Günter Grass und der „Frankfurter Rezensent“
Eine Auswahl literarischer Auseinandersetzungen mit Marcel Reich-Ranicki
Von Uwe Neumann
Vorbemerkung der Redaktion: Die folgenden Passagen sind Auszüge aus dem Buchmanuskript von Uwe Neumann: „Der Große Zackenbarsch. Marcel Reich-Ranicki als literarische Figur.“ Neben Günter Grass kommen in der „Bestandsaufnahme“ über 300 Autorinnen und Autoren zu Wort, die sich in Romanen, Gedichten oder Theaterstücken mit dem großen Literaturkritiker auseinandergesetzt haben. Das Buch erscheint im Frühjahr 2020 zum 100jährigen Geburtstag von Marcel Reich-Ranicki. Anlass zur Vorveröffentlichung von Passagen, die Günter Grass betreffen, ist Volker Weidermanns kürzlich erschienenes Buch „Das Duell. Die Geschichte von Günter Grass und Marcel Reich-Ranicki“. Statt dieses Buch zu rezensieren, ergänzen wir die von Weidermann erzählte Geschichte mit weiteren Beiträgen. Wir danken Uwe Neumann für seine Bereitschaft, sich daran zu beteiligen. Schon 2018 hat er einen Aufsatz über den Briefwechsel zwischen Grass und Reich-Ranicki (in: Freipass 3 / 2018, S. 142-195) veröffentlicht, auf den auch Weidermann zurückgriff und der demnächst erneut in einer erweiterten Ausgabe von Reich-Ranickis Buch „Unser Grass“ erscheint. T.A.
Das Jahr 1969 wird für Günter Grass politisch ein Erfolg, nicht zuletzt dank seiner Unterstützung als Wahlhelfer wird Willy Brandt zum ersten sozialdemokratischen Bundeskanzler gewählt. Nicht so gut sieht es in literarischer Hinsicht aus, denn gleich zwei Misserfolge hat Grass hinzunehmen. Im Februar fällt das Theaterstück Davor bei der Kritik nahezu einhellig durch, im August erscheint der Roman örtlich betäubt und erleidet dasselbe Schicksal. „Mann, sind die Kritiker über ihn hergefallen“,[1] liest man aus der Sicht der Grass-Kinder in dem autobiographischen Werk Die Box. Dort ist auch zu erfahren, dass es den dickfelligen Vater „kaum gejuckt“ hat, wenn ihn die „Zeitungsfritzen“ in steter Regelmäßigkeit durch die Mangel genommen haben. Vielsagend dann der Zusatz: „Oder er tat, als würd ihn sowas nicht jucken.“[2] Der Verriss von einem ganz bestimmten „Zeitungsfritzen“ hat Grass immerhin so „gejuckt“, dass er ihn öffentlich kommentiert hat. Im September 1969 spricht der Autor in einem Interview über solche Rezensenten, die ein Buch nur nach eigenen Wunschvorstellungen beurteilen:
Ein typischer Vertreter dieser Richtung ist Marcel Reich-Ranicki, der dauernd auf oberlehrerhafte Art und Weise Zensuren verteilt, und zwar nicht eigentlich über das Buch, sondern darüber, ob der Autor in der Lage war, den hohen Ansprüchen des Herrn Ranicki zu genügen. Ich habe mir das Vergnügen gemacht, zum Beispiel die Kritik zu lesen, die Ranicki vor vielen Jahren über die Blechtrommel geschrieben hat. Er hat damals die Blechtrommel verrissen. Er hat mir vorgeworfen, ich sei ein zu überschäumender Autor, habe zuviel Phantasie, ich sollte mich mal auf ein einziges spartanisches Thema beschränken, und dann könnte ich zeigen, daß ich ein Meister sei. Nun, dieses Buch örtlich betäubt ist, ohne daß ich damit Ranickis Wünsche erfüllen wollte, ein Buch, das sich auf ein sehr enges Thema beschränkt hat und aus einem engen Thema heraus versucht, parallel zur Gegenwart eine Entwicklung aufzuzeigen. Es ist also genau nicht das, was die Blechtrommel ist – also ein überbordendes Buch. Jetzt aber wirft mir Ranicki genau das Umgekehrte vor. Wahrscheinlich hat er vergessen, was er über die Blechtrommel geschrieben hat. Er vermißt nun in dem Roman örtlich betäubt die überschäumende Phantasie der Blechtrommel und wirft mir genau das vor, was er vor zehn Jahren gefordert hat.[3]
Von seinem Gesprächspartner wird Grass daran erinnert, dass Reich-Ranicki immerhin eine Selbstkritik seines Blechtrommel-Verrisses geschrieben habe. Darauf Grass: „Dann besteht bei Ranicki – er ist ein entwicklungsfähiger Kritiker – ja immerhin die Hoffnung, daß er auch vielleicht einmal örtlich betäubt mit anderen Augen oder ohne Vorurteile oder – wie ich bei ihm vermute – mit neuen Vorurteilen lesen wird.“[4]
[…]
Man hätte es Günter Grass nachgesehen, wenn er sich nach den Verrissen, die er in den sechziger Jahren von Reich-Ranicki einzustecken hatte, nie wieder mit dem Kritiker beschäftigt hätte. Aber gefehlt: In dem Prosabuch Aus dem Tagebuch einer Schnecke (1972) verarbeitet Günter Grass eine Geschichte, die Reich-Ranicki 1958 am Rande der Tagung der Gruppe 47 in Großholzleute erzählte. Nach seiner Flucht aus dem Warschauer Ghetto waren er und seine Frau bei einem polnischen Ehepaar untergekommen, das die beiden fast zwei Jahre versteckt hielt. Um seine Lebensretter bei Laune zu halten, erzählte Reich-Ranicki Geschichten aus der Weltliteratur. Grass war sehr angetan und bat augenblicklich darum, das Erzählte literarisch verwerten zu dürfen, wogegen Reich-Ranicki auch nichts einzuwenden hatte. Die Geschichte ist nunmehr Teil der Vita des Studienrates Hermann Ott, der den Spitznamen „Zweifel“ führt:
„Und Zweifel?“
„Was is mit Zweifel?“
„Hatte der Brüder oder ne Schwester?“
