Toter Guru im Papierhaus
In Robert Thorogoods Roman „Mord im Paradies“ geht es um eine mörderische Trance, die auch die Leserschaft in einen Dämmerzustand versetzt
Von Jeanine Hunold
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseFünf Teilnehmer, fünf potentielle Mörder: Ausgerechnet das Entspannungsresort von Rianka und Aslan wird zum Schauplatz eines Mordes. Beim Sunrise-Healing in einer Meditationshalle wird der Guru Aslan tot aufgefunden. Alle Verdächtigen befinden sich zur Tatzeit in einer tiefen Trance. Ein Mordgeständnis lässt nicht lange auf sich warten – Julia ist fest davon übezeugt, ihr Vorbild inmitten der Meditation kaltblütig erstochen zu haben. Doch lässt sich bereits zu Anfang erraten, dass die Geständige nicht die ist, nach der Detective Inspector Richard Poole und seine Kollegen Camille, Dwayne und Fidel suchen.
Inspector Poole ermittelt auf der karibischen Insel Saint-Marie gegen den Mörder, der in einem Haus aus Papierwänden zugeschlagen hat. Schnell wird deutlich, dass einer der fünf Teilnehmer der Täter sein muss. Doch der Fall macht aufgrund der heißen Temperaturen nicht nur dem Detektiv zu schaffen. Auch der Leser gerät angesichts der systematischen Abhandlungen ins Schwitzen. Ein wiederkehrendes Ermittlungsmuster wird sichtbar, das eintönige Befragungen nach möglichen Motiven für die Tat schlicht aneinanderreiht. Abwechselnd werden Ann, Paul, Saskia und Ben verdächtigt. Ehe sie im nächsten Moment aber nicht in Frage kommen und kategorisch ausgeschlossen werden, rücken sie dann doch wieder als Tatverdächtige in den Mittelpunkt der Befragungen. Spannung erzeugt der Fall „Mord im Urlaubsparadies“ so jedenfalls nicht.
Robert Thorogoods vierter Kriminalroman Mord im Paradies entspringt der Fernsehserie Death in paradise. Die Drehbücher zur Serie hat ebenfalls Thorogood geschrieben. Es entsteht der Eindruck eines Experiments, das das erfolgreiche TV-Format aus mittlerweile acht Staffeln in eine Buchreihe übertragen hat. Der Versuch, die Idee des eher skurrileren Falles zu verschriftlichen, ist unglücklich umgesetzt. Trotz der originellen Ausgangsidee gelingt es dem Roman nicht, den Charme des aus der Serie vertrauten ungleichen Ermittlerduos Richard und Camille in Schriftform zu überführen. Die Handlung wird eher künstlich in die Länge gezogen, wenn die Eigenarten Richards ein ums andere Mal in die Erzählungen eingebunden werden. Was die bewegten Bilder der TV-Serie unkommentiert zur Schau stellen, wirkt im Text eher sperrig.
Unentwegt wird der Kontrast betont zwischen dem britischen Detektiv, der sich selbst bei unerträglicher Hitze in seinen Anzug zwängt, und dem karibischen Urlaubsflair, das seine Kollegen fest im Griff hat und das Tempo auf der Suche nach dem Mörder drosselt. Immerhin verleiht er dem Roman einen Hauch Selbstironie. Neben der fortwährenden Exponierung des Umstandes, dass der britische Detektiv nicht wirklich in seine tropische Umgebung passt, hätte die Detailverliebtheit des englischsprachigen Autors reduziert werden dürfen. So werden tatsächlich mehrfach die Whiteboard-Notizen, die pingelig den Tathergang rekonstruieren zu versuchen, wortwörtlich in den Text eingebaut.
Immer wieder beschäftigt sich die Detektivcrew mit der Unmöglichkeit des Verbrechens. Dabei wird fast bis zum Schluss beinahe nur das nach außen abgeschlossene Papierhaus berücksichtigt, das Umfeld hingegen wird anfangs gänzlich vernachlässigt. Das zumindest lässt den Leser geradezu verzweifeln. Erst am Ende der Handlung wachen Richard und sein Team aus ihrer Ermittlungs-Trance auf, die ihre Blicke seitenlang eingeschränkt hat. Man könnte fast meinen, dass dies mit dem spirituellen Tatort im Urlaubsresort zusammenhängt. Entgegen der genauen Beachtung von Hinweisen, die auch eine Reißzwecke nicht unbeachtet lässt, ist die Auflösung des Falls schließlich unpassend. Zwar überwiegt die Erleichterung, dass Poole dem Mörder nun endlich auf die Schliche gekommen ist, doch verwirrt die Logik des aufgedeckten Mordes. Der aufmerksamen Leserschaft dürfte ein bestimmtes Detail jedenfalls nicht entgangen sein, das der Entlarvung des wahrhaftigen Täters irgendwie widerspricht.
Auch wenn das Cover seichte Kriminalunterhaltung am Strand verspricht: Statt dem Ermittlungsverfahren von Richard zu folgen, besteht die Gefahr, sich lieber dem sanften Meeresrauschen hinzugeben und genau wie die Verdächtigen in einen tiefen Schlaf zu fallen. Da kann einen auch das unbefriedigende Romanende nicht wecken.
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