Endlich Fußball spielen können

Rose Lagercrantz erzählt von Fußball und dass Freundschaft Berge versetzen kann

Von Susanne MarschallRSS-Newsfeed neuer Artikel von Susanne Marschall

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ein Fußball. Ausgerechnet einen Fußball bekommt sie geschenkt. Und auch noch ausgerechnet von ihrer besten Freundin: Melody weiß doch ganz genau, dass sie eine schiefe Hüfte hat – zwei verschieden lange Beine. Dass sie hinkt, nicht rennen und schon gar kein Fußball spielen kann. Okay, diese letzte Operation scheint tatsächlich gut verlaufen zu sein. Aber ihr einen Tag danach einen Fußball ins Krankenhaus zu bringen, auf dem auch noch steht: „Cäcilie vor, noch ein Tor!“, das ist schon etwas daneben. Cäcilies Mutter ist jedenfalls ziemlich sauer, und sie selber weiß auch nicht so recht, was sie davon halten soll: Es wird ewig dauern, bis sie überhaupt wieder laufen kann. Und rennen ….

Melody war anfangs von ihrer Idee begeistert. Hat es sogar geschafft, ihre Lehrerin und ihre Klassenkameraden von dem Geschenk zu überzeugen – alle haben auf dem Fußball unterschrieben. Aber jetzt ist sie etwas verunsichert: Cäcilie freut sich überhaupt nicht, sondern stottert nur rum: „Aber ich kann doch nicht…“ – und im Eck steht ein Rollstuhl…

Doch Melody gibt so schnell nicht auf: Wenn sie sich mal was in den Kopf gesetzt hat, dann fackelt sie nicht lange. Wie mit dem Fußballspielen: Ihre Eltern haben sie Melody genannt, weil sie Musik mögen. „Sie wollten, dass ich singe und Instrumente spiele.“ Aber Melody ist eine Fußballverrückte: Sie spielt beim FC Birka, der „Superfußballmannschaft“, und will Mello genannt werden. Und sie ist natürlich richtig gut und will hoch hinaus – bis in die Nationalmannschaft.

Cäcilie ist anders: Zu Hause sagt sie zwar schon mal, was sie denkt. Das nervt vor allem ihre große Schwester Rikka, weil sie findet, dass man nicht einfach alles sagen darf. In der Schule ist sie eher still: Zu still, sagt ihre Lehrerin, und dass sie zu wenig Selbstbewusstsein hat. Dabei sollte sie stolz auf sich sein, weil sie so „wunderbare Geschichten“ schreibt. Ja, Cäcilie schreibt gern, Schwedisch ist ihr Lieblingsfach. Vielmehr war: „Seit Mello in mein Leben gekommen war, mochte ich Sport am liebsten, weil sie in den Sportstunden neben mir sitzen und mir Gesellschaft leisten durfte.“

Nur eines gefällt Cäcilie nicht an ihrer neuen Freundschaft: „Wir konnten uns nie nachmittags treffen.“ Mello war nach der Schule immer mit Fußballspielen beschäftigt, entweder beim FC Birka oder allein: „Wenn man in einer Superfußballmannschaft ist, muss man in jeder freien Minute trainieren.“ Aber das wird sich jetzt ändern, denn Mello hat natürlich ihren Plan nicht aufgegeben, Cäcilie zu trainieren. Und die legt sich ordentlich ins Zeug, um so schnell wie möglich laufen zu können, auch, um ihre Oma in Finnland zum Geburtstag zu überraschen.

Sie macht Krankengymnastik und übt und übt und übt, bis sie eines Tages auch die Krücken nicht mehr braucht: „Das fühlte sich so ganz anders an verglichen mit früher.“ Bis sie versteht, warum: „Ich hinkte nicht mehr! So fühlt sich das also für die anderen Menschen an, dachte ich. Seltsam!“ Und schon steht Mello vor der Tür. Das Training wird allerdings nicht gerade einfach: Einerseits, weil sie es heimlich machen müssen – Cäcilies Mutter ist strikt dagegen. Andererseits, weil sie Angst vor dem Ball hat: Jedes Mal, wenn Mello aufs Tor schießt, springt Cäcilie verschreckt zur Seite. Aber Mello ist geduldig: Sie weiß, dass ihre Freundin Fußball spielen kann, ermutigt sie, spornt sie an: „Jedes Mal, wenn ich es schaffte, ihr den Ball abzujagen, rief sie: ‚Ja, du bist die Größte, Cäcilie!‘“

Rose Lagercrantz hat eine richtig schöne Freundschaftsgeschichte geschrieben. Sie beschreibt nicht und erklärt nicht, ist weder geschwätzig noch tränendrüsig – sie erzählt einfach. Vielmehr, sie lässt erzählen, von Cäcilie, der kleinen Heldin, die über sich selbst hinauswächst, weil Mello an sie glaubt. Und die ihr auf die Frage antwortet, warum sie gut Fußball spielt: „Eigentlich kann das niemand! Man glaubt einfach nur, dass man es kann – und schon geht es.“ So wird Cäcilie vom überbehüteten Mauerblümchen zur selbstsicheren Torfrau. Und so ganz nebenbei erfährt man noch so einiges über Cäcilies Familie: Etwa, dass der Vater jetzt bei Kerstin wohnt, ihre Schwester oft ziemlich fies ist und Konzertpianistin werden will. Dass das Geld manchmal knapp ist und dass sie eine magische Mundharmonika hat: Denn wenn sie drei Mal reinbläst, werden ihre Wünsche erfüllt. Zumindest hat es geklappt, als ihre Mutter ein Rubbel-Los gekauft hat – danach war der Kühlschrank gut gefüllt – und die Operation ist auch gut verlaufen. Die Erzählung schwingt in feinen leisen Tönen und noch leiseren zwischen den Zeilen, und die einfache Sprache ist eingängig und bildhaft. Wie die kleinen Illustrationen von Karen Krings, die den Text harmonisch auflockern und meist sehr fantasievoll angeschnitten sind: Ein bisschen so, als würde man durch ein Schlüsselloch gucken.

Titelbild

Rose Lagercrantz / Karen Krings: Wozu hat man eine Freundin?
Übersetzt aus dem Schwedischen von Angelika Kutsch.
Moritz Verlag, Frankfurt am Main 2018.
104 Seiten, 11,95 EUR.
ISBN-13: 9783895653599

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