Im Slang der Zeit
Juliane Baldy erzählt in ihrem Romandebüt „Paul“ die coming-of-age-Geschichte eines Siebzehnjährigen
Von Karsten Herrmann
Paul wohnt in Berlin und am letzten Tag vor den Sommerferien hängt er ausnahmsweise mal mit seinen Klassenkameraden auf dem Stufenhügel ab. Er ist eigentlich ein Einzelgänger, der weder zu den Gewinnern noch zu den Losern in seiner Klasse gehört, ganz auf „anti-Konflikt“ setzt und zumeist an seinem Rechner zockt. An diesem Tag lernt er die schlagfertige und direkte Ida kennen, die sich nach dem ersten Flirt aber gleich in die langen Sommerferien verabschiedet und nach Sizilien reist. Paul bleibt mit seiner alleinerziehenden Mutter zu Hause und lässt sich auf einer spontanen und etwas aus dem Ruder gelaufenen Party von Franzi, der „Bitch“, verführen und sehnt sich doch nach Ida, mit der er immer nur am Rechner texten kann: „Ich könnte ausrasten. Das heißeste Mädchen der Schule KANN einfach nicht aufhören mit mir zu texten. BAM.“
Mit Marko findet Paul in diesen Tagen auch zum ersten Mal so etwas wie einen Freund. Und auch zu Hause ist es turbulent: Seine Mutter ist schwanger von ihrem neuen Freund, zugleich lernt Paul auch noch seinen leiblichen Vater kennen, der in Köln eine große Nummer ist. Und am Ende der Ferien kommt der große Knall und Absturz in seinem Leben.
Den Slang der Jugend nachzuahmen ist immer eine knifflige Sache, die leicht aufgesetzt wirken kann. Das passiert auch der 1985 in Neuss geborenen Juliane Baldy, die bisher vor allem Thaterstücke geschrieben hat, auf den ersten Seiten ihres Romans. Aber immer besser kommt sie mit ihren kurzen Stakkatosätzen, denen oftmals das Ende fehlt, in den Beat und zieht den Leser in den hormongeschwängerten Kosmos ihres jungen Helden. Fast von einem Tag auf den anderen wechselt er aus seiner digitalen Welt in das „real life“ mit erster Liebe, erstem Mal, Alkohol-Abstürzen, Sehnsucht und Verzweiflung. Paul fällt es in diesen turbulenten und gefühlsverwirrenden Tagen schwer, eine Orientierung zu finden. Der coole Slang ist der Schutzschild dieses eigentlich so einsamen, unerfahrenen und verletzlichen Helden.
Feinfühlig und humorvoll beleuchtet Juliane Baldy auch das Verhältnis von Paul zu seiner Mutter, ihrem „Freak“-Freund und zu seinem leiblichen Vater. Sie zeigt, wie sehr Paul und wohl die meistens seiner Altersgenossen in ihrem eigenen Kosmos kreisen und das Leben der Erwachsenen abseits von Erzeuger-, Erzieher- und Ernährer-Rolle nicht wirklich wahrnehmen.
Am Ende dieses coming-of-age-Romans auf der Höhe der Zeit wartet Julian Baldy mit einem dramatischen Höhepunkt auf, der Paul aus der Bahn zu werfen droht und zu einem Aufbruch ins Ungewisse führt.
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