„Haste dir den nur so ausgedacht?“Auch wenn ich ihn erfinden muß, es hat ihn gegeben. (Eine Geschichte, die mir Ranicki als seine Geschichte vor Jahren erzählt hat, blieb bei mir liegen und lebte behutsam für sich; geduldig besteht sie auf einem gesuchten Namen, auf gesichertem Herkommen, auf einem Keller für spätere Zuflucht.)[5]
Schon während der Entstehungsphase des Werkes wusste Reich-Ranicki, dass Grass seine Lebensgeschichte verarbeiten würde. Und er war so neugierig, dass er den Autor noch vor der Veröffentlichung um ein Umbruchexemplar bat. Grass schickte ihm denn auch ein Exemplar zu und bat ausdrücklich um eine „kritische Meinung“.[6] Die ließ nicht lange auf sich warten:
Ich habe das Buch sehr aufmerksam gelesen, und ich übertreibe keineswegs, wenn ich Ihnen sage, dass ich tief beeindruckt bin. Es ist – und das scheint mir heute sehr selten – ein Buch für Erwachsene, endlich. Ob es gefallen wird, weiss ich nicht. Viele werden vermutlich nicht merken, wie raffiniert das Ganze komponiert ist. Der permanente Kontrapunkt – Wahlkampf heute, Judenverfolgung gestern – ist ausgezeichnet durchgeführt. […] Meine Geschichte habe ich natürlich wiedererkannt, sie fügt sich glänzend in das Ganze ein. Für mich besonders interessant und bemerkenswert der Umstand, dass Sie dem Thema Judenverfolgung wieder ganz unkonventionell beikommen und ihm wieder neue Seiten abgewinnen, was zynisch klingen mag, doch natürlich sehr ernst gemeint ist.[7]
Ein Reich-Ranicki, der „tief beeindruckt“ ist, besser hätte es nicht kommen können. Warum hatte er dann aber keine Rezension geschrieben? Gerade er wäre doch der Richtige gewesen, um der ahnungslosen Leserschaft darzulegen, „wie raffiniert das Ganze komponiert ist“. Der Grund für sein Schweigen liegt sicherlich darin, dass er um den Ruf seiner Unbestechlichkeit fürchtete. Ein Werk zu loben, zu dem er selbst etwas beigetragen hatte, das hätte allzu sehr nach einer ‚Gefälligkeitskritik‘ ausgesehen, für Reich-Ranicki die literaturkritische Untugend schlechthin. Am Ende seines Briefes an Grass gibt es noch ein ironisches Augenzwinkern: „Immerhin ist es nun doch nachweisbar, dass ein Kritiker einen Romancier inspirieren kann. Darauf werden Sie antworten: Gewiss, aber er hat es ja nicht in seiner Eigenschaft als Kritiker, sondern … usw. Und damit hätten Sie wieder recht.“[8] Sozusagen als Gegenleistung erhielt der Materiallieferant eine Graphik von Grass, die bei einem gemeinsamen Essen in Wewelsfleth übergeben wurde. „Ich bat Grass artig um eine Widmung. Er überlegte nur einen Augenblick und schrieb: ‚Für meinen Freund (Zweifel) Marcel Reich-Ranicki.‘ Immerhin: beinahe ein Wortspiel.“[9]
[…]
Unter viel Mediengetöse wird Günter Grass’ Roman Der Butt zum literarischen Ereignis des Jahres 1977. Über die Qualität des Romans ist sich die Kritik erstaunlicherweise einig, was bei dem polarisierenden Grass eher die Ausnahme ist. Eine Zeitlang, liest man in der Box, „haben sogar die Zeitungsfritzen Ruhe gegeben“.[10] Ein Zeitungsfritze aus Frankfurt gab allerdings keine Ruhe, für Marcel Reich-Ranicki stand unumstößlich fest, dass Grass abermals einen „künstlerischen Fehlschlag“[11] abgeliefert habe. Vor allem Wolfgang Hildesheimer war ob dieser Kritik sehr erbost. „Man müßte einmal einen Aufsatz über ‚Die Zensuren des Rezensenten Reich-Ranicki‘ schreiben“,[12] wünscht er sich in einem Brief, der als Wink mit dem Zaunpfahl zu verstehen ist, denn der Adressat heißt Fritz J. Raddatz. Kurioserweise am selben Tag schreibt Hans Werner Richter an Günter Grass und schlägt ihm eine „Kritik der Kritik“[13] vor. Für das anstehende Jubiläumstreffen der Gruppe 47 möchte er ein „Butt-Festival“ veranstalten, bei dem die Kritiker ihre Butt-Rezensionen vortragen, um sich dann ihrerseits dem Diskussionsritual zu stellen. Richters Idee findet tatsächlich Umsetzung – es lesen Joachim Kaiser, Fritz J. Raddatz und, natürlich, Reich-Ranicki –, allerdings verläuft die Diskussion zur allgemeinen Enttäuschung sehr knapp und wenig ergiebig. Einen oft zitierten Lacherfolg erzielt Günter Grass mit der Bemerkung, dass er das neue Ehescheidungsrecht, das auf dem Zerrüttungsprinzip basiert, gerne auf sein Verhältnis zu Reich-Ranicki anwenden würde.[14]
Grass war sehr daran gelegen, dass man seine Kritikerschelte auch außerhalb der Gruppe 47 wahrnahm. In einem Rundfunkinterview nur wenige Tage nach der Tagung bezeichnet er es als „Schmarren“,[15] dass sich ein Schriftsteller nicht über seine Kritiker äußern solle. Während er und viele seiner Schriftstellerkollegen – stellvertretend nennt er Uwe Johnson und Martin Walser – ihr schriftstellerisches Handwerkszeug beständig weiterentwickeln, sei auf Seiten der Kritik rein gar nichts geschehen. Auch der Scheidungsantrag wird wiederholt:
