Den Geist einen und Souveränität fördern

Culadasa John Yates hat mit dem „Handbuch Meditation“ eine umfangreiche Anleitung zur Meditationspraxis geschrieben

Von Sandy SchefflerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sandy Scheffler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Mit seinem Handbuch Meditation hat der promovierte Neurowissenschaftler Culadasa John Yates den Meditierenden einen klar gegliederten, gut strukturierten und sehr umfangreichen „Reiseführer“ mitgegeben, der sie auf ihrer Expedition nach innen mit „Landkarten“ und „detaillierten Richtungsangaben“ ausstattet. In seiner Komplexität sucht das Handbuch in der breiten Literatur zur Meditation und Achtsamkeit seinesgleichen. Das stattliche, mehr als 500 Seiten starke Buch ist Nachschlagewerk und Übungsanleitung zugleich, das trotz seines Umfangs immer präzise auf den Punkt kommt. Yates navigiert den Leser Schritt für Schritt durch zehn Stufen der Meditation, ergänzt um sechs so genannte „Zwischenspiele“, die bestimmte Aspekte, wie Erfahrungshorizonte oder Hindernisse, genauer beleuchten. In den Anhängen A bis F werden drei zentrale Meditationstechniken (Gehmeditation, Analytische Meditation, Meditation der liebenden Güte) und drei zentrale Begriffe (Jhanas, Achtsame Rückschau, „Dunkle Nacht“) eingehend erläutert. Ein Glossar verzeichnet und erklärt wichtige Termini und ermöglicht zusammen mit dem Register ein rasches Auffinden und präzises Üben.

Die Einleitung bringt dem Leser ein sehr konkretes Vorgehen nahe und vermittelt, dass die exakte Begriffsklärung Teil des Lernprozesses ist, um die Stufen der Meditationspraxis verstehen und für sich verorten zu können. Damit gibt Yates gerade den Alleinpraktizierenden, die nicht in einem Kollektiv üben, ein erfolgversprechendes Instrument an die Hand. Als Beispiel sei der Weg zum Erfahrungsniveau des „Erwachens“ genannt. Hierfür braucht es die Kombination aus Shamata („Geistesruhe oder ruhiges Verweilen“) und Vipassana („Einsicht“). Beide mentale Zustände wiederum werden aus „müheloser stabiler Aufmerksamkeit“ (Samadhi) und „starker Achtsamkeit“ (Sati) erzeugt. Die Kritik, die Yates an vielen Meditationstraditionen übt, ist die, dass „eine Spaltung zwischen Samadhi und Sati“ vorgenommen wird und „die Praxis der Konzentration ausschließlich mit Shamata und die Praxis der Achtsamkeit ausschließlich mit Vipassana“ verknüpft wird. Beides führt jeweils auf unterschiedliche Art zu Problemen. Stabile Aufmerksamkeit ohne Achtsamkeit führt einen „Zustand seliger Dumpfheit“ herbei. Achtsamkeit ohne ein gewisses Maß an stabiler Aufmerksamkeit besteht in „geistigem Abschweifen bzw. Umherwandern des Geistes, körperlichem Unbehagen, Schläfrigkeit und Frustration“.

Die Struktur des Handbuches sieht daher vor, in zehn Stufen eine Möglichkeit anzubieten, Schritt für Schritt erfolgreich in der Meditationspraxis voran zu kommen und parallel dazu den eigenen aktuellen Übungsstand zu reflektieren. Dies versteht sich nicht als ausschließend, sondern als ergänzend zu anderen Techniken und macht zudem klar, wie hinderlich „Ungeduld“ und „krampfhaftes Bemühen“ sind. „Wenn Sie der körperlichen Geschmeidigkeit und der meditativen Freude nachjagen, ist das so, als würden Sie eine Knospe aufbrechen, damit sie schneller blüht.“ Yates rät, auf den Prozess zu vertrauen und täglich diszipliniert zu üben, wobei es für Ausdauer und Motivation entscheidend ist, eine bewusste „Absicht“ zu fassen. Die Absichtsschulung hilft, geduldig immer wieder zur Atemaufmerksamkeit und Achtsamkeit zurückzukehren, auf deren Basis sich die Stabilität des Geistes gründen wird: „Sorgen Sie für den Geist wie ein geschickter Gärtner für seinen Garten, und alles wird zu gegebener Zeit blühen und Früchte tragen.“

Wie aber ist das nun mit der Aufmerksamkeit und dem Umgang mit unzähligen Eindrücken, die in der schnelllebigen Welt von heute auf das Individuum einwirken? Können Menschen tatsächlich immer mehr Input in immer kürzerer Zeit verarbeiten, wie wir gerne glauben möchten? Sind Ablenkungen zur Illusion geworden? Yates legt in seinem Handbuch unmissverständlich dar, dass unsere vermeintliche Beherrschbarkeit der Ablenkungen illusorisch ist: „Um nicht missverstanden zu werden: Bei uns allen wechselt die Aufmerksamkeit, ob wir nun meditieren oder nicht. Der Unterschied ist der, dass Nichtmeditierende ihre Aufmerksamkeit nicht als wechselnd erleben. Vielmehr existiert die Illusion, dass man zwei oder mehr Dingen gleichzeitig Aufmerksamkeit schenkt.“ Was wir also gemeinhin als eine Wahrnehmung erfahren, als ein Multitasking, gibt es Yates zufolge gar nicht. In Wahrheit bewegt sich der Fokus der Aufmerksamkeit so schnell zwischen verschiedenen Objekten hin und her, dass es „scheinbar keine Unterbrechung gibt – sie wirkt, als sei sie simultan auf beides gerichtet“. Man kann es sich in etwa vorstellen wie in einem Film: Der Strom einzelner hintereinander geschalteter Bilder, die in überaus rascher Folge dem Auge präsentiert werden, erzeugt die Illusion einer einzigen Bewegung.

Um von einer wechselnden, spontanen Aufmerksamkeit zu einer stabilen zu gelangen, bedarf es der Übung, den Geist beständig auf ein Meditationsobjekt gerichtet zu halten. Klassischerweise wird die Aufmerksamkeit auf den Atem gelenkt. Die vorgefasste Absicht, mit dem abgelenkten Geist immer wieder zum eigenen Atem zurückzukehren, bestärkt die Übung, die anfangs nicht so leicht ist wie sie zunächst erscheinen mag. Der Geist driftet ab, wir langweilen uns vielleicht oder gehen diversen Gedanken nach, die unwillkürlich in uns auftauchen. Eine bewusste Absichtserklärung diszipliniert mit der Zeit den unbewusst wirkenden Mechanismus, der ständig abwägt, was wichtiger oder interessanter ist, und dementsprechend immerfort hin und her springt. Das funktioniert deshalb, weil „jede im Bewusstsein festgehaltene Information […] an das Unbewusste kommuniziert“ wird. Meditation ist somit eine „Absichtserklärung“ an unseren Geist, eine bestimmte Richtung einzuschlagen. Mit der Zeit werden dadurch „unbewusst ablaufende geistige Prozesse“ umprogrammiert. Kommt nun noch die Achtsamkeit hinzu, die Yates definiert als „die optimale Interaktion zwischen Aufmerksamkeit und peripherem Gewahrsein, was eine Steigerung der Bewusstseinskraft des Geistes insgesamt erfordert“, können wir gut auf eine Stabilität hinarbeiten. Das Handbuch beschreibt stufenweise den Weg dorthin.

Auf den Stufen eins bis fünf geht es hauptsächlich darum, „stabile Aufmerksamkeit“ zu entwickeln durch das Fokussieren der Aufmerksamkeit auf den Atem bei gleichzeitigem Beibehalten des „peripheren Gewahrseins“, also bei gleichzeitiger Wahrnehmung der im Hintergrund ablaufenden oder befindlichen Dinge, ohne sich von ihnen ablenken zu lassen. Im so genannten „Zweiten Zwischenspiel“ beschreibt Yates fünf Hindernisse und sieben Probleme, die die Meditation und ihren Erfolg behindern. Jedem „Hindernis“ ist eine kurze, eingängige Beschreibung mitgeliefert, die dem Leser sowohl Erklärungen anbietet als auch die nötigen Werkzeuge zur Selbstüberprüfung liefert. „Weltliches Verlangen“, „Ablehnung“, „Faulheit und Trägheit“, „Unruhe aufgrund von Sorge und Reue“ und „Zweifel“ sind die genannten „Hindernisse“, denen jeweils ein „entgegenwirkender Meditationsfaktor“ anheimgestellt wird.

