Self-Fulfilling Prophecy?

Anke Stellings autobiographisch geprägter Roman ist für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert

Von Lea KühnRSS-Newsfeed neuer Artikel von Lea Kühn

Eine Autorin schreibt ein Buch über eine Autorin, deren Buch einen Preis bekommt, und wird mit diesem Buch für einen Preis nominiert: Mit der Aufnahme von Anke Stellings Schäfchen im Trockenen auf die Shortlist des Preises der Leipziger Buchmesse könnte sich ein Teil ihres autobiographisch geprägten Romans bewahrheiten.

Die 1971 im Ulm geborene und in Stuttgart aufgewachsene Autorin lebt heute in Berlin, ebenso wie ihre Protagonistin. Als junge schwäbischstämmige Mutter aus einem linksliberalen Kreativ-Milieu im Berliner Szenekiez Prenzlauer Berg trägt Stelling selbst zum Klischee des Latte-Macchiato-durchtränkten und wohnungspolitisch durchgentrifizierten Stadtbezirks bei. Und genau dieses Themas nimmt sie sich in ihrem aktuellen Roman an, ihre Darstellung ist dabei schonungslos. Bereits im Vorgängerroman Bodentiefe Fenster beschrieb sie die Wohlstandsverwahrlosung und zynische Freiheitsromantik des sich ewig selbstoptimierenden Bionade-Biedermeiers. Im neuen Roman erzählt sie in der Ich-Perspektive von Resi, der nach dem Zerwürfnis mit ihren Freunden die ihr überlassene Wohnung gekündigt wird. Bei Anke Stelling haben sich die Wogen geglättet, nachdem sie ihr Umfeld literarisch brüskiert hatte. Resi, wie Parrhesia – die Redefreiheit, der Mut zur Wahrheit – hat weniger Glück. Sie verhält sich weiter unbequem, verweigert die Gefälligkeit und Demut den besser betuchten Freunden gegenüber und nimmt abgestraft als Nestbeschmutzerin den drohenden sozialen Abstieg in Kauf.

Stelling zeigt sich abermals als genaue Beobachterin, sie weiß, wovon sie schreibt: Nach dem Studium am Leipziger Literaturinstitut ließen erste Erfolge auf sich warten, sie lebte prekär, ihre Texte waren nur schwer unterzubringen. Erst 2015 konnte sie schließlich den Verbrecher Verlag zu ihrem Hausverlag machen und sich mit Bodentiefe Fenster sowie Fürsorge einem breiteren Publikum zugänglich machen. Die Durststrecke ist vorbei, Stelling selbst zeigt sich heute gelassen angesichts der anfänglichen Schwierigkeiten: „Rückblickend kann ich sagen, gut so, ich weiß jetzt, dass ich wirklich schreiben will und es auch unabhängig von Markt und Mechanismus tun kann“. Das Ergebnis dieser Freiheit ist nun im Rennen um den Leipziger Buchpreis. Gut so.

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen