Harmloser Krimi, gefährlicher Unterton

Das Einzige, was in Walter Laufenbergs Krimi „Tödliches Einmaleins“ wirklich erschreckt, sind die Witze der Hauptfigur

Von Rebekka SonsRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rebekka Sons

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Man kann Walter Laufenbergs „historischem Krimi“ Tödliches Einmaleins vieles vorwerfen, nicht aber, er sei nach dem üblichen Schema F aufgebaut. Im Gegenteil – in der Geschichte geht es weder in erster Linie um einen Mordfall noch um dessen Aufklärung. Stattdessen sieht man dem Protagonisten Clemens Perkeo dabei zu, wie er täglich unzählige Flaschen Wein leert, seine Verlobte betrügt und, mit Verlaub, schlechte Witze reißt.

Perkeo ist der Hofnarr am Heidelberger Schloss im Jahre 1718. Er genießt den Respekt seines Herrn Karl Philipp, das Recht, jeden Witz zu machen, der ihm in den Sinn kommt, und den Zugang zum höfischen Weinkeller. Als ein Student erstochen wird, der wenige Tage zuvor noch zur Audienz am Hof war, wird Perkeo mit der Ermittlung beauftragt. Diese aber geht nur schleppend voran. Zu Beginn wird der Fokus zwar noch auf den Fall gelegt, echtes Interesse an der Aufklärung aber kommt bei Perkeo nie auf. Geschweige denn beim Leser. Vielmehr werden unzählige Episoden eingeschoben, die zeigen, welchen Schalk der Hofnarr mit seinen Mitmenschen treibt. Das soll lustig sein, reicht aber meist kaum zu einem Schmunzeln. Der eigentliche Fall birgt nur wenig Spannung: Eher beiläufig werden neue Fakten aufgedeckt, die Figurenkonstellation bleibt überschaubar, die Tatmotivationen scheinen unrealistisch, die Täter gestehen alles nach wenigen Minuten.

Immerhin ist die Vorlage historisch. Clemens Perkeo war im 18. Jahrhundert tatsächlich Hofnarr des Kurfürsten Karl Philipp von der Pfalz am Heidelberger Schloss. Der Legende nach benötigte Karl Philipp, während er den Tod um Frau und Tochter betrauerte, ein wenig Aufmunterung, und so erzählte ihm ein Hofbeamter von dem trinkfesten Spaßmacher Clemens. Karl Philipp ließ den kleinwüchsigen Mann zu sich rufen, der ihn nicht nur mit seiner frechen Schlagfertigkeit und seinem klugen Witz beeindruckte, sondern auch locker unter den Tisch trank. Unverzüglich wurde Perkeo als Hofnarr eingestellt. Noch heute zeugt eine Statue am Gasthaus Perkeo in Heidelberg von der Beliebtheit des Hofnarren.

Doch trotz aller Legendenbildung und lustigen Geschichten ist die Figur als Ausgangspunkt für einen Roman denkbar ungeeignet. Zumindest wenn man dabei so sehr an der Oberfläche bleibt wie hier. Denn selbst im Roman interessiert sich Perkeo nur für Späße, Wein und Frauen. Auch alle anderen Charaktere sind typenhaft gezeichnet: Der Juraprofessor ist arrogant, der Pfarrer verklemmt, die Frauen sind schön.

Besonders die Frauenfiguren sorgen für Irritation: Zum einen ist da Dorothee, die Verlobte Perkeos, die offenbar nur in ihrem Zimmer sitzt und auf Perkeos Willigkeit wartet. Taucht dieser auf, überschüttet sie ihn erst mit Vorwürfen, um ihm dann alles zu vergeben, sobald er sie ins Bett zieht. Dabei hätte sie jedes Recht auf ihre Wut, denn ihr Verlobter ist weder loyal noch treu, schläft nebenbei mit Aurelia, der Geliebten des Mordopfers, und zollt Dorothee keinerlei Respekt. Aurelia dagegen ist erstaunlich selbstbewusst, nach wenigen Tagen über den Tod ihres Geliebten hinweg und ohne jeden Tiefgang. Jegliche Anachronie missachtend, treibt sie sich in der Stadt herum und lädt Perkeo zu sich ins Schlafzimmer ein. Was folgt, wird auch hier nur seltsam anzüglich angedeutet.

Nie jedoch klingt Kritik an Perkeos doppeltem Spiel an. Er bleibt immer Sympathieträger, kann sich alles erlauben und jede haben. Später verhält sich besagter Juraprofessor einem jungen Mädchen gegenüber eindeutig übergriffig. Auch das soll witzig sein, ist aber nur obszön und flach. Damit wird Tödliches Einmaleins schockierend aktuell. Denn es sind eben jene bagatellisierten, oftmals unter dem Deckmantel der Neckerei getarnten sexuellen Übergriffe, die seit 2017 unter #MeToo weltweit angeprangert werden. Dass es in gewissen humoristischen Milieus wohl immer noch üblich ist, wie Laufenberg Szenen zu fingieren, in denen Männer ihre Machtpositionen ausnutzen, um vermeintlich namenlose Mädchen folgenlos und von einem Augenzwinkern begleitet anzufassen, ist höchst problematisch. Das Zusammenspiel von Männer- und Frauenfiguren ist mithin das Ärgerlichste an dem Roman. Denn wäre er einfach nur schlecht geschrieben und mäßig spannend, oberflächlich und gespickt mit schlechten Witzen, könnte man sich damit trösten, dass die Verkaufszahlen wahrscheinlich so begrenzt bleiben wie der Humor der Hauptfigur. Die Herabwürdigung der Frauen aber, die ganz beiläufig und selbstverständlich geschieht, empört so sehr, dass es unmöglich ist, den Roman als mittelmäßigen Heidelberger Lokalkrimi abzutun.

Titelbild

Walter Laufenberg: Tödliches Einmaleins. Ein historischer Heidelberg-Krimi.
Morio Verlag, Heidelberg 2017.
165 Seiten, 12,95 EUR.
ISBN-13: 9783945424636

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