Berger & Blom gegen die Russenmafia

Mit „Vier durch vier“ hat Arne Dahl in seiner neuen Thriller-Reihe die Grundrechenarten nun durch

Von Dietmar JacobsenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Dietmar Jacobsen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Von der Subtraktion (Sieben minus eins, 2016) über Multiplikation (Sechs mal zwei, 2017) und Addition (Fünf plus drei, 2018) bis aktuell zur Division – Arne Dahls Buchserie um die beiden zentralen Figuren Sam Berger und Molly Blom scheint – zumindest wenn man sich an den deutschen Titeln orientiert – an einem Endpunkt angekommen zu sein. Das ist einerseits nicht so schlimm, denn im Vergleich zu der 10-bändigen Reihe um die A-Gruppe, eine Sonderermittlungseinheit der schwedischen Polizei für Verbrechen mit internationalem Background (1998 bis 2007) und den vier Romanen der sogenannten Opcop-Serie (2011 bis 2014) fallen die Berger-Blom-Bände, nicht zuletzt was ihre literarische Qualität betrifft, doch ab. Andererseits dürften eingefleischte Dahl-Fans sich inzwischen aber auch an die wendungs- und actionreichen Abenteuer des Duos gewöhnt haben und vor allem darauf gespannt sein, wie sich das private Verhältnis der beiden nach der Geburt ihrer gemeinsamen Tochter weiterentwickeln wird. Somit gibt es durchaus noch Erzählfäden, die von Dahl in einem fünften Band weitergesponnen werden könnten, auch wenn dann keine weitere Grundrechenart für die deutschsprachige Ausgabe als Überschrift mehr zur Verfügung stünde.

In Vier durch vier jedenfalls ermittelt der nach den im Vorgängerband Fünf plus drei geschilderten Ereignissen psychisch angeschlagene Sam Berger erst einmal allein. Er hat eine Detektivfirma, die „Bootshaus Security AB“, aufgemacht und ist hauptsächlich Versicherungsbetrügern auf der Spur. Weil das nicht gerade prickelnd ist, kommt ihm ein Entführungsfall, auf den ihn seine Stockholmer Psychotherapeutin ansetzt, gerade recht. Eine ihrer Patientinnen, Nadja Karlsson, wurde auf offener Straße gekidnappt. Weil keine reichen Verwandten existieren, hat sich der Entführer mit seinen Forderungen an die Therapeutin gewandt, über deren Vermögensverhältnisse und die Tatsache, dass sie ein besonderes Verhältnis zu ihrer Patientin hat, er offenbar im Bilde ist. Sollte ein Lösegeld nicht binnen drei Tagen gezahlt werden, droht er damit, der seit geraumer Zeit in Schweden lebenden Ukrainerin den Kopf abzuschlagen.

Eigentlich soll Berger den Aufenthaltsort Nadjas ermitteln und sie zurückholen. Aber die Sache erweist sich schnell als komplizierter denn gedacht. Offensichtlich hat nämlich die Russenmafia ihre Finger im Spiel. Nadja Karlsson ist auf das Geheiß eines ihrer Paten einst mit einem Trick als Zwangsprostituierte nach Schweden geholt worden und landete zusammen mit anderen Frauen aus den sich transformierenden Ostblock-Staaten in einem Haus, das mit den dort herrschenden Gepflogenheiten seinem Namen SVOBODA (Freiheit) Hohn sprach. Brutal vergewaltigt und Tag für Tag gedemütigt von einem psychopathischen Verwalter, der von allen nur als „der Oberst“ bezeichnet wurde, hat sie die Jahre im Haus knapp überlebt. Warum sie nun plötzlich, da sie für verschiedene Reinigungsfirmen arbeitet und sich ein neues Leben aufzubauen im Begriff ist, von der Vergangenheit wieder eingeholt werden soll, kann Sam Berger anfangs nicht verstehen.

Erst als Molly Blom sechs Wochen nach der Geburt ihrer gemeinsamen Tochter Myrina plötzlich auftaucht und sofort bereit ist, an dem Entführungsfall mitzuarbeiten, kommt langsam Licht ins Dunkel. Denn Molly hat als Ex-Geheimdienstlerin häufig undercover gearbeitet – bei einem dieser immer mit akuter Lebensgefahr verbundenen Jobs hat sie Sam Berger in Band 1 der Reihe auch kennengelernt – und weiß mehr über das von der russischen Mafia geführte Bordell und die vielen lukrativen Geschäfte, die neben Menschenhandel und illegaler Prostitution dort betrieben wurden. Allerdings hat ihr Bewusstsein die Erinnerungen an jene Zeit inzwischen weitgehend verdrängt. Ob sie sich freilich auch nicht mehr daran erinnern kann, wo die 20 Millionen Euro abgeblieben sind, die der vor Jahren verstorbene Pate Stepanka unterschlug und nach deren Versteck der inzwischen zum Chef aufgestiegene „Oberst“ Vitenka hektisch sucht, ist eine Frage, die auch eine gute Freundin von Sam Berger, Kriminalkommissarin Desiré Rosenkvist, umtreibt. Und langsam wird, was mit der Entführung einer ehemaligen Zwangsprostituierten begann, zu einem Fall, der alle in ihn Verstrickten in tödliche Gefahr bringt

Vier durch vier ist nicht ganz so krawallig wie der dritte Band der Berger-Blom-Reihe. Einfach zu durchschauen sind die vielen Wendungen und Täuschungsmanöver, die Dahl in eine Geschichte eingebaut hat, die bis in die ersten Jahre des „gewendeten“ Ostblocks zurückreicht, dennoch nicht. Wenn es zwischendurch gelegentlich so aussieht, als stünde Sam Berger mit seinem unbedingten Willen, die Wahrheit über die Beweggründe hinter der Entführung von Nadja Karlsson herauszubekommen, ganz allein da, ist das aber auch nicht richtig. Denn sowohl auf die Frau, mit der er seit Neuestem ein gemeinsames Kind hat, als auch auf seine Ex-Kollegin und Freundin Desiré Rosenkvist ist zu hundert Prozent Verlass. Und so gilt auch diesmal wieder: Getrennt (manchmal sogar gegeneinander) ermitteln, aber die Täter gemeinsam zur Strecke bringen!

Titelbild

Arne Dahl: Vier durch Vier. Kriminalroman.
Aus dem Schwedischen von Wibke Kuhn.
Piper Verlag, München 2020.
448 Seiten, 16,99 EUR.
ISBN-13: 9783492059282

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