Ich kann schreiben, was ich will, ich bin dazu verdonnert, daß in der Frankfurter Allgemeinen Reich-Ranicki, in der Süddeutschen Zeitung Kaiser usw. darüber schreibt; die lassen niemanden anderen darüber schreiben, das sind Zwangsehen, die man offenbar eingehen muß, die ich gerne aufgelöst sähe, eben nach dem Zerrüttungsprinzip, ohne Schuldfrage, in Freundschaft – ich mag Kaiser sehr, ich mag Reich-Ranicki sehr, aber ich kann beiden ihre speziellen Wünsche nicht erfüllen: ich kann Kaiser nicht den Wunsch erfüllen, nun endlich der aufgeklärte Konservative zu werden, den er sich von mir wünscht und vorstellt, und ich kann Reich-Ranicki nicht den Wunsch erfüllen, einen von Ideologie befreiten Roman des sozialistischen Realismus zu schreiben oder einen Roman des 19. Jahrhunderts, mit draufgestopften Errungenschaften des 20. Jahrhunderts. Das sind Wünsche, die ich diesen Kritikern gegenüber nicht erfüllen kann und will. Dann soll man dem Autor andere, unverbrauchte kritische Meinungen zumuten.[16]
Die Sympathieerklärung für Reich-Ranicki gewinnt dadurch noch zusätzlich Profil, dass Grass mit anderen Kritikern viel unerbittlicher ins Gericht geht. Eine eigene Kategorie bildet nach Grass die „heruntergekommene Kritik der Wadenbeißer und Wadenpisser“, für die er auch gleich einen Namen parat hat: „ein einstmals hochvermögender, begabter Kritiker wie Hellmuth Karasek ist zu einem Schnellschreiber heruntergekommen, der sich nur noch mit Hilfe des Spiegel-Jargons und der landesüblichen und immer noch Abnehmer findenden Spiegel-Häme über Wasser hält, das vor allem in einer sicheren Position im Spiegel.“[17] Karasek hat Grass diese Invektive nie verziehen, und er wird sich revanchieren.
Im Jahr 1979 hat Günter Grass aus der Sicht von Reich-Ranicki endlich einmal alles richtig gemacht. Die Erzählung Das Treffen in Telgte wird von ihm als „kleiner Triumph einer großen Erzählkunst“[18] gefeiert. Das im Jahr 1647 stattfindende Treffen berühmter Barockdichter folgt genau dem Ritual, wie es Günter Grass bei der Gruppe 47 in ihren besten Stunden so schätzte: „Jeder Lesung schloß sachliche, nun ganz beim Text bleibende und nicht mehr theoretisch auswuchernde Kritik an, bis auf die üblichen Ausflüchte ins Moralische.“[19] Hinter Simon Dach, der zu dem Treffen eingeladen hatte, ist deutlich Hans Werner Richter zu erkennen, dem die Erzählung zum siebzigsten Geburtstag gewidmet ist. Die Verführung ist natürlich groß, sich auf ein Who-is-who? einzulassen und in der Barockgesellschaft nach weiteren Mitgliedern aus der Gruppe 47 Ausschau zu halten. Für Reich-Ranicki wäre das unstatthaft, denn „Porträts oder Karikaturen heutiger Autoren“[20] seien ihm zufolge nicht auszumachen. Zumindest zwei Gruppenmitglieder sehen das anders. Rolf Schneider fragt sich, „ob in dem bärbeißigen Magister Buchner Reich-Ranicki wohnt“.[21] Reinhard Baumgart ist der Ansicht, dass sich hinter Buchner „natürlich“ Hans Mayer verberge, und er glaubt, dass der „säuerlich frömmelnde Gerhardt aus 66 Prozent Reich-Ranicki“[22] bestehe.
An dem Treffen in Telgte hätte auch gerne noch ein anderer teilgenommen. „Ach, wäre ich doch nur dabeigewesen!“,[23] seufzt der Erzähler in Gerhard Köpfs Der Kühlmonarch (1995). In dieser Erzählung, die Günter Grass zum 68. Geburtstag gewidmet ist, nimmt Köpf eine Anregung von Grass auf, der ihm einst riet, das Leben von Quirinus Kuhlmann (1651-1689) literarisch zu gestalten. Die „Selberlebensbeschreibung“, wie der Untertitel lautet, enthält Träume von Kuhlmann, in denen sich dieser ausmalt, welchen anderen Ausgang das Dichtertreffen in Telgte hätte nehmen können. Auch alte Bekannte kehren wieder, neben Simon Dach erneut August Buchner und Paul Gerhardt, sodass das Ratespiel um reale Vorbilder seine Fortsetzung findet. Dass die Erzählung auch auf Gegenwärtiges abzielt, ist der folgenden Klage zu entnehmen:
Denn wir trafen uns nie wieder: weder in Telgte noch anderswo, sondern ließen uns zerstreuen von quertreibender Betriebsamkeit der Messen und Jahrmärkte und Aftergelehrsamkeit der Gazetten, hörten mehr auf das Gezeter der Kritik als auf das poetische Bild selbst, und redeten immer weiter und lauter aneinander vorbei, wie es Sitte ist seither in unserem Gewerbe.[24]
[…]
Im Frühjahr 1986 gelingt dem Frankfurter Verleger Vito von Eichborn ein kurioses „Bubenstück“. Noch vor dem Erscheinen von Günter Grass’ Roman Die Rättin wird in seinem Verlag eine längere Parodie veröffentlicht, die den Titel trägt Der Grass. Als Autor zeichnet Günter Ratte, ein Pseudonym, das bis auf den heutigen Tag nicht gelüftet werden konnte. „Mir ist keine andere Parodie in der Literaturgeschichte bekannt, die vor dem Original erschien“,[25] erklärt der stolze Verleger und ergänzt, dass „ruckzuck“ 25.000 Exemplare über den Ladentisch gingen. Wenn man ihm glauben darf, hatte Grass sogar zeitweise erwogen, gegen die Parodie juristisch vorzugehen. Wie der Protagonist in der Blechtrommel ist auch der Oskar in der Parodie zu manch einem Zauberkunststück fähig:
Spielt Hans Werner Richter und veranstaltet extra für uns noch mal eine Tagung der Gruppe 47. Läßt deutsche Dichterchen mit ihrem Eingemachten und Aufgesetzten zusammentreffen, damit sie sich Manuskripte vorlesen können. Schießt uns zurück ins Jahr 1958. Hämmert mit seinem Stab auf die Erde. Ruhe tritt ein. Schüchtern und unsicher geht der junge Grass, den ich mir träume, nach vorn. Schlägt ein Manuskript auf, das voll Rechtschreibfehler ist, weil der Autor bloß das FLAK-Abitur hat. Und da liest er, liest unsicher mit manchmal stockender Stimme. Räsoniert da schon der hämische Literatur-Scharfrichter Reich-Ranicki hinter funkelnden Brillengläsern?[26]
Dass Die Rättin bei der Literaturkritik keine wohlwollende Aufnahme finden würde, hatte Grass schon frühzeitig geahnt. Was sich dann aber tatsächlich an ätzender Kritik, feindseliger Polemik und Häme entlädt, musste auch ihn überraschen, es setzt einen „negativen Meilenstein“[27] in der Grass-Rezeption. In seinem Totalverriss lässt Reich-Ranicki das Fallbeil schon im Titel herunterrauschen: „Ein katastrophales Buch.“[28] Zwei Wochen später ist Fritz J. Raddatz bei Günter Grass zu Besuch und hält in seinem Tagebuch fest: „Die FAZ-Kritik, dieser beißwütige Mörderüberfall eines Literaturstalinisten, hat ihm den Rest gegeben.“[29] Grass erreichen in dieser Zeit auch tröstende Briefe, so schreibt etwa Hans Werner Richter: „Zu dem Buch läßt sich sehr viel sagen, aber keine der Kritiken, die ich gelesen habe, trifft den Kern. Sie alle waren unvollkommen und mehr oder weniger idiotisch. Am Scheußlichsten hat es wieder Marcel Reich-Ranicki geschafft. Diese Kritik war sogar unter seinem Niveau.“[30] Die fortwährenden Angriffe gegen Grass bewirken auch, dass ein schon lange geplanter Indien-Aufenthalt eine zusätzliche Motivation erfährt. In Mein Jahrhundert (1999) verrät Grass, dass ihn auch der „Überdruß an deutschen Schlachtfesten“[31] nach Indien getrieben habe.
[…]
Im Sommer 1986 zieht Günter Grass mit seiner Frau für einige Monate nach Kalkutta. Der Aufenthalt findet seinen literarischen Niederschlag in dem Buch Zunge zeigen, das 1988 erscheint. In dem ersten Teil, einer Art Tagebuch, liest man:
… nach dem Wolkenbruch heute nacht dampft der Garten. Vorsicht! Keine überflüssige Bewegung! Allenfalls Lichtenberg lesen, dessen Prosa kühlt. Wie er die Kritiker zu seiner Zeit (mit Nachhall bis heute) trifft, wie er sich immer wieder – und nicht ohne Genuß – den „Frankfurter Rezensenten“ vornimmt. Gleich kommt mir, wie aufgerufen, ein gegenwärtiges Exemplar in die Quere, dessen eloquenter Pfusch sich ungeschmälerter Wirkung erfreut, weil weit und breit kein Lichtenberg dem Beckmesser sein einzig gültiges Werkzeug, die Meßlatte des Sozialistischen Realismus, nachweist. Dabei erinnere ich mich an seine umtriebige Präsenz während der letzten Treffen der Gruppe 47: ein amüsanter Literaturnarr, liebenswert noch in seinen Fehlurteilen. Erst als ihm die Chefetage der FAZ Macht zuschanzte – das große Geld weiß, was frommt –, wurden seine Verrisse übellaunig bis bösartig, mißriet er zu Lichtenbergs „Frankfurter Rezensenten“.[32]
Die Passage stieß selbst bei denen auf Kritik, die Grass inhaltlich Recht gaben. Fritz J. Raddatz meinte, dass ein Reich-Ranicki, dieser „fürchterliche Kunstrichter“ und „bemitleidenswerte Mißkenner von Literatur“,[33] lediglich ein Feuilletonthema sei, aber nichts in einem literarischen Werk zu suchen habe. Die Bemerkung von Grass, dass sich bislang niemand gefunden habe, der Reich-Ranicki die Herkunft aus dem Sozialistischen Realismus nachweist, ist zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr ganz richtig.[34]
Im Literarischen Quartett wird Zunge zeigen im September 1988 besprochen und einvernehmlich abgelehnt. Das Problem von Grass sei, so Reich-Ranicki, dass er „kein Thema“ mehr habe und womöglich „ausgeschrieben“[35] sei. Bemerkenswert auch, was Hellmuth Karasek an dem Buch „am meisten“ interessiert, nicht etwa Inhaltliches, sondern die Frage, warum Grass überhaupt nach Indien „geflohen“ sei. Er weiß auch gleich die Antwort: Es sei eine persönliche „Bestrafung“[36] für Reich-Ranicki gewesen. Zufriedenheit herrschte unter den Verächtern von Grass. „Das Verdienst von Reich-Ranicki ist“, wie uns Peter Hacks 1988 wissen lässt, „Christa Wolf und Günter Grass geschlachtet zu haben und das ist nicht wenig.“[37]
[…]
Im Mai 1992 erscheint Günter Grass’ Erzählung Unkenrufe und findet das „landesübliche Echo“,[38] wie Grass sarkastisch im Rückblick schreibt. Von Reich-Ranicki wird die Erzählung gleich doppelt verrissen, zunächst im Spiegel („Wie konnte das passieren?“) und kurz darauf im Literarischen Quartett. Günter Grass reagiert auf eine Weise, mit der nicht unbedingt zu rechnen war, er fertigt noch in demselben Jahr eine Kaltnadelradierung, die vier miteinander ‚sprechende‘ Butt-Köpfe darstellt und den Titel trägt: „Literarisches Quartett“.[39] Von der Radierung werden hundert Drucke angefertigt, und genau das hundertste Exemplar erhält, ja doch, Reich-Ranicki – natürlich mit Widmung: „Für Marcel Reich-Ranicki, verbunden mit der Frage: ‚Wer ist wer?‘“[40] Bei aller Ironie doch eine sehr milde Kritik, wenn man überhaupt von einer solchen sprechen mag, der ‚Porträtierte‘ durfte sich eher geschmeichelt fühlen. „Ja, so herzlich waren in jener Zeit die Beziehungen zwischen uns“,[41] bemerkt Reich-Ranicki ein Jahrzehnt später, obwohl man das sicher nicht wörtlich nehmen darf. Wie die Radierung von Grass zu verstehen sei, darüber hat sich auch Holger Helbig Gedanken gemacht, und zwar in Gestalt eines Sonetts, das den Titel trägt Kaltnadel Grass:
Flundern. Flache Fische, flache Köpfe
Guck mal, wie das glotzt. Glotzt sich an. Kotzt sich aus.
Eigentlich schnappt es nach Luft und macht Augen
So große Augen, gleich sehen sie nichts mehr.Nur noch wie die andere Flunder flach liegt
Und auf dem Trockenen die Kiemen spreizt
Sich aufpumpt, unterm offenen Maul leidet
Grimassen schneidet. Sieht nicht gut aus, Fisch.Das größte Exemplar leidet besonders.
Das kleinste Exemplar plustert die Schwanzflossen
Weiblicher Widerstand, aber Fisch bleibt Fisch.Noch zwei von der Sorte dazugeworfen, platsch
Nicht zu entziffern, welches Blatt hier einwickelt
Literaturseite, erkennbar am Quartett.[42]
Im Laufe der Jahre wird Reich-Ranicki noch andere Graphiken von Grass erwerben oder sogar geschenkt bekommen. „Was er da seit einem halben Jahrhundert produziert“, bekennt der Sammler von Schriftsteller-Porträts, „gefällt mir sehr und beinahe immer. Im Grunde äußere ich mich über literarische Werke ähnlich, nur kann ich es auch noch begründen. Hier würde mir die Begründung nicht recht gelingen. Jedenfalls bin ich sicher, daß der Graphiker Grass ungerecht behandelt wird.“[43]
[…]
Günter Grass’ Roman Ein weites Feld bietet ein umfassendes Panorama der Wendezeit, freilich als „Antiwenderoman“.[44] Auch Reich-Ranicki taucht indirekt auf, als nicht genannter Akteur im deutsch-deutschen Literaturstreit:
In West wie Ost stellten Schriftsteller andere Schriftsteller an den Pranger. Um nicht beschuldigt zu werden, beschuldigten sie. Wer gestern noch hochgefeiert war, sah sich heute in den Staub geworfen. Gesagtes ließ sich mit Nichtgesagtem verrechnen. Eine Heilige wurde zur Staatshure erklärt, und jenem einst vor Schmerz schluchzenden Sänger glückte nur noch des Selbstgerechten Geschrei. Kleingeister spielten sich richterlich auf. Ein jeglicher stand unter Verdacht. Und da Himmelsrichtungen weiterhin die politische Richtung vorgaben, sollte östliche Literatur nur noch nach westlichem Schrottwert gehandelt werden.[45]
Mit dem „Sänger“ ist Wolf Biermann gemeint, mit der „Staatshure“ Christa Wolf. Aus der Sicht von Günter Grass hatte der Streit im Februar 1990 seinen Anfang genommen, nämlich im Literarischen Quartett: „Wo Marcel Reich-Ranicki, der es eigentlich von seiner eigenen Biographie her wissen müßte, was Verstrickung im Stalinismus bedeutet, mit der Schärfe und Unbarmherzigkeit des Konvertiten das Signal zur Attacke gegen Christa Wolf gab.“[46] Im Juni 1990, auf dem Höhepunkt der Diskussion, notiert Grass: „Überlege eine Antwort unter der Überschrift ‚Beim Strickedrehen‘, die vom groben Hanf eines Reich-Ranicki zum feinen Gespinst der Schirrmacher und Greiner den eingedrehten Draht des Herrn Serke, also das Material der Strickedreher sucht.“[47] Die Überlegungen gehen ein in den Bericht aus Altdöbern, die „Strickedreher“ werden dort allerdings nicht mit Namen genannt.[48]
[…]
Um den sensationellen Erfolg von Reich-Ranickis Autobiographie Mein Leben zu übertreffen, gibt es in der literarischen Welt im Grunde nur eine Möglichkeit, und diese Möglichkeit wird am 30. September 1999 zur Realität: Günter Grass erhält den Literaturnobelpreis. „Da man die Auszeichnung nicht gut gleich Reich-Ranicki geben konnte, ist sie ganz in Ordnung“,[49] kommentiert Karl-Markus Gauß die Entscheidung der Stockholmer Akademie. In den vielen Briefen, die der Preisträger in den folgenden Wochen erhält, werden die Glückwünsche nicht selten mit der Bemerkung verbunden, dass die Ehrung auch eine Wiedergutmachung für all die Prügel sei, die Grass in den vergangenen Jahren von der Literaturkritik habe einstecken müssen. Michael Schneider schreibt: „Nach den vielen Disteln und Dornen, mit denen dich die hiesige Literaturkritiker-Mafia und das postmoderne ‚Quartett‘ der selbsternannten Literaturprälaten und -Päpste bedacht hat, nun endlich der verdiente Lorbeer! Reich-Ranicki muß eine schlimme Nacht gehabt haben, du dafür gewiß einen umso glücklicheren Tag.“[50] Ist der Nobelpreis also eine Ohrfeige für Reich-Ranicki? Mitnichten: „Als er den Nobelpreis bekommen hat“, verrät Reich-Ranicki, „war ich glücklich. Ich hielt das für einen Sieg, einen Triumph.“ Das war es bestimmt, und jetzt die Pointe: „Mein persönlicher Sieg. Denn ich habe seit langer Zeit – auch öffentlich im Fernsehen – gesagt: Wenn ein deutscher Schriftsteller den Nobelpreis kriegen soll, dann Günter Grass. Und ich habe, glaube ich, ein klein wenig dazu beigetragen, daß Grass den Preis erhalten hat.“[51] Günter Grass hat das sicherlich anders gesehen. Bei seiner Nobelpreis-Rede in Stockholm versäumt er es denn auch nicht, einen Giftpfeil nach Frankfurt zu schießen: „Ich komme aus dem Land der Bücherverbrennung. Wir wissen, daß die Lust, das verhaßte Buch in dieser oder jener Form zu vernichten, immer noch oder schon wieder dem Zeitgeist gemäß ist und gelegentlich telegenen Ausdruck, das heißt Zuschauer findet.“[52]
