Zum 120. Geburtstag von Erich Kästner

Hinweise aus dem Archiv von literaturkritik.de und auf Kästners Bedeutung für die erste Ausgabe vor 20 Jahren

Von Thomas AnzRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Anz

„Zum Themenschwerpunkt haben wir Erich Kästner gewählt. Am 23. Februar 1999 wäre er hundert Jahre alt geworden.“ Das stand vor zwanzig Jahren am Anfang der ersten Ausgabe von literaturkritik.de. Seitdem sind etwa dreißig Beiträge über Kästner in unserer Zeitschrift erschienen, der letzte in dieser Ausgabe. Damals war gerade die Kästner-Ausgabe des Hanser Verlags in neun Bänden erschienen. Mitarbeiter von literaturkritik.de waren an der Edition beteiligt, haben in der Zeitschrift auch später wiederholt über Kästner geschrieben und beteiligen sich gerade an einer Tagung, die zum 120. Geburtstag Kästners im Münchner Lyrik Kabinett stattfindet.

Vor der ersten Ausgabe erschien im Dezember 1998 eine „Null-Nummer“ von literaturkritik.de zur Probe. In ihr stand ein Rätsel: ein Teil der Rezension eines nicht genannten Kritikers zu Kästners Roman Fabian. In der Rezension steht:

Dieses Buch ist nichts für Konfirmanden, ganz gleich, wie alt sie sind. Der Autor weist wiederholt auf die anatomische Verschiedenheit der Geschlechter hin. Er läßt in verschiedenen Kapiteln völlig unbekleidete Damen und andere Frauen herumlaufen. Er deutet wiederholt jenen Vorgang an, den man, temperamentvollerweise, Beischlaf nennt. Er trägt nicht einmal Bedenken, abnorme Spielarten des Geschlechtslebens zu erwähnen. Er unterläßt nichts, was die Sittenrichter zu der Bemerkung veranlassen könnte: Dieser Mensch ist ein Schweinigel.

Die Rezension, die wir nur zum Teil abdruckten, sollte auch ein Beispiel dafür sein, dass die in literaturkritik.de erscheinenden Buchbesprechungen nicht immer mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen müssen. Dass sie von Kästner selbst stammte, haben wir dann in der Februar-Ausgabe verraten. Er parodierte hier den Stil einer empörten Kritik.

Dies betrifft den Themenschwerpunkt unserer Februar-Ausgabe zwanzig Jahre später: die Literaturkritik, die wir mit der Zeitschrift seit 1999 nicht nur praktizieren, sondern auch zum Gegenstand wiederholter Untersuchungen und Problematisierungen machen.

Aber noch mit einem anderen Aspekt war Kästner vor 20 Jahren für die neue Zeitschrift relevant. Ein längerer Beitrag unseres Mitarbeiters Eberhard Bürger hob Kästners bemerkenswert frühen und vielseitigen Umgang mit den damals neuen Medien hervor. Damit war er für den 1999 noch innovativen Versuch, eine literaturkritische Zeitschrift im Internet zu etablieren, ein Vorbild. Eberhard Bürger ging in diesem Zusammenhang auch dem Wechsel der Namen nach, mit dem es Kästner immer wieder gelang, die Öffentlichkeit zu täuschen und Konflikte zu bewältigen – ein Phänomen, das im 21. Jahrhundert bei Veröffentlichungen im Internet immer häufiger anzutreffen war. Kästner gab sich u.a. als Eberhard Foerster oder Berthold Bürger aus. War er auch damit für Eberhard Bürger und andere Mitarbeiter von literaturkritik.de ein Vorbild?

Wie auch immer: Veröffentlichungen unter Pseudonymen sind in literaturkritik.de inzwischen verpönt. Aber die Wertschätzung Kästners hält an. So ist sein 120. Geburtstag jetzt ein willkommener Anlass zu folgender Übersicht der in literaturkritik.de  erschienen Beiträge über ihn:

Erich Kästner.
Ein Kapitel aus „Mein Leben“ (1999)
Von Marcel Reich-Ranicki
Ausgabe 02-2019

Spurensuche.
„Wir leben noch“ ist eine collagenartige Annäherung Sven Hanuscheks an den Feuersturm von Dresden und das Schicksal dreier Zeitzeugen: Ida und Erich Kästner sowie Kurt Vonnegut
Von Johanna Manger
Ausgabe 02-2019

Haftende Verse.
Erich Kästners Gedichte bleiben aktuell – das zeigt eine Neuausgabe von „Ein Mann gibt Auskunft“
Von Erhard Jöst
Ausgabe 11-2015

Literarische Einblicke in eine bewegte Epoche.
Die Wiederentdeckung von Erich Kästners Erzählungen
Von Erhard Jöst
Ausgabe 10-2015

