Laufend erzählen

Isabel Bogdans eigenwilliger Roman über das Laufen

Von Lukas PallitschRSS-Newsfeed neuer Artikel von Lukas Pallitsch

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Noch nicht viele, aber doch einige Autoren haben versucht, einen Prosatext über das Laufen zu schreiben. Der japanische Bestsellerautor Haruki Murakami etwa unternimmt in Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede den Versuch, Laufen und Schreiben als die leitenden Grundformen seiner Existenz auszuloten. Dasselbe, wenngleich auf ganz andere Weise, hat nun Isabel Bogdan mit Laufen getan.

Vorweg ist zu sagen, dass Isabel Bogdan sowohl zu ihrem witzig leichten Romanerstling Der Pfau als auch zum Genre eines sport- und lebensphilosophischen Breviers à la Murakami auf Distanz geht. Während sich von ihrem komödiantischen Debütroman kaum Linien zu diesem Text ziehen lassen, bleibt von Murakamis zwischen Lifestyle und Sinnkrise kartographierten Spannungsfeld nur noch das alles dominierende Moment der Krise.

Allmählich erfahren wir auch, warum die Protagonistin läuft. Sie versucht der Weltordnung zu entfliehen, um den Suizid des Lebenspartners zu verarbeiten. Bei diesem Rauslaufen kreuzen sich Trauer und Hoffnung, Resignation und Eifer. Dass die Leserinnen und Leser diesen Auslöser rasch erahnen, aber verhältnismäßig spät bemerken, ist das Ergebnis einer narrativen Anachronie, da die chronologische Ordnung etwas umgestellt ist. Höchst eigenwillig sind in diesem melancholischen Roman Ton, Erzählordnung und vor allem die Erzählhaltung. Im Grunde genommen wird gar kein linearer Plot erzählt, zumal die Gedanken aus der Ich-Erzählerin strömen.

Im durchaus gelungenen Versuch, den stream of consciousness aus Traumszenen herauszulösen und in den Akt des Laufens zu integrieren, liegt die Meisterschaft dieses Erzähltexts. Dass dabei die Regeln des Satzbaus nicht durchbrochen werden, ergibt sich daraus, dass sich die Gedanken beim Laufen zwar stes lösen und frei flottieren, aber dennoch kohärent bleiben. Doch je stärker sich Form und Inhalt angleichen, desto langatmiger wird der Text stellenweise. Das kann aber auch der Kunst des Laufens selbst verpflichtet sein, kommt es doch auf einen langen Atem an.

Titelbild

Isabel Bogdan: Laufen. Roman.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2019.
200 Seiten, 20,00 EUR.
ISBN-13: 9783462053494

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