Positives über Negativität

Mit ihrer Studie „Autorinnen der Negativität“ hat Mandy Dröscher-Teille eine für die Forschung anschlussfähige Untersuchung über die Poetiken von Ingeborg Bachmann, Elfriede Jelinek und Marlene Streeruwitz vorgelegt

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Bekanntlich hat Österreich im Laufe seiner Geschichte zahlreiche herausragende Literatinnen hervorgebracht. Drei der bekanntesten, Ingeborg Bachmann, Elfriede Jelinek und Marlene Streeruwitz, werden von Mandy Dröscher-Teille als Autorinnen der Negativität charakterisiert. In ihrer Dissertation gleichen Titels folgt die Literaturwissenschaftlerin den „Prozessen der Schmerzentstehung“ in den Werken der Schriftstellerinnen. Denn die innerliterarische Genesis von Schmerzen bildet Dröscher-Teille zufolge die „poetologische Klammer“, welche die Werke aller drei Autorinnen miteinander verbindet und zugleich deren „programmatische Ausrichtung“ umreißt, die wiederum darin liege, dass es „die Negativität der Gesellschaft“ ist, die „bei den literarischen Figuren nicht selten Schmerzen auslöst“. Ihre zentrale These besagt darüber hinaus, dass sich die Poetiken von Bachmann, Jelinek und Streeruwitz „entlang des Begriffes der Negativität [konstituieren], insofern sie sich zum einen von konventionellen (poetologisch-ästhetischen) Bestimmungen zugunsten einer essayistischen Struktur lösen und zum anderen thematisch Negatives in den Blick nehmen“. So „üben“ die drei Schriftstellerinnen in und mit ihren Werken „Sprach-, Geschlechter-, Medien-, Geschichts- und Politikkritik durch die Beschreibung des Negativen“. Allerdings könne aus diesem Befund keineswegs geschlossen werden, dass sie „ausschließlich Negatives skizzieren“. Tatsächlich gingen sie unter Bezugnahme auf Adornos Kritischer Theorie vielmehr der berühmten Frage nach, ob „‘ein richtiges Leben im falschen‘ möglich“ sei.

Die Autorin der vorliegenden Monographie wiederum verfolgt das Negative in den Werken der Schriftstellerinnen nicht nur „im Sinne dessen, was nicht sein soll“, sondern auch in seiner Bedeutung als „nicht-zur-Sprache-Kommende[s], Abseitige[s], […] an den Rand Gedrängte[s], gesellschaftlich[.] Periphere[s], Ausgeschlossene[s] und Nicht-mit-den-Konventionen-Identische[s]“. Zum Dritten schließlich bezieht sie „das Attribut ‚negativ‘“ darauf, dass die Poetiken von Bachmann, Jelinek und Streeruwitz „gängige literarische Kategorien, Gattungs- und Genregrenzen […] zugunsten einer essayistischen Teststruktur aufgeben“. Wie Dröscher-Teille näher darlegt, setzen die drei Literatinnen ihre Poetiken allerdings „formal auf unterschiedliche Weise um: als Poetik der Chiffrierung (Bachmann), als Poetik der Brechung (Streeruwitz) und als Poetik der Anmaßung (Jelinek)“. Ausgehend von „gendertheoretischen und dekonstruktiv-feministischen Prämissen“ werden diese drei Poetiken auf wiederum drei verschiedenen Ebenen untersucht: „der textexternen Autorinneninszenierung“, „der sprachlich-formalen Gestaltung der Romane, Gedichte und Dramen“ sowie „der textinternen Figuren- und Handlungszusammenhänge“.

Dröscher-Teille gruppiert ihre Analysen der Werke von Bachmann und Jelinek um diejenigen von Streeruwitz. Letztere stehen somit inhaltlich wie formal im Mittelpunkt der Studie und werden auf weit über zweihundert Seiten eingehend analysiert, während diejenigen Bachmanns nur auf hundert und Jelineks gerade mal auf fünfzig Seiten kommen. Dabei bezieht die Verfasserin zwar zahlreiche Schriften der drei Autorinnen bis hin zu kleinen Beiträgen in Zeitschriften ein, konzentriert sich jedoch jeweils auf einige wenige. Bei Streeruwitz sind dies ihre Tübinger und Frankfurter Poetikvorlesungen sowie die literarischen Texte Morire in levitate, Kreuzungen, Nachkommen und natürlich Die Schmerzmacherin. Im Falle Bachmanns beleuchtet sie insbesondere die Nachgelassenen Gedichte und deren einzigen vollendeten Roman Malina, von Jelinek schließlich die Nobelpreisrede und den Essay Textflächen.

Bevor sich Dröscher-Teille allerdings den Werkanalysen selbst zuwendet, widmet sie sich ausführlich den Gemeinsamkeiten der poetischen Konzepte von Bachmann, Jelinek und Streeruwitz wie etwa dem „Essayismus als Vertextungsprinzip“ oder der „Darstellung faschistoider Strukturen“.

Mag die Kategorisierung von Bachmann, Jelinek und Streeruwitz als Autorinnen der Negativität an sich auch nicht sehr überraschend sein, so ist doch erhellend, wie Dröscher-Teille sie unter Bezugnahme auf Adornos Negative Dialektik und Barbara Vinkens dekonstruktiven Feminismus mit Inhalt füllt. Ebenso originell wie plausibel ist zudem die These des „Essayismus als Vertextungsprinzip“ der drei Schriftstellerinnen. Kurzum, Mandy Dröscher-Teille hat eine für weitere Forschungen anschlussfähige Studie vorgelegt.

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Mandy Dröscher-Teille: Autorinnen der Negativität. Essayistische Poetik der Schmerzen bei Ingeborg Bachmann – Marlene Streeruwitz – Elfriede Jelinek.
Wilhelm Fink Verlag, Paderborn 2018.
533 Seiten, 89,00 EUR.
ISBN-13: 9783770563173

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