Philosophische Plattitüden und Vorurteile

Günter Fröhlichs „Philosophische Etüden“ sind alles, was der Fall ist – und gar nichts davon

Von Dafni TokasRSS-Newsfeed neuer Artikel von Dafni Tokas

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Um fair zu bleiben, sollte man sich zunächst vor Augen führen, was in den 24 Etüden, die Günter Fröhlich in seinem Band Der Affe stammt vom Menschen ab! präsentiert, eigentlich passiert. Seine Texte sind, wie der Autor anfangs ausführlich erläutert, nicht als hermeneutische Übungen zu verstehen. Originell ist, dass Fröhlich die philosophische Etüde zur Methode erhebt, um Vorurteilen und beliebten Diktaten auf die Schliche zu kommen, und dass er dabei zugleich das Denken-Üben vorführt und ermöglicht. Er dreht die Diktate einfach um und schaut, was passiert, wenn man in ihrem Sinne oder gegen sie argumentiert. Sätze wie „Gehirne arbeiten wie Computer“, „Der Mensch ist ein rationales Wesen“, „Die Physik sagt uns, wie die Welt aussieht“ und „Moral ist relativ“ stellt der Autor in Frage, indem er die Gründe dieser beschränkten Aussagen untersucht.

Doch macht er das weder tiefgründig noch erkenntnisbringend. Wenn Sie einen leichtfüßigen Einstieg in philosophische Fragen suchen, sind die Etüden eine gute Wahl, denn die Schreibversuche behandeln ausschließlich Themen, die bereits komplexer und elaborierter in der Philosophiegeschichte austariert und diskutiert wurden. Wir müssen uns also ernstlich fragen, was der Autor eigentlich von uns möchte. Und wer „uns“ ist. Es ist ja nicht so, als müssten Philosoph*innen erst jetzt das Denken üben und als sei bis jetzt im philosophischen Business etwas komplett anderes gemacht worden. Wenn man Fröhlichs Erläuterungen des Wahrheitsbegriffs oder der kantischen Ästhetik liest, kann man sich des Eindrucks nicht verwehren, dass es sich hier um ein Buch für Einsteiger*innen nicht in die Philosophie, sondern des Denkens überhaupt handelt.

Mit halbherzig formulierten, laschen Definitionsversuchen um sich zu werfen, rettet das ganze Vorhaben indes nicht. Denken und Nachdenken seien genuin menschliche Fähigkeiten, findet Fröhlich. Der Mensch sei ein Lebewesen, das handele und sich durch sein Handeln verändere. Punkt. Was wohl Kultur-, Neuro- und Sozialwissenschaftler*innen zu einer solchen Plattitüde sagen würden? Juckt es den Vertreter*innen der Animal Studies und der zeitgenössischen Philosophie beim Lesen nicht schon in den Fingern? Den Menschen mache zum Menschen, behauptet Fröhlich des Weiteren, was man in der Natur nicht finde: Da ist er wieder, der alte Kultur-Natur-Unterschied. Das Problem an diesen Etüden ist, wie man an diesen Beispielen sieht, dass man sie verschieden auslegen kann. Wenn der Autor schreibt, dass das spezifisch Menschliche nichts mit den biologischen Vorfahren des Menschen zu tun habe, dann meint er das entweder genau so, oder er verweist implizit darauf, dass die Kategorie „Mensch“ eine inkonsistente, weil auf kulturellen Konstrukten beruhende Schublade ist. Wir wissen es nicht, und er geht darauf nicht weiter ein, sondern beendet seine erste Etüde genau mit diesen Worten – und wir verbleiben im Nichts. So geht es fröhlich weiter.

Zugegebenermaßen sind die Etüden trotzdem zuweilen gewitzt. Der Autor versteht es, elegant und teilweise ironisch an dem ein oder anderen beliebten populärwissenschaftlichen Diktum zu arbeiten, ohne es ganz zu zerschmettern. Dennoch wäre es nett, wenn Fröhlichs Kenntnis philosophischer Diskussionen – insbesondere um das Wesen des Menschen, sollte es dasselbe geben – künftig über die Renaissance hinauswüchse. Wenn das Mittelalter nicht dunkel war, sagt Fröhlich, dann war es hell. Strahlend hell. Golden. Auch die saloppe Darstellung Ludwig Wittgensteins in Etüde Nr. fünf ist ziemlich anmaßend.

Am Ende noch Tiefsinn evozieren zu wollen, wenn man fragt: „An welcher Stelle ist die Luft, die wir atmen, noch die Luft der Umgebung und dann die unseres eigenen Blutsauerstoffs? Sind wir die Moleküle, die in uns zirkulieren?“, ist doch etwas erbärmlich. Manche lassen solche Überlegungen einfach in ihrem jugendlichen Zettelkasten liegen, freuen sich, wenn sie eines Tages beim Wiederauffinden des Zettelkastens feststellen, dass sie damals doch eine „philosophische Ader“ hatten, und grinsen dumm und stolz. Entweder schämen sie sich dann in adäquater Weise und werfen das Gekritzel weg oder sie schicken ihr Fundstück an einen Verlag. Aber irgendwie muss Fröhlich schließlich Geld machen, wenn es mit der berühmten Klage beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof nicht klappt.

Das Wichtigste zuletzt: Affen können durchaus schwimmen lernen, auch wenn Fröhlich das Gegenteil in seinem ersten Essay Der Mensch stammt vom Affen ab! behauptet. Irgendwie, so der Autor weiter, seien schwimmende Affen aber „rein logisch“ eher Menschen, weil Affen ja schließlich nicht schwimmen können. Bei solchen und ähnlichen Unterbestimmungen bleibt der Autor leider bis zuletzt – schade.

Titelbild

Günter Fröhlich: Der Affe stammt vom Menschen ab. Philosophische Etüden über unsere Vorurteile.
Felix Meiner Verlag, Hamburg 2016.
341 Seiten, 7,95 EUR.
ISBN-13: 9783787329885

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