Kästner auf Speed.
Thomas Brussig entwirft in seinem neuen Roman „Das gibts in keinem Russenfilm“ ein Leben in der fortbestehenden DDR
Von Markus Joch
Ausgabe 05-2015

Er hat das kulturelle Gesicht Berlins mitgeprägt.
Michael Bienert spürt den literarischen Schauplätzen Erich Kästners in Berlin nach
Von Klaus Hammer
Ausgabe 02-2015

Zum 40. Todestag von Erich Kästner: aus dem Archiv von literaturkritik.de
Ausgabe 08-2014

Der Dichter der kleinen Freiheit.
Ein Essay über Erich Kästner aus dem Jahr 1974
Von Marcel Reich-Ranicki
Ausgabe 08-2014

Alter Wein.
Über Erich Kästners „Der Gang vor die Hunde“
Von Roman Halfmann
Ausgabe 01-2014

Gereimte Wochenkommentare.
Erich Kästners bissige Anmerkungen zur Weimarer Republik
Von Manfred Orlick
Ausgabe 11-2012

Zur Bibliografie Erich Kästners.
Johan Zonneveld hat ein grundlegendes Standardwerk zu dem Schriftsteller veröffentlicht
Von Tobias Kurwinkel
Ausgabe 02-2012

Ein Moralist in unmoralischer Zeit?.
Bei Haffmans sind Erich Kästners Romane für Erwachsene in einer handlichen Ausgabe erschienen
Von Klaus Hammer
Ausgabe 10-2011

„Das Blaue Buch“ oder Der Dichter als Zeitzeuge.
Zu Erich Kästners Kriegstagebuch und seinen unveröffentlichten Roman-Notizen
Von Horst Schmidt
Ausgabe 10-2006

Lyrik für alle!.
Remo Hug hat die erste umfassende Studie über Erich Kästners Lyrik geschrieben
Von Stefan Neuhaus
Ausgabe 08-2006

Die liebende „Fliege am Leimband“.
Erhart Kästners dramatischer Dienst für Gerhart Hauptmann
Von Rolf-Bernhard Essig
Ausgabe 06-2006

Der Karneval des Kaufmanns.
Erich Kästners publizistische Texte aus der Leipziger Zeit – erstmals herausgegeben von Klaus Schuhmann
Von Heike Nieder
Ausgabe 07-2005

Der Kästner von heute.
Sven Hanuscheks zweite Biografie des neusachlichen Autors
Von Stefan Neuhaus
Ausgabe 01-2005

Aspirin und Lyrik.
Gert Fröbe liest aus Doktor Erich Kästners „Lyrischer Hausapotheke“
Von Britta Waltmans
Ausgabe 04-2003

Poesie im Alltagsgewand.
Ein weiteres Tonporträt über Erich Kästner
Von Doris Betzl
Ausgabe 04-2003

Der doppelte Emil.
Ein Erich Kästner-Hörbuch von Franz Josef Görtz und Hans Sarkowicz
Von Julia-Charlotte Brauch
Ausgabe 09-2002

Stefan Neuhaus über Erich Kästners verschwiegene Werke und seine Pseudonyme
Ausgabe 11-2000

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.
Teofila Reich-Ranicki illustriert Kästner
Von Sabine Klomfaß
Ausgabe 05-2000

Zu Erich Kästners 100. Geburtstag
Ausgabe 01-1999

Billy und die Detektive.
Die Filmfassung von Erich Kästners berühmtem Kinderroman „Emil und die Detektive“
Von Stefan Neuhaus
Ausgabe 02-1999

Erich Kästners verwirrender Wechsel der Medien und der Namen.
Aus Anlaß einiger Veröffentlichungen zu Kästners 100. Geburtstag
Von Eberhard Bürger
Ausgabe 01-1999

„Das erste Buch bleibt nicht das letzte!“.
Die neue Kästner-Werkausgabe
Von Thomas Betz
Ausgabe 01-1999

Kennen Sie Kästner? Hier werden Sie ihn kennenlernen!.
Noch vor dem 100. Geburtstag von Erich Kästner am 23. Februar 1999 sind drei neue Biographien erschienen
Von Stefan Neuhaus
Ausgabe 01-1999

„Münchhausen“ war kein Propagandafilm.
Ingo Tornows wichtiges, aber bisher weitgehend unbekanntes Buch über „Erich Kästner und der Film“ ist jetzt bei dtv erschienen
Von Stefan Neuhaus
Ausgabe 01-1999

Parole Verdrängung.
Vergessene Erzählungen Erich Kästner
Von Geret Luhr
Ausgabe 01-1999

Kästner im Taschenbuchformat
Ausgabe 01-1999

Abnorme Spielarten des Geschlechtslebens.
Zu Erich Kästners Roman „Fabian“
Von Thomas Anz
Ausgabe 00-1998