Zwischen Mordermittlungen und Musikgeschichte

Liza Cody vermischt in ihrem Roman „Ballade einer vergessenen Toten“ die Genres und schickt eine Biografin auf die Suche nach der Wahrheit

Von Lea Sophie Beate WeisRSS-Newsfeed neuer Artikel von Lea Sophie Beate Weis

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Macht der Musik, Erinnerungen hervorzurufen – diesem Einfluss unterliegt auch die Schriftstellerin Amy, als sie den Song einer Frauenband im Radio hört. Frisch getrennt und recht ratlos, was sie mit ihrer neu gewonnenen Freizeit anfangen soll, beschließt sie, die Biografie der Songwriterin Elly Astoria zu schreiben, die vor 20 Jahren entführt, misshandelt und auf brutalste Weise ermordet wurde.

Elly selbst wuchs bei ihrer drogensüchtigen Mutter auf und musste sich schon früh um sich selbst kümmern. Durch ihr Leben zieht sich eine Art Unscheinbarkeit, beginnend von ihrer Schulzeit bis zu ihrem Tod, die nur durch ihr musikalisches Talent unterbrochen wird. Als Straßenmusikerin wird sie von einer Frauenband entdeckt, deren Mitglieder sie unter ihre Fittiche nehmen. Die Verbindung scheint für beide Seiten von Vorteil zu sein: Endlich kümmert sich jemand um Elly und im Gegenzug verhilft diese mit ihrem musikalischen Gespür und ihren Songtexten der Band zu Ruhm.

Doch das Musikgeschäft ist nicht so glänzend und edel, wie es nach außen scheint, und so ruft der Erfolg schnell Missgünstlinge und Ausbeuter auf den Plan. 20 Jahre später ist die Band in Vergessenheit geraten und der Mord an Elly noch immer nicht aufgeklärt. Amy macht sich auf die Suche nach der Antwort und fördert dabei einige Wahrheiten und gut gehütete Geheimnisse zu Tage, die das Leben und den Tod Elly Astorias in ein neues Licht rücken.

Ellys Leben wird in Form von Interviews der Bandkollegen, Abschriften von Polizeiberichten, E-Mails und Notizen beschrieben, wobei die eigentliche Hauptperson stets in den Hintergrund tritt. Jeder scheint lieber sein eigenes Leben beschreiben zu wollen als das der Ermordeten, und so wird diese wieder einmal das, was ihr komplettes Leben gewesen zu sein scheint: unscheinbar.

Liza Cody wurde 1944 in London geboren, studierte Kunst und arbeitete unter anderem als Malerin, Fotografin und Möbeltischlerin, bevor sie zum Schreiben kam. Als Roadie sammelte sie Erfahrungen im Musikbusiness, bevor ihre Kriminalromane bei einer breiteren Leserschaft bekannt wurden und mit etlichen Preisen ausgezeichnet wurden.

Auch in ihrer Ballade einer vergessenen Toten finden sich Elemente des Krimis. Die Autorin variiert in der Struktur der Geschichte und ihrer Narration, beispielsweise flicht sie in den Roman auch Polizeiberichte oder Tagebucheinträge ein. Die Undurchschaubarkeit der verschiedenen Aussagen bringt die Wahrheit um Ellys Tod durch Widersprüche und Spekulationen ins Wanken. Cody vermag es dabei, einen in die Musikwelt der 1980er Jahre zu entführen und zugleich die eiskalte Businesswelt von heute wiederzugeben.

Die Sprache spielt mit den Gefühlen der Leser und ist hier und da gespickt mit britischem, schwarzem Humor. Während jede Aussage der Figuren Ellys Tod in ein anderes Licht rückt und einen anderen Täter verdächtig macht, ist es am Ende ein 400-seitiger Aussagenbericht mit einem eher enttäuschend anmutenden Ende. Geht es zunächst detailliert um die Darstellung von Ellys Kindheit geht und ihren Werdegang zu einer erfolgreichen Songwriterin, so verliert sich der Roman zum Ende hin in zu vielen unterschiedlichen Aussagen von zu vielen Figuren. Dies mag das Chaos darstellen, in dem sich Amy plötzlich befindet, als sie feststellt, wie sie die Ermittlungen verändern, doch wirkt es besonders am Ende des Textes eher abgehakt. Ganz so, als sei die Autorin der vielen Sichtweisen und Erklärungen müde geworden und habe den Roman schnell zu einem Ende führen wollen.

Titelbild

Liza Cody: Ballade einer vergessenen Toten.
Übersetzt aus dem Englischen von Martin Grundmann.
Argument Verlag, Hamburg 2019.
411 Seiten, 22,00 EUR.
ISBN-13: 9783867542388

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