Aus den Erinnerungen eines „Borstal Boy“

Brendan Behans autobiografischer Klassiker zum Wiederentdecken

Von Eva UnterhuberRSS-Newsfeed neuer Artikel von Eva Unterhuber

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Gerade erst 16 Jahre alt ist der junge Ire Brendan Behan, als er im Auftrag der IRA nach Liverpool reist, um auf die dortigen Docks Sprengstoffanschläge zu verüben. Es sind Sabotageakte, zu denen es nie kommen wird, denn der Teenager fliegt noch vor vollbrachter Tat auf und wird umgehend festgenommen. Aufgrund seiner Jugend entgeht er jedoch einer langjährigen Haftstrafe und muss stattdessen für drei Jahre in eine Besserungsanstalt, das sogenannte Borstal.

Dort hat Paddy, wie der Junge aufgrund seiner irischen Herkunft allerseits genannt wird, als IRA-Aktivist bei vielen Wärtern und Insassen denkbar schlechte Karten und läuft beständig Gefahr, als Sündenbock und Außenseiter schikaniert zu werden. Doch er beweist Courage und Charakterfestigkeit, allen widrigen Umständen zum Trotz, und findet so unter seinen Mithäftlingen schließlich Freunde und Vertraute und darf Zuneigung und Solidarität unabhängig von Herkunft, Konfession oder politischer Haltung erleben. All dies schildert der jugendliche Ich-Erzähler mit einer großen Portion widerspenstigem Humor, aber vor allem völlig ungeschönt, ohne je ein Blatt vor den Mund zu nehmen was etwa den rauen Gefängnisalltag betrifft, seine politische Überzeugung als Mitglied der IRA oder seine Kritik an der Position der katholischen Kirche in der sogenannten Irischen Frage.

Ebendieser schonungslose Freimut war dann auch der Grund, warum Borstal Boy, wie Behan seinen auf diesen Jugendjahren basierenden Roman betitelte, bei seinem Erscheinen 1958 prompt verboten wurde – nicht nur in Irland. Der Bekanntheit und dem Erfolg des Buches konnte diese einstweilige Zensurmaßnahme – wenig überraschend – freilich keinen Abbruch tun, sodass Borstal Boy heute nicht nur zu den international bekanntesten Werken Behans zählt, sondern auch weithin als Klassiker der irischen Literatur gilt.

Vor diesem Hintergrund ist die aktuelle Neuauflage bei Kiepenheuer & Witsch in der Übersetzung von Curt Meyer-Clason, die dem rauen, kantigen Originalton Behans ebenso gerecht wird wie den gelegentlichen zarten, melancholischen Einsprengseln, eine gute Gelegenheit für Kenner wie für Neulinge, Behans zugleich radikal-authentischen wie poetisch gefärbten Erinnerungs- und Entwicklungsroman (neu) kennen und schätzen zu lernen und sich (einmal mehr) von den Leiden, Verwirrungen und Bekenntnissen des jungen Brendan gefangen nehmen zu lassen, im besten Sinne des Wortes.

Titelbild

Brendan Behan: Borstal Boy. Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von Curt Meyer-Clason.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2019.
493 Seiten, 12,00 EUR.
ISBN-13: 9783462051889

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