Auf der Suche nach der Wahrheit

Pascale Kramer beleuchtet in ihrem Roman „Autopsie des Vaters“ nicht nur das angespannte Vater-Tochter-Verhältnis ihrer Hauptprotagonistin

Von Lisa RulandRSS-Newsfeed neuer Artikel von Lisa Ruland

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die 1961 in Genf geborene Autorin Pascale Kramer lebt seit einiger Zeit in Paris und verfasst ihre Romane in französischer Sprache. 2017 wurde sie bereits mit dem „Schweizer Grand Prix Literatur“ für ihr Gesamtwerk ausgezeichnet. Autopsie des Vaters ist nun ihr fünftes ins Deutsche übersetze Werk. In diesem schon 2017 erschienenen Roman schickt Kramer ihre Hauptfigur Ania auf Spurensuche in ihre Vergangenheit und lässt sie ihr Vater-Tochter-Verhältnis aufarbeiten.

Nach einigen Jahren der Funkstille erhält Ania die Nachricht vom Selbstmord ihres Vaters Gabriel. Sein Tod scheint in Verbindung mit einem jahrealten Skandal zu stehen: Gabriel, seinerzeit ein angesehener Radiojournalist, geriet dadurch stark in Bedrängnis, was seine Entlassung im Sender und seine völlige Isolation zur Folge hatte.

Als sich Ania auf den Weg zur Beerdigung ihres Vaters macht, spürt sie die überaus hasserfüllte Atmosphäre ihres kleinen Heimatdorfes am eigenen Leib. Ausgelöst durch viele bösartige Begegnungen mit einigen Dorfbewohnern beginnt sie allmählich die Vergangenheit ihres Vaters genauer zu hinterfragen.

Wie konnte es so weit kommen? Wie konnte ihr Vater ein ganzes Dorf in solch einen Hasszustand versetzten? Auf diese und viele weitere Fragen versucht Ania nun Antworten zu finden.

Pascale Kramer beweist ein gekonntes Fingerspitzengefühl. So beschreibt sie das zerrüttete Vater-Tochter-Verhältnis auf erstaunlich emotionale Weise, wodurch sich der Leser sehr gut in die Situation hineinversetzt kann. Auch schafft sie einen bemerkenswerten Spagat zwischen gesellschaftlichen Tabu-Themen, wie Rassismus und Gewalt und privaten, familiären Problemen. Kramer zeigt ein erstaunliches Talent, diese gesellschaftlichen Probleme in ihre Romane einzuflechten und sie auf diese Weise offenzulegen und aufzuarbeiten. Und so ist Autopsie des Vaters nicht zuletzt auch ein Stück weit eine Autopsie unserer Gegenwart.

Anmerkung der Redaktion: Die Rezension gehört zu den studentischen Beiträgen, die im Rahmen eines Lehrprojekts im Sommersemester 2019 entstanden sind und gesammelt in der Oktoberausgabe 2019 erscheinen.

Ein Beitrag aus der Komparatistik-Redaktion der Universität Mainz

Titelbild

Pascale Kramer: Autopsie des Vaters. Roman.
Übersetzt aus dem Französischen von Andrea Spingler.
Rotpunktverlag, Zürich 2017.
176 Seiten, 22,00 EUR.
ISBN-13: 9783858697592

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch