im Wechselspiel von Differenz und Diffusion, Aufklärung und Bewölkung.
Anmerkung der Redaktion: literaturkritik.de rezensiert grundsätzlich nicht die Bücher von regelmäßigen Mitarbeitern der Zeitschrift, Angehörigen der eigenen Universität oder aus dem Verlag LiteraturWissenschaft.de. Diese Bücher können hier jedoch gesondert vorgestellt werden.
|
||