Die Ironie des Schicksals

„Meine Männer“ ist die erste autobiografische Erzählung der russischen Autorin Viktoria Tokarjewa, die anhand einflussreichreicher Männer in ihrem Leben ihren beruflichen Werdegang beschreibt

Von Salina GleimRSS-Newsfeed neuer Artikel von Salina Gleim

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Nicht immer läuft alles nach Plan und noch viel weniger weiß ein junger Mensch, welcher berufliche Weg der richtige ist. So ging es auch Viktorija Tokarjewa (*1937). Ihr Weg zu einer der erfolgreichsten und bekanntesten Schriftstellerinnen Russlands wird von verschiedenen Männern begleitet. Einigen von ihnen schenkte sie Glauben und liebte sie, andere machten sie wütend oder revolutionierten ihr Land. Viktorija heiratete jung und zog mit ihrem Ehemann nach Moskau, wo sie vorerst ziemlich unglücklich als Musiklehrerin arbeitete. Nachdem sie durch die Aufnahmeprüfung der Moskauer Filmhochschule gefallen war, gelang es dem Regisseur Sergej Michalkow sie doch noch einzuschreiben, da sie eine gute Beziehung zu ihm hatte.

Mit dem Wunsch Drehbuchautorin zu werden, startete Viktorija ihr Studium, doch schnell stellte sich heraus, dass ihre Leidenschaft im Schreiben lag. 1964 wurde eine ihrer Erzählungen von dem stellvertretenden Chefredakteur einer Zeitschrift, Alexander Rekjemtschuk, der sich Zeit für ihren Text nahm, veröffentlicht. Somit war dies der erste Schritt in die literarische Welt. Tokarjewa wurde zudem auf dem internationalen Moskauer Filmfestival zweifach für ihre Leistungen als Autorin ausgezeichnet. Ebenso erhielt sie den ersten Platz beim internationalen Dokumentarfilmfestival.

In der autobiografischen Erzählung „Meine Männer“ lernt der Leser vor allem Viktorija Tokarjewa kennen und erhält einen guten Einblick in ihre Gefühlswelt und die Entwicklung ihrer Persönlichkeit: von der einst verunsicherten Tochter, die auf Wunsch ihrer Mutter eine musikalische Ausbildung abschließt, bis zur erfolgreichen Schriftstellerin. Viktorija Tokarjewa hat einen direkten und einfachen Schreibstil, sodass sie ohne viele Ausschmückungen den Leser auf eine packende Art und Weise auf ihren Lebensrückblick mitnimmt. Obwohl sich die Autorin nicht immer an die chronologische Reihenfolge hält, fällt es leicht, die Geschichte nachzuvollziehen. Alles in ihrem Leben scheint Fügung zu sein: Hätte Viktorijas Mutter sie nicht gezwungen die Ausbildung abzuschließen, hätte sie nicht jung geheiratet, wäre nicht nach Moskau gezogen und hätte aus Geldnot als Musiklehrerin gearbeitet, so hätte ihr Schüler Sobakin sie nicht wütend gemacht und sie hätte ihren Job nicht gehasst. Hätte der Direktor der Schule nicht verlangt, eine berühmte Persönlichkeit einzuladen, hätte Viktorija Michalkow vermutlich nicht kennengelernt und dieser hätte sie wahrscheinlich nicht an der Filmhochschule einschreiben können.

„Wozu schreibe ich das alles?“, fragt sich auch schon Viktorija in ihrer Erzählung. Die Antwort darauf ist einfach: Sie zählt auf eine humorvolle und spannende Art und Weise die Menschen auf, die an ihrem Werdegang beteiligt waren. Von dem frechen Jungen in ihrer Klasse bis Michail Gorbatschow, der Russland umkrempelte und Torkarjewa dadurch ermöglichte nach Deutschland zu reisen, um Daniel Keel, den Verleger des Diogenes Verlags, kennenzulernen. So erinnert Torkarjewa ihre Leser daran, dass das, was wir erleben und vor allem auch Menschen, die uns auf unserem Weg begleiten, unser Schicksal ausmachen. 

Anmerkung der Redaktion: Die Rezension gehört zu den studentischen Beiträgen, die im Rahmen eines Lehrprojekts im Sommersemester 2019 entstanden sind und gesammelt in der Oktoberausgabe 2019 erscheinen.

Ein Beitrag aus der Komparatistik-Redaktion der Universität Mainz

Titelbild

Viktorija Tokarjewa: Meine Männer.
Übersetzt aus dem Russischen von Angelika Schneider.
Diogenes Verlag, Zürich 2017.
164 Seiten, 20,00 EUR.
ISBN-13: 9783257070057

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