Wenn Erfahrung keinen Spaß macht

Heinrich Steinfest beschäftigt sich in seiner „Gebrauchsanweisung fürs Scheitern“ mit der Lust und Unlust des Misslingens

Von Stefan CernohubyRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefan Cernohuby

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es gibt eine Menge Tätigkeiten, die man immer wieder ausübt, manchmal auch gezwungenermaßen. So richtig warm wird man mit ihnen jedoch nie, geschweige denn möchte man sich mit ihnen auseinandersetzen. Daher wird es eher zu einer philosophischen Tätigkeit, mehr über sie herauszufinden. Oder zur Realität. Heinrich Steinfest hat sich davon trotzdem nicht abschrecken lassen und eine Gebrauchsanweisung fürs Scheitern verfasst.

Wie kann man ein Buch übers Scheitern am besten beginnen? Mit einer Geschichte darüber, warum man es geschrieben hat und nicht das Buch, das man eigentlich schreiben wollte. Weil man zu langsam war und es ein anderer Autor bereits geschrieben hat. Mit einer solchen Anekdote über das Scheitern beginnt also Heinrich Steinfest. Im gleichen Nachwort, das hier als Vorwort verwendet wird, denkt der Autor darüber nach, wie ein Mahnmal des Scheiterns – in diesem Fall Jesus Christus am Kreuz – eigentlich zum Symbol einer Weltreligion werden konnte. Mögen wir das Scheitern doch?

Doch im weiteren Verlauf des Werks nähert man sich dem Thema aus ganz unterschiedlichen Richtungen an. Falsch benannte Bilder von Segelboten, eigene Erfahrungen beim Segeln und letztendlich gescheiterte Weltumsegler machen den Anfang. Es geht um Flüche, Gott und Teufel, Krankheit und Scheitern an der Tischtennisplatte und im Sport. Entscheidungen bei der Wahl der richtigen Kleidung und in der Liebe haben jetzt nicht so viel gemeinsam, man findet sie aber trotzdem im selben Kapitel. Aber das Scheitern der Wahrheit – oder doch unser eigenes Scheitern an der Wahrheit – benötigt ein eigenes Kapitel, das man hier auch bekommt. Kochen, Kunst, Top-10 des eigenen Scheiterns, bekannte noch im längerfristigen Scheitern befindliche Großbauprojekte sowie Unglück und Glück runden die Umkreisung des Themas ab.

Wobei kann man als Mensch scheitern? Mit allem. Das ist gleichermaßen erwiesen, unerfreulich und problematisch. Denn wer scheitert schon gerne? Niemand. Außer man kann das Thema danach in eine Richtung lenken, in der man eine Niederlage zum Ausgangspunkt eines späteren Erfolgs machen kann. Oder in der man sich über die Schlechtigkeit der Welt beklagt. Oder in der es um Fußball geht. Ein Thema, das Heinrich Steinfest nicht unbedingt liegt. Er hat dieses Manko jedoch dadurch ausgeglichen, indem er es geschickt aus der Entfernung punktiert und das Essenzielle daran für seine anderen sportlichen Beispiele entnimmt. Er präsentiert das Scheitern in vielerlei Form, zeigt Beispiele aus der Geschichte auf, fügt private Erinnerungen ein, wird philosophisch und lässt seine verschiedenen kulturellen Erfahrungen in die Materie einfließen. Aber wie scheitert man nun richtig? Was unternimmt man, wenn man scheitert? Wo sollte man ein Scheitern hinnehmen, wo sich dagegen sträuben? Kann Scheitern nun Gottes Strafe oder ein Fluch sein oder doch nur eine mathematische Anomalie? Eine statistische Wahrscheinlichkeit, die umso höher wird, je öfter man etwas versucht?

Alles im Buch liest sich flüssig. Es ist gut geschrieben, sprüht von Sprachwitz, fordert den Leser dabei auf, mitzudenken. Aber ist es nun eine Gebrauchsanweisung?

Steinfest setzt sich mit einem der menschlichsten Themen auseinander, das man sich nur vorstellen kann. Wiewohl das Werk das Scheitern als Solches, als philosophischer Ansatz, als Unvermeidlichkeit und als typische Eigenheit des Menschen aus vielerlei Gesichtspunkten betrachtet, ist das Werk beim besten Willen keine Anleitung. Vielleicht muss es das auch nicht sein. Denn der Autor vermag zum Nachdenken zu animieren, zum Lachen zu bringen und literarisch zu fesseln. Jeder scheitert irgendwann an irgendetwas. Scheitern ist unvermeidlich. So, wie letztendlich vermutlich auch das Erscheinen dieses Buchs, das nicht unbedingt das ist, was es verspricht, dabei aber doch gut unterhält.

Titelbild

Heinrich Steinfest: Gebrauchsanweisung fürs Scheitern.
Piper Verlag, München 2019.
240 Seiten, 15,00 EUR.
ISBN-13: 9783492277334

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