Literarischer Besuch aus dem hohen Norden
Vorwort zum Norwegen-Schwerpunkt der Oktober-Ausgabe
Von Sascha Seiler
Besprochene Bücher / Literaturhinweise2019 ist Norwegen Ehrengastland der Frankfurter Buchmesse. Es ist ein Auftritt, der mit Spannung erwartet wird, denn die norwegische Literatur hat gerade in den letzten Jahren auch in Deutschland für Aufmerksamkeit jenseits der üblichen Bestseller aus dem Krimi- und Thriller-Bereich gesorgt. Das liegt einerseits an einem Autor wie Karl Ove Knausgård, der mit seinem epischen wie umstrittenen sechsbändigen Min Kamp-Projekt einen ebenso unerwarteten wie unwahrscheinlichen Welterfolg landete. Andererseits konnte Maja Lunde mit ihrer Geschichte der Bienen auch auf Seiten der eher leicht verdaulichen Belletristik einen der größten Bestseller der letzten Jahre in Deutschland verbuchen. Aber auch wenn beide mit neuen Werken zur Buchmesse anreisen werden, stehen hinter diesen bekannten Gesichtern dutzende weitere Autorinnen und Autoren, die es zu entdecken gibt.
Zu ihnen gehören einerseits etablierte, in Norwegen überaus erfolgreiche Schriftsteller wie Dag Solstad (dessen Werk nach und nach vom kleinen Schweizer Dörlemann Verlag herausgebracht wird), Jan Kjaerstad (der schon länger vom österreichischen Septime Verlag verlegt wird) oder Tomas Espedal, ein Weggefährte Knausgårds, der mit diesem einst das so genannte ‚Ich‘-Projekt zur radikalen Erneuerung der norwegischen Literatur ins Leben gerufen hat (und mit dem wir für diese Ausgabe auch ein längeres Gespräch geführt haben). Andererseits aber begeistern auch relativ neue Autoren die deutschen Leser, unter ihnen Johan Harstad mit seinem epischen Roman Max, Mischa & die Tet-Offensive, Mona Høvring mit ihren Kurzgeschichten sowie ihrem Roman Weil Venus bei meiner Geburt ein Alpenveilchen streifte oder Kjersti A. Skomsvold mit ihrem Roman Meine Gedanken stehen unter einem Baum und sehen in die Krone.
Dass die Förderung der norwegischen Literatur äußerst professionell (und großzügig) aufgestellt ist, und welche Rolle für das bevölkerungsmäßig kleine Land der Verkauf ausländischer Lizenzen spielt, erzählten uns – neben vielen anderen interessanten Details – die für den Gastauftritt der Frankfurter Buchmesse mitverantwortlichen Gestalter, Tobias Voss und Karina Goldberg. Und welche Rolle bei einer so genannten kleinen Sprache die Übersetzungen spielen, erläuterte Hinrich Schmidt-Henkel, der unter vielem anderem zahlreiche Werke Tomas Espedals übersetzt hat.
Doch die Förderung und Internationalisierung der norwegischen Literatur – ein Musterbeispiel für internationalen Literaturaustausch auf mehreren Ebenen – ist für das skandinavische Land mitnichten ein größtenteils kommerzielles Unterfangen; vielmehr legt man großen Wert auf die Verbreitung norwegischer Kultur in der Welt. So ist eines der markantesten Projekte des diesjährigen Gastlandauftritts der ‚Literaturzug‘: In diesem wird Kronprinzessin Mette-Marit gemeinsam mit vielen auf der Messe in Frankfurt anwesenden norwegischen Autoren anreisen – zwar nicht aus Oslo, sondern aus Köln; dennoch ist diese Fahrt ein ebenso großes Ausrufezeichen wie die Anthologie Heimatland, welche sie gemeinsam mit dem Autor und Verleger Geir Gulliksen exklusiv zur Buchmesse herausgegeben hat, und die Texte zahlreicher berühmter Autoren über ihr ganz persönliches Verhältnis zu ihrer Heimat enthält.
Es gibt somit viel zu entdecken und die Redaktion Komparatistik wünscht viel Spaß bei der Lektüre des Schwerpunkts zur zeitgenössischen norwegischen Literatur.
Ein Beitrag aus der Komparatistik-Redaktion der Universität Mainz
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