Ohne klare Methodik und Erkenntnisse
Gabriele von Olberg-Haverkates Werk erweist ihrer Forschungsdisziplin einen Bärendienst
Von Ulrich D. Oppitz
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseSelten ist es, dass die Arbeit einer habilitierten Wissenschaftlerin das von ihr behandelte Thema in einer Weise bearbeitet, die als Seminararbeit eines Proseminars zurückgewiesen werden würde. Ist bereits der Begriff der „Textsorte“ konturlos, so fehlt auch dem Begriff der „Rechtsbücher“ eine eng umschriebene Bedeutung. Als Rechtsbücher werden sowohl bestimmte Rechtstexte bezeichnet wie auch in Handschriften zusammengefasste Sammlungen von rechtlichen Regelungen. Die von Gabriele von Olberg-Haverkate in den Druck gebrachte Arbeit Die Textsorte Rechtsbücher sucht vergeblich für „Textsorte“ und „Rechtsbücher“ Anhaltspunkte für eine Bestimmung der Begriffe zu finden.
Bereits zu Beginn ihrer Einführung in die Problematik zeigt die Verfasserin, dass sie einen wesentlichen Teil der Diskussion um den Begriff der Rechtsbücher recht eigenwillig verstanden hat. Soweit ersichtlich, hat kein ernstzunehmender Forscher behauptet, bei den Rechtsbüchern handele es sich um „privatrechtliche“ Aufzeichnungen. Aufzeichnungen privater Personen sind etwas prinzipiell anderes. Mit Hilfe von Fliegenbeinzählungen sucht die Verfasserin aus der überaus heterogenen Erscheinung der Rechtsbücher etwas für das ebenso unklare Begriffskonstrukt „Textsorte“ zu finden. Da sie ihre Studie auf eine Auswertung einer Auswahl von Handschriften stützt, wäre eine Darlegung der Auswahlkriterien ebenso notwendig gewesen wie eine Auswahl inhaltlich vergleichbarer Ausgangshandschriften – beides ist nicht erkennbar.
Dem Text hätte eine Lektorensorgfalt gutgetan. Anmerkung 58 gefiel der Verfasserin wohl besonders, denn sie wiederholt sie in Anmerkung 104 wortgleich. Ärgerlich, aber zum Bild der Studie passend ist das Literaturverzeichnis, das immerhin 44 Seiten umfasst. Bereits die Unterscheidung in „Drucke und Editionen“ und „Sekundärliteratur“ wird nicht beachtet, zahlreiche Editionen werden in der Sekundärliteratur genannt. Nennt üblicherweise ein Literaturverzeichnis die vollständigen Titel der im Text herangezogenen Arbeiten, so hat die Verfasserin in ihre Liste 409 Titel aufgenommen, von denen sie in ihren 474 Anmerkungen lediglich 147 Titel heranzieht und zitiert. Von den 409 Titeln sind fünf Titel doppelt aufgenommen, andererseits fehlen 18 zitierte Titel im Literaturverzeichnis. Autorennamen gab von Olberg-Haverkate eine eigene Leseweise, und so entstanden zum Beispiel die Autoren „C. Berteslmeier-Kierst“, „S. Bucholz“, „I. Bucholz-Johaneck“, „J. Gloydke“, „K. Kroeschel“ und „D. Munzel-Everding“. Fehlende Erscheinungsjahre und unrichtig aufgenommene Titel ergänzen den Gesamteindruck.
Eine Nichtbeachtung des Lebenswerkes eines Rechtshistorikers ist es schließlich, wenn von Karl August Eckhardt zwar seine Habilitationsschrift zum Deutschenspiegel (1924) aufgeführt wird, jedoch nicht seine Edition des Deutschenspiegels in Studia iuris Teutonici (1971) ausgewertet wird. Der Verfasserin entgeht dadurch, dass ein Wissenschaftler in nahezu 50 Jahren weitere Überlegungen zu dem Thema angestellt hat. Bei den Besonderheiten ihrer Textfassung ist es verständlich, dass die Studie in einer Reihe erscheint, zu deren Mitherausgebern die Autorin gerechnet wird.
Ein Beitrag aus der Mittelalter-Redaktion der Universität Marburg
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