Auch an Land schlagen die Wellen gelegentlich hoch
In seinem neuen Roman „Sleeper“ konfrontiert Mike Nicol seinen Surfer-Detektiv Fish Pescado mit der internationalen Terrorszene
Von Dietmar Jacobsen
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseFish Pescado ist für die Leser des südafrikanischen Bestseller-Autors Mike Nicol kein Unbekannter mehr. In bereits zwei Romanen des 1951 geborenen Autors hatte der gewitzte Kapstädter Detektiv und leidenschaftliche Surfer bisher Auftritte – als unbestrittene Hauptfigur in Bad Cop (2013, deutsch 2015) und in nicht ganz so zentraler Rolle im bisher letzten auf Deutsch erschienenen Nicol-Thriller Korrupt (2016, deutsch 2018). Nun, zu Beginn des dritten Bandes der Reihe um diesen Helden, landet Fish Pescado sogar für 48 Stunden im Gefängnis und braucht wieder einmal dringend die Hilfe seiner ebenso reizvollen wie gelegentlich der Spielsucht verfallenden Freundin, der Anwältin und Ex-Agentin Vicki Kahn.
Aber nicht nur Vicki Kahn und Fish Pescado tauchen als dem Leser bereits gut bekannte Figuren in Sleeper wieder auf. Auch Krista, Heldin des Romans Power Play (2015, deutsch 2016) und Mace Bishop, Kristas Vater und Gründer einer kleinen Security-Firma am Kap, die, nachdem Mace sich zur Ruhe gesetzt hat, die Tochter weiterführt, sind erneut dabei. Und darüber, dass im Hintergrund ein weiteres Mal die beiden Geheimdienstchargen Henry Davidson und Mart Velaze – jener ausdauernd aus Lewis Carrolls Alice im Wunderland zitierend, dieser gelenkt von einer geheimnisvollen Telefonstimme – die Fäden ziehen, dürften eingefleischte Nicol-Leser sich auch kaum wundern. Fazit: Auf der Ebene des Personals ist alles versammelt, um auch aus dem siebenten Thriller Mike Nicols wieder einen jener rasanten, actionreichen und das politische und gesellschaftliche Leben im Nachapartheid-Südafrika gnadenlos durchleuchtenden Romane zu machen, für die sein Erfinder inzwischen ein Copyright zu besitzen scheint.
In Sleeper geht es zunächst um einen ermordeten Kabinettsminister und seine amerikanische Freundin, die sich an Fish Pescado gewandt hat mit der Bitte, ihr dabei zu helfen, den Mordverdacht, der seit der Tat auf ihr lastet, zu entkräften. Dass diese Caitlyn Suarez, offiziell von Kapstadt aus internationale Finanzgeschäfte betreibend, mehr ist als eine schlichte Bankerin, merkt Nicols sympathischer Held (der übrigens in diesem Roman kein einziges Mal zum Surfen kommt) schnell. Spätestens aber, als sein Nachbar und gelegentlicher Angelpartner Flip Nel, als Polizist mit dem Fall um den ermordeten Energieminister Victor Kweza befasst, vor seinen Augen Selbstmord begeht, ahnt Fish, wie bedrohlich die Situation werden kann, in die er da gerade hineinschlittert.
Noch dicker kommt es allerdings für seine Freundin. Der hilft ihr Ex-Boss Davidson zwar bei der Tilgung ihrer nicht gerade niedrigen Pokerschulden. Im Gegenzug aber nötigt er sie, als Freelancerin ein paar Aufgaben für ihn und seine Geheimdienst-Hintermänner zu erledigen. Doch die beiden Iraner, die sie beschatten soll, sind nicht dumm. Und so fliegen Vicki bereits nach kurzer Zeit wieder einmal die Kugeln um die Ohren und sie muss bis zum Ende des Romans beständig um ihr Leben fürchten.
Hochangereichertes Uran wollen iranische Agenten mit Hilfe einiger korrupter Angestellter des Energieministeriums aus Südafrika ausführen. Und um an den zum Atombombenbau benötigten Stoff zu kommen, schreckt man praktisch vor nichts zurück. Allein ein Wissenschaftler der Energiebehörde wird von Gewissensbissen geplagt. Weil er nicht dafür verantwortlich sein will, dass um des Profits einiger verantwortungsloser Ministerialer Willen 10 Kilo des gefährlichen Stoffes die Atommülldeponie Swartputs verlassen und auf geheimen Wegen außer Landes gebracht werden, wird er zum Whistleblower und verrät die Aktion an den südafrikanischen Inlandsgeheimdienst. Dass auch der Islamische Staat sowie israelische und amerikanische Agenten ihre schmutzigen Finger mit im Spiel haben, macht die Sache nicht einfacher.
Einhundert Kapitel hat Mike Nicol diesmal auf knapp 500 Seiten untergebracht. Jedes einzelne beginnt mit der Nennung des Schauplatzes, an dem es spielt, um dann sofort zur Sache zu kommen. Obwohl der Leser ziemlich schnell ahnt, wie der Hase läuft in Sleeper, nimmt das der Spannung nur wenig. Denn wer hier auf welcher Seite steht, wer falsch spielt und welche Geheimdienste hinter den Kulissen ihr jeweiliges Süppchen kochen, wird erst nach und nach klar. Dass es am Schluss wieder einen ordentlich krachenden Showdown gibt, versteht sich bei Mike Nicol natürlich von selbst. Und lose Fäden hat auch dieser Roman genug, so dass man nach der Lektüre geneigt ist, dem Verfasser mit einem Zitat aus des seligen Henry Davidsons Lieblingsbuch zuzurufen: „Wir wollen weiterspielen, sagte die Königin zu Alice. “
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