Der „vereinigte Geist“ wirkt entspannend auf „weltliches Verlangen“. Die Fokussierung auf „Wohlgefühl“ und „Glück“ in der Meditation wirkt der negativen Geisteshaltung der „Ablehnung“ entgegen. „Faulheit und Trägheit“ bedarf der gerichteten Aufmerksamkeit, die bewirkt, Dinge einfach zu tun statt sie endlos aufzuschieben. „Unruhe aufgrund von Sorge und Reue“ begegnet man am geschicktesten mit meditativer Freude. Sie hat die Fähigkeit, Sorge zu überwinden, „weil sie Selbstvertrauen und Optimismus erzeugt“. Der Reue wird mit einem positiven Geist begegnet, der Dinge in Ordnung bringen und keine schädigenden Handlungen mehr ausführen möchte. „Anhaltende Aufmerksamkeit“ und ständiges Bemühen führen zu steigendem Vertrauen in die Praxis und in sich selbst, so dass der sich einstellende Erfolg den Zweifel schwinden lässt. Die „sieben Probleme“, zu denen „Ungeduld“, „Ablenkung“, der „Affen-Geist“ und „Selbstzweifel“ gehören, schildern kurz und prägnant die „psychischen Hürden“ der Meditation.

Um auf den weitergehenden Stufen immer intensiver mit dem eigenen Geist arbeiten zu können, ist es wichtig seine Funktionsweise kennenzulernen. So legt Yates dar, dass es nicht nur den Geist als ein Ding an sich gibt, sondern verschiedene geistige Prozesse, die insgesamt darum bemüht sind, für Wohlbefinden zu sorgen. Stellt sich nun Unzufriedenheit auf einem Gebiet ein, kann es sein, dass der Geist auf einem anderen Gebiet versucht das Wohlgefühl zu erlangen. Das Resultat in diesem Beispiel sind jedoch Konflikte und Zweifel auf der geistigen Ebene, die einen ungeeinten Geist begünstigen. Ein ungeeinter Geist ist auch zugleich ein ungeübter Geist, der sich nur schwerlich auf das Meditieren und auf das Einsgerichtetsein ausrichten lässt: „Je weniger Harmonie unter den verschiedenen Teilen des Geistes herrscht, umso unzufriedener und ungeduldiger sind sie.“ Yates schlägt vor, solcherlei Zweifel und Ungeduld in der Meditationspraxis aufzulösen, indem sich der Übende a) immer wieder an die positiven Effekte erinnert, b) indem er die Praxis genießt und c) indem er sich beim Entdecken neuerlichen Abschweifens „auf das einzige Ereignis, das wirklich wichtig ist, nämlich, dass [man] ,wach geworden‘ [ist]“, fokussiert.

Gelingt es dann mit einiger Übung achtsam zu bleiben, dann werden Meditierende zum einen ruhiger und zum anderen nicht mehr vorschnell und emotional reagieren, was leicht aus dem Gleichgewicht bringt. Das bewusste Wahrnehmen einer Situation lässt die Konsequenzen von Reaktionen besser abwägen und bietet somit eine Option zu einem angemessenen Verhalten. „Wenn uns bewusst ist, dass unser Leid mehr mit unseren emotionalen Reaktionen zu tun hat als mit dem, was das Leid ausgelöst hat, fällt es uns schon allein dadurch leichter, die negativen Emotionen loszulassen.“ Dies ist jedoch nur ein erster Schritt. Die Wahrscheinlichkeit, dass in einer ähnlichen Situation ähnliche reaktive Muster aktiviert werden, ist hoch. Aufmerksam und bewusst zu bleiben, bedarf daher einer beständigen Übung. Erst eine gewisse Stabilität der Aufmerksamkeit kann eine gewisse Gelassenheit und Ruhe und darauf basierend angemessenes Handeln herbeiführen. Daher ist eine regelmäßige Praxis wichtig, um eine echte Transformation tief eingewurzelter, reaktiver Handlungsmuster zu erreichen.

Wie aber funktioniert das praktisch? Nun, „Aufmerksamkeit und Gewahrsein versorgen den unbewussten Geist mit neuen Informationen in Echtzeit, die für das momentane Geschehen unmittelbar relevant sind. Unbewusste Prozesse erhalten die Information, dass die von ihnen produzierten Reaktionen in der gegenwärtigen Situation nicht angemessen sind und mehr Schaden anrichten, als hilfreich sind. Mit diesen neuen Informationen kann auf den tiefsten Ebenen des Unbewussten eine Umprogrammierung stattfinden.“ Vom Zentrum der auf den Atem ausgerichteten Einsgerichtetheit aus zu beobachten, was sich im Geist zeigt, und zwar ohne auf die mit den aufsteigenden Bildern verknüpften, teils intensiven Emotionen zu reagieren, ist der Schlüssel zur Loslösung vom damit verbundenen Leiden. Den ständig wechselnden Bildern und daran geknüpften Emotionen zu folgen oder sie gar zu analysieren, bedeutet, sich in ihnen zu verstricken. Durch aufwallende intensive Emotionen werden die (oft negativen) Gedanken angeheizt und umgekehrt führten derlei Gedanken zu einer Intensivierung der Emotionen. Es gliche dem Wind, der die Flammen eines Brandes immer höher und noch weiter treibt. Damit kann der Feuerherd jedoch nicht gelöscht werden. Die Kühle der einsgerichteten Aufmerksamkeit jedoch, die beim Atem verweilt, ist wie das Wasser, das die Flammen besänftigt. Der Übende kann sich nicht retten, indem er mitten in die Flammen hineinspringt. Wende er sich jedoch der Meditation zu, stärkt er den Prozess der geistigen Reinigung mit Hilfe der Instrumente der Aufmerksamkeit, der Achtsamkeit, des Gewahrseins, der Sammlung und der Beständigkeit. Das Ergebnis sind klare Handlungen, die einem geeinten Geist entspringen und auf Verständigung setzen statt auf Disput.

Ein großer Fallstrick auf dem Weg zu den höheren und höchsten Stufen der Meditation können Niveaus so genannter „Dumpfheit“ sein. Yates beschreibt, wie in „subtiler Dumpfheit“ „Deutlichkeit und Klarheit des Meditationsobjektes“ abnehmen, „das extraspektive und das introspektive periphere Gewahrsein“ schwinden, während zugleich „ein komfortables, entspanntes und angenehmes Gefühl besteht“. Dieses angenehme Gefühl kann der Praktizierende fälschlicherweise als besondere Meditationsleistung für sich verbuchen oder sich sogar noch weiter darin treiben lassen. So stellt sich die Frage, wie sich der Zustand angenehmer subtiler Dumpfheit von klarer, heiterer Achtsamkeit unterscheiden lässt? Ein Indikator für den Grad der Achtsamkeit ist: „Je achtsamer Sie im Augenblick sind, umso schwieriger ist es, aufgeschreckt oder überrascht zu werden.“

Für die höheren Stufen der Meditation misst Yates sechs „Kernpunkten“ entscheidende Bedeutung bei. Ihre Grundlage bildet die „Erinnerung, dass der bewusste Geist nichts tut“. Die sechs Punkte können als Leitfaden dienen und fassen präzise die Funktionsbedingungen des Geistes zusammen. „Das Bewusstsein ist ein Prozess des Informationsaustausches zwischen Untergruppen des unbewussten Geistes“ – Kernpunkt eins. Kernpunkt zwei – „Jede neue Fähigkeit und neuartige Handlung ergibt sich aus Interaktionen des gesamten Geistsystems beim Ausführen exekutiver Funktionen“. „Die Inhalte des bewussten Geistes sind immer nur geistige „Konstrukte“, Erfindungen, die daher kommen, dass Geist-Untergruppen des Unbewussten Informationen verarbeiten“ – Kernpunkt drei. Kernpunkt vier – „Der Eindruck, es gebe einen gesonderten „Agierenden“, der etwas tut und erlebt, ist […] ein nützliches, aber fiktives Konstrukt des erzählenden Geistes, das vom unterscheidenden Geist verdinglicht wird“.

Aus diesen vier Beobachtungen leitet Yates zwei weitere wesentliche Dinge ab. Zum einen ist „das Geistsystem […] ein dynamisches, sich selbst programmierendes System“, dessen Wandel durch den bewussten Geist und die Ausrichtung der „Absicht“ erfolgt, und zum anderen ergibt sich die „Erfahrung des Bewusstseins“ aus der „gemeinsamen Rezeptivität“ der Untergruppen des Geistes. Zufriedenheits- und Harmoniegefühle stellen sich ein, wenn immer mehr Untergruppen des Geistes, durch eine gemeinsame Absicht verbunden, zusammenarbeiten. Yates spricht hier von der „Vereinigung des Geistes“. Diese Absicht ist natürlich die Absicht, Techniken der Meditation regelmäßig anzuwenden.

Erstaunlich ist die Beobachtung Yates‘, dass im Grunde „jede einzelne Emotion“, jeder Gedanke, jedes Wort und jede Tat mit einer Absicht einher[geht]“. Nur die Übung, die Aufmerksamkeit beständig fokussiert zu halten, verringert das spontane Aufscheinen „geistiger Objekte, die vom denkenden/emotionalen Geist ins Bewusstsein projiziert werden“. Dieser Prozess beginnt auf der Stufe sechs und beschreibt das Bändigen der so genannten „subtilen Ablenkungen“, wodurch der Geist Frieden findet. Wichtig ist der gegebene Hinweis: „Denken Sie daran: Nicht Sie befrieden Ihren Geist. Es geschieht von allein, wenn Sie immer wieder ausschließliche Aufmerksamkeit erlangen und so lange wie möglich aufrechterhalten“. Das Hauptaugenmerk auf dem Weg zu diesem Ziel liegt auf der Beharrlichkeit. Dieses Rennen ist nur mit echter Ausdauer zu gewinnen. Es bedeutet konkret, dass das Bemühen um die Aufmerksamkeit solange mit Energie aufrechterhalten werden muss, bis sie von alleine stabil bleibt und kaum noch aktives Bemühen nötig ist. Woran aber erkennt man nun, dass die Vereinigung des Geistes soweit fortgeschritten ist, dass sie mühelos und schlicht da ist? – Wann immer Sie Freude spüren, die nicht von einer gewissen Aufgeregtheit flankiert ist, sondern von ruhiger Weite, wissen Sie, dass Sie sich im „,natürlichen‘ Zustand eines geeinten Geistes“ aufhalten.

Der positive Einfluss, den die Meditationspraxis nicht nur auf die Erfahrungswelt des einzelnen Übenden nimmt, sondern auch auf die soziale Umwelt, kann nicht genug Wertschätzung erfahren. Um mit Yates zu sprechen: „Die Schönheit und die Bedeutung eines gut gelebten Lebens bestehen nicht in den Werken, die wir hinterlassen“, sie bestehen in dem Einfluss einer bewussten Erfahrungsqualität auf uns und andere. Nicht nur ab und zu, sondern konstant. Eine bewusste Erfahrungsqualität wird somit selbst zu einem Kunstwerk, und zwar insofern als sie erst durch den Meditierenden geschaffen werden muss. Je mehr die Bewusstheit anwächst, desto ausdrucksstärker wird der persönliche Pinselstrich. Somit ist auch klar, dass eine individuelle Färbung wegen der individuellen Lebenserfahrungen, Emotionen, Gedanken, Aktionen und Reaktionen erhalten bleibt. Das ist der Farbkasten, mit dem wir arbeiten dürfen, um die Natur unseres Geistes zu erforschen und seine Wirkungen zu verstehen. „Direkte Beobachtung“ und „Erfahrung“, das meint absichtsloses Schauen während sich die Dinge ereignen, ohne intellektuelles Eingreifen des Verstandes, führt zu einer Schulung der Intuition. Sie wiederum beinhaltet das Potenzial, die „Natur der Wirklichkeit“ zu erkennen und somit wach zu werden. Die Dinge zu erkennen, jenseits einer rein intellektuellen Beschreibbarkeit, offenbart die Natur des Geistes und weist auf den Geist in allen Dingen jenseits ihrer Temporarität und Veränderbarkeit.

Gelingt es, Stabilität in die Bewusstheit zu bringen und das Leben hierauf auszurichten, können „schädigende Emotionen und Verhaltensweisen“ überwunden werden. Ein bewusster Mensch kann seine Handlungen souverän wählen, da er frei von reaktiven Mustern ist. Er „verfügt über die Liebe, das Mitgefühl und die Energie, die Dinge, wann immer möglich, zum Besseren zu wenden; über die Gelassenheit zu akzeptieren, was nicht geändert werden kann, und über die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden“.

Titelbild

Culadasa John Yates: Handbuch Meditation.
Übersetzt aus dem Englischen von Susanne Kahn-Ackermann.
Arkana Verlag, München 2017.
557 Seiten, 30,00 EUR.
ISBN-13: 9783442342150

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