„Det er den Draumen“ – „Das ist der Traum“

Norwegen als Gastland auf der FBM2019

Von Saskia ZiemackiRSS-Newsfeed neuer Artikel von Saskia Ziemacki und Malin ZinkeRSS-Newsfeed neuer Artikel von Malin Zinke

Norwegen, das Land der Fjorde, Skisportler, Trolle und Nordlichter. Wer im Gastlandpavillon der diesjährigen Frankfurter Buchmesse allerdings bildgewaltige Naturfotografien oder langbärtige Wikinger erwartet, wird eines Besseren belehrt. Denn so gerne die Natur norwegischen Autor*innen als Stoff für ihre Krimis, Märchen und Sachbücher dient, so wenig steht sie bei der Bühnen- und Ausstellungsgestaltung im Mittelpunkt. Das Gastland präsentiert sich oder besser gesagt seine Literatur im schlichten skandinavischen Design. Denn nach Wunsch des Projektleiters Halldór Guðmundsson sollen „der Mensch, die Literatur und die Leser im Zentrum stehen“. Woran er zusammen mit NORLA (Norwegian Literature Abroad), die den Gastlandauftritt im Auftrag der norwegischen Regierung organisiert, gearbeitet hat, gilt als bisher größte norwegische Kulturoffensive im Ausland. Über 500 Bücher sind in diesem Rahmen bereits auf Deutsch erschienen oder werden bis Ende des Jahres noch veröffentlicht. Hinzu kommen eine Reihe von Auftritten, Lesungen und andere kulturelle Veranstaltungen im deutschsprachigen Raum.

Zusammen mit allen Literaturbegeisterten teilt das nordische Land seinen Traum: Die Freude am Lesen zu verbreiten, für die Freiheit des Wortes einzutreten und norwegische Geschichten in die Welt hinaus zu tragen. Ein Stück weit scheint sich das Motto, das aus einem Gedicht des Lyrikers Olav H. Hauge stammt, bereits verwirklicht zu haben: „Das ist der Traum, den wir tragen, dass etwas Wunderbares geschieht“. 2018 war ein Rekordjahr, was die Übersetzungen norwegischer Buchtitel betrifft, und schon ein Jahr zuvor wurde Maja Lundes Geschichte der Bienen das erfolgreichste Buch in Deutschland. Dort schildert sie aus drei verschiedenen Perspektiven, vom Jahre 1852 bis 2098, den Umgang von Mensch und Natur und stellt damit eine wichtige Frage des aktuellen Klimadiskurses – die Frage nach der Zukunft unserer Kinder. Nach dem zweiten Roman aus dem literarischen Klimaquartett, Die Geschichte des Wassers, stellt Lunde ihren neuen Roman aus der Reihe vor, Die letzten ihrer Art. „Schreiben Sie, wo es brennt“, verrät Lunde ein norwegisches Sprichwort. Auch die Eröffnungsrede der Buchmesse ist mit einer Doppelrede der norwegischen Autoren Erika Fatland und Karl Ove Knausgård nicht nur poetisch, sondern ebenso politisch. So bezieht sich die für ihre Reiseliteratur bekannte Autorin Fatland auf ihren neuen Roman Die Grenze und betont, wie wichtig es sei, in Schwellenländern lesen und sich bilden zu können. Begleitet werden Fatland und Knausgård von einem samischen Liedbeitrag von Elle Márjá Eira.

Der traditionelle Gesang der indigenen Bevölkerung Nordskandinaviens zieht sich auch weiterhin durchs Programm. Bei einem Joik-Auftritt singen drei Samen klangvoll und in bunter Tracht von ihrer tiefen Verbundenheit zur rauen nordischen Natur. Kaum Wörter sind auszumachen in dem Joik der Norwegerin Biret Risten Sara, nur eine emotionale Melodie, die an einen Moment in ihrem Leben im Umgang mit einem wilden Tier erinnern soll. Inga Ravna Eira folgt mit einem heiteren Joik über ihren Welpen, der wegrannte und mit schmutzigem Fell wiederkam. Das Gedicht bestehe aus nur einem Wort, sagt sie, und kann sehr oft wiederholt werden. Karen Anne Buljo will uns mit ihrem Joik an die Religion erinnern und den spirituellen Glauben der Samen. Auch die Messe habe einen sehr guten Spirit, weshalb sie sie mit einem Joik über das heilige Tier, den Bären, segnet.

Die Sängerinnen hauchen der schlichten, eleganten Atmosphäre des Pavillons etwas Gefühlvolles und Lebendiges ein. So öffnen sich nicht nur Zeit und Türen, sondern auch das Herz, wie es in Hauges Gedicht heißt.

Ein Beitrag aus der Redaktion Gegenwartskulturen der Universität Duisburg-Essen