Sie seien „das bekannteste Duo der deutschen Nachkriegsliteratur“,[53] hat Volker Hage einmal über Günter Grass und Marcel Reich-Ranicki gesagt. Wer sich kritisch oder polemisch über das gespannte Verhältnis der beiden Streithähne äußert, schlägt sich in der Regel auf die eine oder auf die andere Seite. In einem Aphorismus von Helmut Arntzen bekommen einmal beide ihr Fett weg: „Von Goethe zu Günter Grass, von Lessing zu Reich-Ranicki: Das ist, als ziele die Evolution der Sonnenblume aufs Gänseblümchen.“[54]
[…]
Im April 2012 sorgt Günter Grass mit dem israelkritischen Gedicht Was gesagt werden muß für eine hitzige Debatte, die ihm viele Anfeindungen einträgt, darunter den voraussehbaren Vorwurf des Antisemitismus. Auch Reich-Ranicki meldet sich zu Wort, in einem sehr emotionalen Gespräch mit Volker Weidermann. Es wird seine letzte öffentliche Stellungnahme zu Günter Grass. Das Verdikt: Es sei ein „ekelhaftes Gedicht“, Günter Grass habe es immer darauf angelegt, Skandale zu erzeugen, was ihm mit dieser gezielten „Gemeinheit“ gegen den „Judenstaat“ abermals gelungen sei. Aber ein Antisemit, nein, das sei er nicht. Ob er Grass jemals als Freund bezeichnet habe? „Nein.“[55] Volker Weidermann hat später aus diesem Gespräch eine Äußerung von Reich-Ranicki mitgeteilt, die man nicht in der Zeitung lesen konnte: „Da sagte er am Schluss, dass er auf diese eine Nachricht noch warte: die Nachricht vom Tod von Günter Grass. Und das meinte er, der damals selbst schon vom nahen Tode gezeichnet war, keineswegs so, dass er ihm, dem geliebten Gegner, den Tod wünschte. Ich glaube, er wollte einfach übrig bleiben, als Letzter. Und einen Nachruf schreiben, auf ihn. Als Überlebender.“[56]
Im Herbst 2012 erscheint von Günter Grass der Gedichtband Eintagsfliegen. Das Gedicht Einige halbwegs genaue Erinnerungen ist Andrzej Wirth gewidmet, mit dem Grass und Reich-Ranicki gleichermaßen befreundet waren. Eine dieser Erinnerungen führt zurück in das Jahr 1958, als sich Grass in Polen aufhielt, um vor allem in Danzig Recherchen für die Blechtrommel zu betreiben:
Zurück in Warschau, glaubte einer Deiner Freunde,
der wenig später in den Westen ging
und dort unüberhörbar wurde,
in mir einen bulgarischen Agenten vermuten zu können.[57]
Es geht hier um die erste Begegnung zwischen dem Kritiker und dem Schriftsteller. Andrzej Wirth hatte Reich-Ranicki gebeten, ob er sich nicht um einen jungen Schriftsteller kümmern könne, der sich gerade in Warschau aufhalte und niemanden kenne. Die denkwürdige Begegnung ist in zwei unterschiedlichen Versionen überliefert. Reich-Ranicki erinnert sich an einen furchteinflößenden Finsterling, der bereits mittags eine Flasche Wodka intus hatte und sich, was wohl noch schlimmer wog, im Gespräch über Literatur als ahnungslos erwies.[58] Grass wiederum berichtet, dass er bewusst den Dummen gespielt habe, um den so schulmeisterlich Fragenden an der Nase herumzuführen. Nach dem Gespräch habe sich Reich-Ranicki, so erzählt es Grass, bei Wirth gemeldet und ihm gesagt, dieser junge Mann sei kein Schriftsteller, sondern ein bulgarischer Agent.[59]
[…]
Günter Grass stirbt im April 2015. Noch im Herbst desselben Jahres erscheint Vonne Endlichkait, ein Band mit Gedichten und Prosatexten. Mit langem Atem, so ist eine Auseinandersetzung mit seiner Kritikergemeinde überschrieben:
Das Buch wird Euch überleben, Ihr Strichmännchen und Daumenschrauber, Ihr gesitteten Heuchler und bezahlten Chorsänger, Ihr nur im Rudel mutigen Kläffer, Euch überschlau studierte Analphabeten und telegene Scharfrichter, denen – Ihr ahnt es – das letzte Wort versagt bleibt.[60]
Nach dem Tod von Reich-Ranicki konnte sich Günter Grass in der Gewissheit wiegen, tatsächlich das letzte Wort behalten zu haben. Das Duell wird jedoch weitergehen. Die Blechtrommel und Mein Leben, das seien nach Volker Hage möglicherweise die beiden großen Epen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die die Zeiten überdauern werden.[61]
Anmerkungen
[1] Günter Grass: Die Box. Dunkelkammergeschichten, Göttingen 2008, S. 75.
[2] Ebd., S. 195.
[3] Günter Grass: Ich und meine Rollen. Günter Grass im Gespräch mit Heinz Klunker, in: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 12. 10. 1969. Wiederabdruck in: Günter Grass: Werkausgabe in zehn Bänden, hg. von Volker Neuhaus, Bd. X: Gespräche, Darmstadt/Neuwied 1987, S. 81-87, hier: S. 82f.; und in: Günter Grass: Gespräche 1958-2015, ausgewählt und mit einem Nachwort versehen von Timm Niklas Pietsch, Göttingen 2019, S. 95-102, hier: S. 97.
