Freund und Feind in der Gruppe 47

Reich-Ranicki als literarische Figur

Von Uwe NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Uwe Neumann

Vorbemerkung der Redaktion: Der folgende Beitrag ist Uwe Neumanns im Mai 2020 erschienenem Buch „Der Große Zackenbarsch. Marcel Reich-Ranicki als literarische Figur“ entnommen.

Zur Gruppe 47 gelangt Reich-Ranicki im Oktober 1958. Mühelos kann er sich neben den etablierten Kritikergrößen behaupten, vor allem die nach den Lesungen übliche Sofortkritik liegt seinem Naturell. Nachdem Hans Werner Richter das neue Gruppenmitglied anfangs noch umworben hatte – „ich kann Sie als Kritiker nicht mehr entbehren“[1] –, wird der temperamentvolle Neuzugang schnell zu einem Störfaktor. Mehrere Autoren drohen im Herbst 1961, nicht mehr zu kommen, falls Reich-Ranicki weiterhin teilnähme. Ratlos wendet sich Richter an Siegfried Lenz:

Was soll ich tun? Sie alle wollen an den Tagungen der Gruppe nicht mehr teilnehmen, wenn ich Ranicki weiterhin einlade. Der angegebene Grund ist: Die Kritik wird allzu akademisch, offiziell, hat innerhalb der Gruppe ein Eigenleben, und dient nicht dem Autor, sondern schadet ihm. Das, was dort gesagt wird, eben von jenen Berufskritikern, könne man auch in den Zeitungen lesen, und damit hätte die Gruppe ihre eigentlich ursprüngliche Aufgabe verfehlt, nämlich das kritische Gespräch unter Autoren. Die Fachkritik, wobei es fragwürdig sei, ob diese Fachkritiker überhaupt über ein Privileg dieser Art verfügten, sei von Übel. Dabei würden nicht Freundschaften gebildet, sondern zerstört, und auch das Kommunikationselement der Gruppe, das sich so stark in den letzten und auch vorletzten Nachkriegsjahren ausgewirkt hätte, ginge verloren. Ranicki sei gerade hier ein toter und störender Punkt. Sein mangelndes Gefühl für Freundschaften, seine Eitelkeit, sein sich Anpassen an gerade herrschende Linien, seine, wie man sagt, Verballhornung der literarischen Nachkriegsentwicklung, das sei alles auf die Dauer unerträglich. Es genüge, wenn man das in den Zeitungen läse. In der Gruppe möchte man es nicht haben. Ranicki gehöre einfach nicht zur Clique, so wenig wie Hans Mayer. Diese Ansicht teilen auch Leute wie Enzensberger, Kaiser, und andere.

Was soll ich tun? Lade ich Ranicki weiterhin ein, so muß ich damit rechnen, daß die Gruppe auseinanderfällt. Gewiss, ich könnte ihn noch eine Weile starrköpfig gegen eine solche Opposition halten, aber auch meine Gefühle gegenüber Ranicki sind nicht mehr sonderlich freundschaftlich. Zwar hatte ich immer Spaß an seinem „Glaskopf“, doch habe ich im letzten Jahr zu viel gelesen, was mir herzlich mißfallen hat, leider auch in katholischen Blättern. Die Gruppe 47 ist nun einmal eine auch politisch engagierte Gruppe und hat eine in dieser Hinsicht weitgehend einheitliche Mentalität. Ranicki hat das nie bemerkt. Das war sein Fehler. Um diese Einheitlichkeit geht es in der kommenden Zeit und Grass hat recht, wenn er sagt: „Jetzt muß die Gruppe strapaziert werden.“[2]

Der Palastaufstand verläuft jedoch im Sande, der Ungeliebte erscheint weiterhin. Und von einer Änderung seines Verhaltens kann, trotz aller Bemühungen von Richter, keine Rede sein. Es geht in der Gruppe 47 also weiter mit der Klage über die, wie es Erich Fried ausdrückt, „selbstzufrieden-unbekümmerte Dampfwalzerei der Schnellkritiken Reich-Ranickis“.[3] Als sich in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre zunehmend Stimmen vernehmen lassen, die für eine Auflösung der Gruppe plädieren, ist Reich-Ranicki derselben Meinung. Nachdem er gegenüber Richter äußerte, dass im Grunde doch alle so dächten, notiert ein erboster Richter: „Er, Reich­-Ranicki, löst auf und dabei weiß er nicht, daß gerade er der Stein des Anstoßes für alle anderen ist.“[4]

