Die Herrin des Nietzsche-Archivs. Ulrich Sieg macht die Lesenden mit Elisabeth Förster-Nietzsche und ihrer Welt bekannt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ulrich Sieg ist in den vergangenen Jahrzehnten wiederholt mit Buchveröffentlichungen hervorgetreten, welche die Erforschung der deutschen Philosophiegeschichte in den Jahrzehnten vor und nach 1900 vorantrieben. So hat der Marburger Historiker etwa über „deutsche Philosophen zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus“ und den „Aufstieg und Niedergang des Neukantianismus“ namentlich der Marburger Schule publiziert. Veröffentlichungen zum deutschen Antisemitismus dieser Zeit traten hinzu, so beispielsweise im Jahr 2007 eine biografische Studie über „Deutschlands Propheten“ Paul de Lagarde und die Ursprünge des modernen Antisemitismus.

In seiner jüngsten Publikation nimmt Sieg Elisabeth Förster-Nietzsche und ihre Welt in den Blick und verknüpft in dem wiederum biografisch angelegten Buch die Themenschwerpunkte seiner bisherigen Veröffentlichungen, war die Schwester Friedrich Nietzsches doch nicht nur eng mit einem der prominentesten Philosophen ihrer Zeit verwandt, sondern auch mit dem glühenden Antisemiten und Kolonisten Bernhard Förster verheiratet. Zudem reichen die umtriebigen Aktivitäten der 1846 geborenen und 1935 verstorbenen „Herrin des Nietzsche-Archives“ vom Kaiserreich bis in den Nationalsozialismus hinein.

Sieg stellt Förster-Nietzsche als „eine Frau mit vielen Begabungen und einem starken Willen“ vor, die in ihrer machiavellistischen Art nicht vor mittels „Wasser, Schere oder Feuer“ bewerkstelligten Fälschungen nachgelassener Manuskripte und Briefe ihres Bruders sowie vor Lügen zurückschreckte, wenn es darum ging, ihre Macht über dessen philosophisches Erbe zu erhalten, seinen und ihren eigenen Ruhm zu mehren und die Nietzsche-Rezeption in ihrem Sinne zu lenken. Auch hängte sie, falls nötig, „ihr Mäntelchen in den Wind“ – und sei es, dass es sich um den von den Nazis entfachten Sturm handelte.

Für seine in der Beurteilung Elisabeth Förster-Nietzsches differenzierte Biografie hat Sieg zahlreiche bislang unbekannte Dokumente ausgewertet und sich selbst zu den Lebensstationen seiner Protagonistin begeben. So hat er nicht nur die Dokumente in den Beständen des Weimarer Nietzsche-Archivs der Villa Silberblick studiert, sondern auch Forschungsreisen etwa in die noch heute existierende Kolonie Nueva Germania in Paraguay unternommen.

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Titelbild

Ulrich Sieg: Die Macht des Willens. Elisabeth Förster-Nietzsche und ihre Welt.
Hanser Berlin, Berlin 2019.
430 Seiten, 26,00 EUR.
ISBN-13: 9783446258471

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