Ein Untergang
Louis Begleys dritter Roman um den Kriegsveteranen Jack Dana: „Killer’s Choice“
Von Walter Delabar
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseRache zieht einige nachhaltige Probleme nach sich, die – um es ins Allgemeine zu wenden – von den meisten Gesellschaften einigermaßen kleingehalten werden. Sie gilt als archaisches und zugleich attraktives, weil direktes Verfahren, um Unrecht auszugleichen – Auge um Auge etc. Aber da sie immer ein paar uneingelöste Restposten übrig lässt, hat sie die Tendenz einen nahezu endlosen Prozess loszutreten, der schließlich nur durch den Untergang aller Beteiligten abgeschlossen werden kann. Da das aber nicht wirklich geht – denn irgendeinen Verwandten, Kumpanen oder Freund gibt es immer noch mal – , hat Rache einen unangenehm ultimativen Charakter. Die Rache ist tatsächlich derart unermesslich groß, dass sie des Herrn sein muss.
Aus diesem Grund gibt es den Rechtsstaat, der das Resultat eines mehrere tausend Jahre währenden Prozesses ist, in dem Rache und ihre Folgen eingehegt werden sollen. Dass dies nicht wirklich gelingt, zeigt zumindest unsere Symbolpolitik, soll heißen die Prominenz der Rache im wohl erfolgreichsten Genre des Industriezeitalters, dem Krimi. Hier wird derart unverhohlen Rache geübt, ohne dass es das Rechtsempfinden von irgendjemandem stört, dass einem schon angst und bange werden kann. Umso beachtenswerter ist es, wenn ein Autor wie Louis Begley, der nicht nur ein Opfer des NS-Antisemitismus war, sondern auch Jurist und sich selbst zum liberalen Teil des amerikanischen Establishments zählt, sich mit einem Rachefeldzug beschäftigt.
Killer’s Choice ist bereits der dritte Roman um den Kriegsveteranen und Schriftsteller Jack Dana, der seit dem Mord an seinem Mentor Harry auf der Suche nach dem Verantwortlichen war, um ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Was in diesem Fall hieß, ihn, einen gewissen Abner Brown, in den Selbstmord zu treiben. Dies geschah auch, jetzt aber gerät Dana selbst unter Beschuss.
Bekannte Danas werden grausam gefoltert und getötet, der Auftraggeber lässt während der Tat bei Dana anrufen, damit er deren Schicksal miterleben darf. Die Suche nach den Mördern, die umgehend einsetzt, bleibt erfolglos. Auch die Intervention von Danas Schwiegervater in spe – einem milliardenschweren Modeindustriellen – beim FBI hat kaum Wirkung, zumal er selbst wenig später wegen der Spielschulden seines Sohns in den Fokus von chinesischen Triaden gerät. Geld macht halt seine eigenen Probleme. Und das FBI ist seit Trump auch nicht mehr das, was es mal war.
Dass die Ankündigung, Dana werde es an den Kragen gehen, ernst gemeint ist, erfährt er eindringlich: Immer wieder wird ihm aufgelauert. Das normale, friedliche Leben, das er nach dem Tod Abner Browns wieder aufnehmen wollte, wird ihm nach und nach unmöglich gemacht. Stattdessen muss er sich zunehmend einem Sicherheitsregime unterwerfen, das sich aber trotz aller Bemühungen vor allem dadurch auszeichnet, dass es keine Sicherheit vor der sich immer ernster abzeichnenden existenziellen Bedrohung zu bieten vermag. Was nicht zuletzt als Botschaft gelten kann.
Nun konstruiert Begley seinen Thriller nicht ungewöhnlich: Jack Dana ist mit allem ausgestattet, was einem Protagonisten heutzutage gut zu Gesicht steht. Er ist ein guter Kämpfer, kann mit Waffen umgehen, ist intelligent und dann auch noch reich genug, um sich alles das zu erlauben. Außerdem nimmt er für sich in Anspruch, ein wenig außerhalb des Gesetzes zu stehen, denn von Beginn an wird offen verhandelt, dass Dana seinen Widersacher umbringen will und dazu auch fähig ist; Begley weiß Danas Kompetenzen in angemessenen Situationen vorzuführen.
Es stünde also einem rasanten Actionthriller nichts im Wege – außer Begley selbst. Denn der Roman verweigert sich der handelsüblichen Dynamik des Thrillers, in dem der Protagonist nicht bloß alles niedermetzelt, was sich ihm und seiner Gerechtigkeit in den Weg stellt. Stattdessen verfolgt Begley einen äußerst ruhigen, beinahe gefährlich gemächlichen Stil. Dabei gelingt es ihm – gerade auch wegen der extremen Episoden, auf die der Roman hinsteuert – die Dynamik, die im Racheprinzip angelegt ist, auf bemerkenswerte Weise zu sistieren. Ja, Dana kann sich der Rache, der er sich ausgesetzt sieht, nicht entziehen. Aber gerade das scheint ihm – gegen Ende – das närrische Glück zu bescheren, welches der Weise aus gutem Grund so sehr scheut. Und das macht Killer’s Choice so bemerkenswert.
Allerdings sei zum Schluss noch eine Bemerkung zur Übersetzung erlaubt, denn es schaut so aus, als habe sich die Übersetzerin vom vermeintlichen Phlegma des Romans anstecken lassen: Jeder, der amerikanische Serien schaut, weiß, dass der gemeine FBI-Agent von nebenan den Kriminellen, dem er nachstellt, gern „bastard“ nennt. Was mit dem deutschen „Bastard“ aber nicht funktioniert.
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