Ein kompakter Reiseführer auf den Spuren der Berliner Maurer

Zum Jubiläum des Mauerfalls unternimmt Bernd Ingmar Gutberlet eine Reise durch das ehemals geteilte Berlin

Von Manfred OrlickRSS-Newsfeed neuer Artikel von Manfred Orlick

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In fünf Stunden war am 13. August 1961 die Sektorengrenze zwischen Ost- und Westberlin und die Stadtgrenze West-Berlins zum Brandenburger Umland abgeriegelt. Im Ganzen besehen aber hatte die Berliner Mauer eine Bauzeit von 28 Jahren, 2 Monaten und 27 Tagen. Denn was am Anfang Stacheldraht war, wurde nach und nach befestigt, ausgebaut und unterhalten – und das bis zum Fall der Mauer am 9. November 1989.

Heute erinnert in der neuen gesamtdeutschen Hauptstadt nicht mehr viel an die Teilung der Stadt durch Mauer und Stacheldraht. Selbst Berlinern, die die Zeit der Teilung noch erlebt haben, kommen die konkreten Erinnerungen abhanden und sie wissen kaum noch, wo genau einst die Mauer verlief. Dabei wollen Berlin-Touristen bei ihrem Besuch natürlich auch die Mauer sehen. Manche fragen dann, warum nicht viel mehr davon erhalten geblieben ist.

Der Historiker und Journalist Bernd Ingmar Gutberlet (geb. 1966), seit den 1980er Jahren Berliner, hat mit Berlin für die Hosentasche (2017) bereits „das kleinste Buch über die größte Stadt Deutschlands“ herausgebracht. Nun folgt sein kompakter Reiseführer, um die Spuren, die die Berliner Mauer hinterlassen hat, auch 30 Jahre später noch sichtbar zu machen. Bevor der Autor seine Führung durch Berlin beginnt, gibt er einen recht ausführlichen Überblick über die Vorgeschichte der Berliner Mauer, die bis in den Zweiten Weltkrieg zurückreicht, als die späteren Siegermächte vereinbarten, die Reichshauptstadt in Sektoren aufzuteilen. Die Aufteilung richtete sich schließlich nach den Erfordernissen der Besatzungsmächte, die jeweils einen Flughafen, Eisenbahnverbindungen und Naherholungsgebiete beanspruchten. Doch bald brachen Konflikte zwischen Sowjets und Westmächten hervor und die „Frontstadt“ Berlin wurde in den 1950er Jahren zum Symbol des Kalten Kriegs. Zwischen 1949 und Sommer 1961 verließen rund 2,6 Millionen Menschen die DDR in Richtung Westen. Mit der Errichtung der Berliner Mauer wollte die DDR-Regierung schließlich den wachsenden Flüchtlingsstrom stoppen.

Die heute noch vorhandenen Spuren der Berliner Mauer werden in zwölf thematische Kapitel unterteilt. Zuerst werden fünf Orte (u.a. Checkpoint Charlie und Glienicker Brücke) des Kalten Kriegs aufgesucht, ehe Gutberlet eine kurze Chronologie der heißen Phase des Mauerbaus im August 1961 gibt. Die bekanntesten Symbole von Mauer und Eisernem Vorhang sind für ihn Brandenburger Tor, Potsdamer Platz, Bahnhof Friedrichstraße, Grenzübergang Dreilinden und Bernauer Straße. Letztere bildet mit ihrem ehemaligen Grenzabschnitt heute die „Gedenkstätte Berliner Mauer“. Anschließend wird über einige Fluchtversuche nach dem Mauerbau bis 1989 sowie über technische Details und die verschiedenen Bauphasen der Grenzanlagen informiert.

Der zweite Teil des Reiseführers widmet sich dann verstärkt dem Jahr 1989; zunächst den Berliner Orten der Friedlichen Revolution – von der Zionskirche über den Palast der Republik bis zur Stasi-Zentrale Lichtenberg. Am 9. November kollabierte schließlich das SED-System. Nach der Auflistung der rasanten Tagesereignisse stellt Gutberlet fünf Orte des Mauerfalls vor, darunter das DDR-Presseamt Mohrenstraße, wo um 18.52 Uhr der Regierungsvertreter Günter Schabowski eine neue Reiseregelung für DDR-Bürger verkündete: „Das tritt nach meiner Kenntnis … ist das sofort, unverzüglich.“

Und die Berliner Mauer? Über 28 Jahre hatte sie die Stadt zerschnitten, aber wie schnell ist sie dann verschwunden. Bereits 1990 begann ihr Abriss. Heute ist von ihr nur noch wenig zu sehen. Die Stadt tat sich lange schwer, der Mauer Denkmalschutz zuzugestehen, denn die innerstädtische Grenze war mit einer leidvollen Erinnerung belastet und stieß aufgrund ihres geringen Alterswertes sowie ruinösen Zustandes auf breite Ablehnung. Im Laufe der Jahre wurden insgesamt 25 Denkmalteilpositionen – einige hundert Meter Mauerabschnitte und drei Wachtürme – als Symbol der 40-jährigen Ost-West-Teilung unter Denkmalschutz gestellt.

Die meisten innerstädtischen Mauerorte sind allerdings von Besuchern notorisch überlaufen, daher empfiehlt Gutberlet abschließend eine Wanderroute entlang der Mauer abseits der Touristenpfade. Komplettiert wird der Reiseführer durch ein „Kleines Berliner Mauer-ABC“ und einige Literaturhinweise. Bernd Ingmar Gutberlet hat einen kompakten Reiseführer mit vielen historischen Hintergründen geschrieben, lediglich eine Illustration mit einigen Fotos der Mauerorte vermisst man.

Titelbild

Bernd Ingmar Gutberlet: Die Berliner Mauer für die Hosentasche. Was Reiseführer verschweigen.
Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a. M. 2019.
298 Seiten, 10,00 EUR.
ISBN-13: 9783596522958

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch