Im Pfarrhaus ist der Teufel los
Mit „Guter Rat kann tödlich sein“ legen Christiane Fuckert und Christoph Kloft einen sympathischen Lokalkrimi vor
Von Etienne Graf von Kalckreuth
Der Dom, das Haus der sieben Laster, die berüchtigte Bischofsresidenz und der Christkindelmarkt – das ist Limburg an der Lahn. Es ist November und zunächst verläuft alles normal in einem sanierungsbedürftigen Pfarrhaus, in dem man sich auf die Adventszeit vorbereitet. Hier leben seit über vierzig Jahren die resolute Haushälterin Klara Schrupp und der katholische Pfarrer Willem van Kerkhof. Die Routine bestimmt ihren Alltag, in dem es hauptsächlich um den Erhalt der Ordnung durch die Haushälterin geht. Der geregelte Ablauf wird jedoch plötzlich aufgehoben, als ein Stein durch eines der Fenster fliegt und den Geistlichen fast verletzt. In der Folge geschehen eine Reihe von Attentaten, welche van Kerkhof zum Ziel haben und von Mal zu Mal gefährlicher werden. Dem entgegen steht Schrupp, die versucht, ihren Chef mit allen ihr möglichen Mitteln zu beschützen. Letztlich wird klar, dass die Vergangenheit und der titelgebende gute Rat Kerkhof einholen und bedrohen.
Christiane Fuckert und Christoph Kloft ist ein sympathischer Lokalkrimi gelungen, dem etwas mehr Tiefe gleichwohl gutgetan hätte. Besonderes Gewicht liegt auf der Ausgestaltung der Figuren. Die kauzige Schrupp sticht dabei hervor. Eine standfeste alte Dame, die vehement darauf besteht, als Fräulein angeredet zu werden, da sie dies als eine Art Ehrentitel versteht. Die erzkonservative, katholische Frau aus der Provinz ist wirklich gut gelungen – fast so gut, dass sie stereotypisch wirkt. In jeder Situation hat die Haushälterin einen markigen Spruch parat. Obgleich sie nicht übermäßig gebildet wirkt, kennt sie die Bibel und besitzt eine gewisse Lebensklugheit. Fehler kann sie kaum zugeben, und wenn sie es muss, so weist sie im selben Atemzug deutlich auf die Fehler ihres Gegenübers hin. Selbst nach fast einem halben Jahrhundert Zusammenleben siezt sie van Kerkhof und redet ihn mit „Herr Pfarrer“ an. Dieser merkt an, Fräulein Schrupp sei „katholischer als der Papst“. Eine Einschätzung, der man gerne zustimmen möchte. Die Persönlichkeit der Haushälterin ist von Dominanz und Fürsorge geprägt, dabei neigt sie gerne zur Doppelmoral. Natürlich darf ihr eine übersteigerte Neugierde gegenüber den Belangen anderer Leute sowie ein Misstrauen gegenüber „Fremden“ nicht fehlen. Unter all der Strenge und Ordnungsliebe steckt jedoch eigentlich ein Herz aus Gold.
Pfarrer Willem van Kerkhof ist ihr Gegenpol. Der aus den Niederlanden stammende Geistliche ist von entspannter Natur und genügsam. Es macht ihm nicht die gleichen Sorgen wie seiner Haushälterin, dass das Pfarrhaus sanierungsbedürftig ist. Er genießt es, wie Schrupp sich verhält und kann es sich ab und an nicht verkneifen, sie mit ihren Zwängen zu necken. Van Kerkhof ist vergesslich und etwas nachlässig, womit er immer wieder unabsichtlich die Ordnung seiner Mitbewohnerin stört, was diese ihm schnell vergilt. Die beiden Figuren bedingen sich gegenseitig. Es wird früh klar, dass sie in einer Art Hassliebe zueinander stehen. Van Kerkhof siezt Klara ebenfalls, spricht sie aber mit Vornamen an. Beim Lesen des Buches erwartet man immer wieder, dass sie sich doch bald ihre Zuneigung bekennen müssten, da sie ohnehin wie ein altes Ehepaar erscheinen. Es bleibt jedoch bei einer platonischen Liebe. Ebenso, wie der Geistliche seine Haushälterin benötigt, um Ordnung und Richtung zu finden, benötigt sie ihn, um Ausgleich und Mäßigung zu erhalten.
Guter Rat kann tödlich sein steckt voller intertextueller Verweise auf Agatha Christies Roman Murder at the Vicarage (Mord im Pfarrhaus) – ein Klassiker des Kriminalliteratur, welcher gleichzeitig der „Geburtsort“ von Miss Marple ist. Pfarrhaus, Pfarrer und das kauzige Fräulein als Ermittlerin rufen Christies Text sofort auf den Plan. Die Figur der Klara Schrupp kann dabei als Hommage an die englische Vorlage gelesen werden. Während des Lesens wird jedoch offensichtlich, dass das Fräulein die Fußstapfen der Miss nicht auszufüllen vermag, auch wenn man ihren Versuch durchaus anerkennen muss.
Die Erzählstruktur des Krimis ist geradlinig. In 18 übersichtliche Kapitel gegliedert, entfaltet sich der Fall nachvollziehbar. Nach mehreren Anschlägen auf van Kerkhof, die teilweise auch die Haushälterin treffen, wird klar, dass jemand ihm nach dem Leben trachtet, bis es schließlich zum Showdown kommt. Durch die ansprechende Figurendarstellung entsteht ein Krimi, der einigen Lesespaß bereitet.
Das Buch leidet jedoch auch unter einigen Schwächen. Die schöne Lahnstadt wird zwar beschrieben und wichtige Wahrzeichen werden aufgerufen, die Beschreibung bleibt jedoch eher schablonenhaft und hätte mehr Raum erhalten können. Der Ort – welcher durch seine prominente Präsenz im Buch eine wichtige Rolle einnimmt – wäre so greifbarer geworden, zumal die Autoren aus Limburg beziehungsweise der Umgebung stammen und die Stadt kennen sollten. Obwohl die Figur der Klara Schrupp gut gelungen ist, nimmt sie einen zu großen Raum ein. Phasenweise beschleicht den Leser das Gefühl, dass er allmählich verstanden habe, wie ordnungsliebend, dominant und neugierig sie ist. Insgesamt hätten die Dialoge zwischen den beiden Hauptfiguren nicht derart viel Raum benötigt. Ihr Charme wird nämlich auch zu ihrem Verhängnis: sie sind von einer Routine geprägt, die auf Dauer berechenbar wird.
Auch dem Kriminalfall hätte weitere Ausgestaltung gutgetan. Es kommt zu wenig Spannung und Freude am Rätseln über den Täter auf. Die verhaltenen Reaktionen des Priesters und der Haushälterin auf die Anschläge, die auf sie ausgeübt werden, muten zum Teil absurd an. Es ist wenig nachvollziehbar, dass Menschen, die derart ungestört leben, so gelassen auf eine Bedrohung reagieren. Eine etwas komplexere Struktur in Bezug auf Verdächtige und Tatmotive wäre wünschenswert gewesen. Guter Rat kann tödlich sein ist ein ordentlicher Krimi, der besonders von der Ausgestaltung der Protagonisten lebt. Dies zeugt von einem guten Gespür für einen bestimmten Typus Mensch, wie er in vielen hessischen Ortschaften zu finden ist. Hätte das Autorenduo den 157 Seiten noch einmal 100 Seiten hinzugefügt und die genannten Schwächen dabei ausgeglichen, wäre sicherlich ein größeres Lesevergnügen entstanden und man hätte der Stadt Limburg einen höheren Tribut zollen können.
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