[4] Ebd., S. 83 bzw. S. 97f.
[5] Günter Grass: Aus dem Tagebuch einer Schnecke, in: Ders.: Werke, Bd. 5, Göttinger Ausgabe, Göttingen 2007, S. 282-603, hier: S. 300.
[6] Günter Grass an MRR, 19. 5. 1972, in: Uwe Neumann: Kein weites Feld. Zum Briefwechsel zwischen Günter Grass und Marcel Reich-Ranicki, in: Freipass. Forum für Literatur, Bildende Kunst und Politik, Bd. 3, 2018, S. 142-195, hier: S. 157.
[7] MRR an Günter Grass, 4. 6. 1972, in: ebd., S. 157f.
[8] Ebd., S. 158.
[9] MRR: Mein Leben, Stuttgart 1999, S. 389.
[10] Grass, Die Box (wie Anm. 1), S. 103.
[11] MRR: Von im un synen Fruen [1977], in: Ders.: Unser Grass, München 2003, S. 89-101, hier: S. 101.
[12] Wolfgang Hildesheimer an Fritz J. Raddatz, 17. 8. 1977, in: Wolfgang Hildesheimer: Briefe, hg. von Silvia Hildesheimer und Dietmar Pleyer, Frankfurt/M. 1999, S. 221.
[13] Hans Werner Richter an Günter Grass, 17. 8. 1977, in: Hans Werner Richter: Briefe, hg. von Sabine Cofalla, München/Wien 1997, S. 708.
[14] Der Tagungsbericht von Reich-Ranicki ist auf eigentümliche Weise vage und undeutlich. Er, der doch sonst die klaren Worte liebt und stets Roß und Reiter benennt, erwähnt noch nicht einmal, dass er selbst es ist, von dem Grass „geschieden“ werden möchte; vgl. MRR: Das Ende der Gruppe 47, in: FAZ, 21. 9. 1977. Wiederabdruck in: MRR: Meine deutsche Literatur seit 1945, hg. von Thomas Anz, München 2015, S. 54-59, hier: S. 58f.
[15] Heinz Ludwig Arnold: „Antrag auf Scheidung von meinen Kritikern“. Gespräch mit Günter Grass [am 22. 9. 1977], in: Ders.: Als Schriftsteller leben. Gespräche mit Peter Handke, Franz Xaver Kroetz, Gerhard Zwerenz, Walter Jens, Peter Rühmkorf, Günter Grass, Reinbek bei Hamburg 1979, S. 140-155, hier: S. 148.
[16] Ebd., S. 151f.
[17] Ebd., S. 154f.
[18] MRR: Gruppe 1647 [1979], in: MRR, Unser Grass (wie Anm. 11), S. 103-112, hier: S. 112.
[19] Günter Grass: Das Treffen in Telgte. Eine Erzählung, in: Ders., Werke (wie Anm.5), Bd. 6, S. 696-843, hier: S. 775.
[20] MRR, Gruppe 1647 (wie Anm. 18), S. 109.
[21] Rolf Schneider: Eine barocke Gruppe 47, in: Der Spiegel, 2. 4. 1979.
[22] Reinhard Baumgart: 300 Gramm wohlabgehangene Prosa. Günter Grass: Das Treffen in Telgte, in: SZ, 5./6. 5. 1979. Wiederabdruck in: Ders.: Deutsche Literatur der Gegenwart. Kritiken – Essays – Kommentare, München/Wien 1994, S. 342-346, hier: S. 343.
[23] Gerhard Köpf: Der Kühlmonarch. Eine Selberlebensbeschreibung, Austin/Texas 1995, S. 27.
[24] Ebd., S. 30f.
[25] Vito von Eichborn: Diese Parodie wollte Grass verhindern, in: Günter Ratte: Der Grass. „Das literarische Bubenstück“. Eine geheimnisvolle Parodie, die unter die Gürtellinie greift – und ihre Hintergründe, Frankfurt/M. 2006, S. 131f., hier: S. 131.
[26] Ebd., S. 29.
[27] Harro Zimmermann: Günter Grass unter den Deutschen. Chronik eines Verhältnisses. Göttingen 2010, S. 449.
[28] MRR: Ein katastrophales Buch [1986], in: MRR, Unser Grass (wie Anm. 11), S. 113-122.
[29] Fritz J. Raddatz: Tagebuch, 26. 5. 1986, in: Ders.: Tagebücher 1982-2001, Reinbek bei Hamburg 2010, S. 129f.; vgl. auch Günter Grass an Helen Wolff, 3. 6. 1986, in: Günter Grass/Helen Wolff: Briefe 1959-1994, hg. von Daniela Hermes, Göttingen 2003, S. 342f.
[30] Hans Werner Richter an Günter Grass, 24. 7. 1986, in: Neumann, Kein weites Feld (wie Anm. 6), S. 169.
[31] Günter Grass: Mein Jahrhundert [1999], in: Ders., Werke (wie Anm. 5), Bd. 9, S. 287.
[32] Günter Grass: Zunge zeigen, Darmstadt 1988, S. 31.
[33] Fritz J. Raddatz: Günter Grass. Unerbittliche Freunde. Ein Kritiker. Ein Autor, Zürich/Hamburg 2002, S. 78.
[34] Karol Sauerland hat Reich-Ranickis Literaturverständnis auf Positionen von Georg Lukács zurückgeführt und unter anderem an örtlich betäubt aufgezeigt, wie unangemessen die entsprechenden Beurteilungskriterien sind; Karol Sauerland: Bundesdeutsche Literaturkritik aus der Ferne betrachtet, in: Heinz Ludwig Arnold (Hg.): Literaturbetrieb in der Bundesrepublik Deutschland. Ein kritisches Handbuch, München 1981, S. 295-300. Wiederabdruck in: Heinz Ludwig Arnold (Hg.): Über Literaturkritik, Text + Kritik, H. 100, 1988, S. 6-9.
[35] Das Literarische Quartett. Gesamtausgabe aller 77 Sendungen von 1988 bis 2001, 3 Bände, Berlin 2006, Bd. I, S. 67; Sendung vom 30. 9. 1988.
[36] Ebd., S. 66.
[37] Peter Hacks im Gespräch mit André Müller, Januar 1988, in: André Müller sen.: Gespräche mit Hacks 1963-2003, Berlin 2008, S. 329.
[38] Günter Grass: Sechs Jahrzehnte. Ein Werkstattbericht, hg. von G. Fritz Margull und Hilke Ohsoling. Göttingen 2014, S. 359.
[39] Günter Grass: Catalogue Raisonné, Bd. 1: Die Radierungen, hg. von Hilke Ohsoling. Göttingen 2007, S. 559. Wiederabdruck in: MRR: Meine Bilder. Porträts und Aufsätze. Stuttgart/München 2003, S. 324.
[40] MRR, Meine Bilder, ebd., S. 325. Die Radierung ist im Jahr 1992 entstanden, das signierte Exemplar ist auf 1993 datiert. Wie Reich-Ranicki in den Besitz der Radierung gelangen konnte, ist unklar. Es existieren weder ein Begleitschreiben noch eine Danksagung. Dass es sich um ein Geschenk handeln könnte, hält Ute Grass für unwahrscheinlich, wie sie mir auf eine Anfrage mitteilte.
[41] MRR, Meine Bilder (wie Anm. 39), S. 325.
[42] Holger Helbig: Kaltnadel Grass, in: Ders.: Bewahrt auf der Netzhaut. Gedichte, Weimar 2002, S. 59.
[43] MRR, Meine Bilder (wie Anm. 39), S. 317.
[44] Dieter Stolz: Günter Grass zur Einführung, Hamburg 1999, S. 176.
[45] Günter Grass: Ein weites Feld, in: Ders., Werke (wie Anm. 5), Bd. 8, S. 595.
[46] Günter Grass: Nötige Kritik oder Hinrichtung? Interview mit Hellmuth Karasek und Rolf Becker, in: Der Spiegel, 16. 7. 1990.
[47] Günter Grass: Unterwegs von Deutschland nach Deutschland. Tagebuch 1990, Göttingen 2009, S. 107.
[48] Günter Grass: Bericht aus Altdöbern [1990], in: Ders., Werke (wie Anm. 5), Bd. 12, S. 277-282. Vgl. hierzu auch einen Tagebucheintrag von Peter Rühmkorf: „TV ‚Stammtisch‘ mit u. a. MRR, der recht selbstherrlich kräht und staatsanwaltlich über die Ränge der deutschen Gegenwartsliteratur verfügt. Erklärt von seinem Glashaus aus Christa Wolf und Stephan Hermlin zu bloßer Makulatur, was mir mit literarischer Kritik nicht mehr viel, mit Exkommunikation und Schauprozessen schon sehr viel mehr zu tun zu haben scheint. – Moral? Eine Machtfrage. Ein Gedanke, den heute schon niemand mehr vorzubringen wagt. Marcel Reich Ranietzsche.“ Peter Rühmkorf: Tagebuch, 19. 11 1989, in: Ders.: Tabu I. Tagebücher 1989-1991, Reinbek bei Hamburg 1995, S. 141.
[49] Karl-Markus Gauß: Stellungnahme zur Vergabe des Literaturnobelpreises an Günter Grass, in: Der Spiegel, 4. 10. 1999.
[50] Michael Schneider an Günter Grass, 31. 10. 1999, in: Uwe Neumann (Hg.): Alles gesagt? Eine vielstimmige Chronik zu Leben und Werk von Günter Grass, Göttingen 2017, S. 579.
[51] MRR: Aus persönlicher Sicht. Gespräche 1999 bis 2006, hg. von Christiane Schmidt, München 2006, S. 62.
[52] Günter Grass: Fortsetzung folgt [1999], in: Ders., Werke (wie Anm. 5), Bd. 12, S. 556-572, hier: S. 563.
[53] Volker Hage: Das seltsame Paar, in: Der Spiegel Geschichte Nr. 2, 31. 3. 2009.
[54] Helmut Arntzen: Streit der Fakultäten. Neue Aphorismen und Fabeln, Münster 2000, S. 92. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Helmut Arntzen: Literaturkritik? Annotierte Zitate aus einem Buch von Marcel Reich-Ranicki, in: Ulrich Horstmann/Wolfgang Zach (Hg.): Kunstgriffe. Auskünfte zur Reichweite von Literaturtheorie und Literaturkritik, Frankfurt/M. u. a. 1989, S. 27-33.
[55] Volker Weidermann: Es ist ein ekelhaftes Gedicht. Ein Gespräch mit Marcel Reich-Ranicki, aus erzwungenem Anlass, in: FAS, 8. 4. 2012.
[56] Volker Weidermann: Dichtertreffen. Begegnungen mit Autoren, Köln 2016, S. 298.
[57] Günter Grass: Einige halbwegs genaue Erinnerungen. Für Andrzej Wirth zum 85. Geburtstag, in: Ders.: Eintagsfliegen. Gelegentliche Gedichte, Göttingen 2012, S. 93f., hier: S. 93.
[58] Vgl. MRR, Mein Leben (wie Anm. 9), S. 384ff.
[59] Die Darstellung von Grass wurde durch Heiner Müller in Umlauf gebracht, vgl. Heiner Müller: „Zur Lage der Nation“. Heiner Müller im Interview mit Frank M. Raddatz, Berlin 1990, S. 94f. Vgl. die Replik von MRR: War Grass ein bulgarischer Spion?, in: Der Spiegel, 9. 4. 1990. Wiederabdruck in: MRR: Unser Grass, München 2003, S. 123-131.
[60] Günter Grass: Mit langem Atem, in: Ders.: Vonne Endlichkait, Göttingen 2015, S. 24.
[61] Vgl. Volker Hage: Der Kritiker der Deutschen, in: Der Spiegel, 21. 9. 2013.