Sicherlich ist Reich-Ranicki bei vielen Mitgliedern der Gruppe 47 auf Ablehnung gestoßen, allerdings sollte man sich vor Pauschalisierungen hüten, denn es gab durchaus freundschaftliche Beziehungen. Man denke an Walter Jens, dessen Freundschaft Reich-Ranicki zu den wichtigsten seines Lebens zählte. Selbst ein Günter Grass, von dem doch die Mär umgeht, er sei ein ‚Erzfeind‘ des Kritikers, sagt im Rückblick, er war mit Reich-Ranicki „befreundet in dieser Zeit“.[5] Es gibt zudem einen Aspekt, den man bei Reich-Ranickis Auftreten vor der Gruppe 47 nicht vergessen sollte. Über seinen Landsmann schreibt Tadeusz Nowakowski:

Wer sein Gesicht auf den Tagungen der Gruppe 47 beobachtet hat, der spürte, daß ihm schlechte Texte physi­schen Schmerz bereiten. Sein Daumen, wie jener von Nero, zuckte nervös. Sobald seine Kritik mit dem Satz beginnt: „Die Fairneß erfordert es, mit der Feststellung zu beginnen, X ist ein ernster und fähiger Autor“, ahnen wir, was danach kommt. Mehr noch: Wir, das Publikum auf der Tribüne, freuen uns schon darauf. Denn nur die größ­ten Heuchler behaupten, sie fänden eine Schlägerei beim Hockeyspiel langweilig.[6]

Reich-Ranicki war nicht nur ein strenger Schulmeister, er war auch ein begnadeter Entertainer, der die große Bühne liebte. Wenn dann noch Widerspruch laut wurde, entzündete sich erst recht seine Streitlust und der brillante Rhetoriker konnte zur Höchstform auflaufen. Was später einmal den Reiz des Literarischen Quartetts ausmachen wird, hier, in der Gruppe 47, ist schon alles vorgebildet.

***

Die erste rein literarische Auseinandersetzung mit Reich-Ranicki stammt aus der Feder eines Schriftstellers, von dem noch mehrfach die Rede sein wird: Martin Walser. Wahrscheinlich ist Walser auch derjenige, der unter Reich-Ranicki so gelitten hat wie kaum ein anderer. Im Frühjahr 1962 veröffentlicht Walser seinen Brief an einen ganz jungen Autor, in dem er durchspielt, wie ein unerfahrener Debütant von den Großkritikern der Gruppe 47 – Walter Höllerer, Walter Jens, Joachim Kaiser, Hans Mayer und eben Reich-Ranicki – nacheinander auf unbarmherzige Weise durch die Mangel genommen wird. Das Verhalten der gruppeneigenen Kritiker, so meinte Uwe Johnson noch Jahrzehnte später, habe „niemand lustiger und genauer beschrieben als Martin Walser“.[7] Hier der Auszug, der für uns von Interesse ist:

Dein Vorgelesenes landet […] bei Reich-­Ranicki, der sofort aufsteht, wenn er sich mit Dir abzugeben beginnt. Weil er schneller sprechen kann als seine Vorredner, kann er, bei nur geringer Überschreitung der erträglichen Rededauer, alle Verfahren seiner Vorgänger an Dir exekutieren und noch ein eigenes dazu. Sein eigenes Verfahren ist ein rechtschaffenes, es hat auch mit seiner eigenen Rechtschaffenheit zu tun. Höllerers Sprach-Bakte­riologie, Jensens Maßnahme und Platzanweisung und Kaisers Versuch, Dein Bild in seinem Spiegelkabinett zu versehren, haben Reich-Ranicki außer Wiederholungen und Korrekturen, nur noch übriggelassen, die weltliche Nützlichkeit und Anständigkeit Deines Vorgelesenen zu beurteilen. Und schon der bloße Gedanke, daß ohne sein Da- und Dabeisein dieser weiß Gott nicht nebensächliche Aspekt ganz unerwähnt geblieben wäre, versetzt Reich-­Ranicki in große Eile.

Wenn Du, ihm zuhörend, glaubst, er hätte das, was er Dir sagt, schon gewußt, bevor er Deiner Lesung zuhörte, so beweist Du dadurch nur, daß Dir solche Fertigkeit fremd ist. Bedenke bitte immer, der Kritiker ist in jedem Augen­blick einer. Der Autor hat Pausen. Und selbst wenn Reich­-Ranicki etwas sagt, was er schon vor Deiner Lesung wuß­te, so ist es doch Deine Schuld, daß ihm das jetzt wieder einfällt. Laß Dich nie dazu hinreißen, einem Kritiker ei­nen Vorwurf zu machen. Wisse (vielmehr): Der Autor ist verantwortlich für das, was dem Kritiker zu ihm einfällt. Ja, ich weiß, das ist eine schreckliche Verantwortung. Aber noch steht ja Reich-Ranicki vor Dir, und das ist gut so, denn wie auch immer seine Vorgänger mit Dir verfahren sein mögen, er wird Dich nicht ganz verlorengehen lassen.

Natürlich will auch er zeigen, daß streunende Adjektive und Vergleiche, die nur noch von verheirateten Entomolo­gen gewürdigt werden können, seine kritischen Sinne be­leidigt haben, natürlich reitet auch er gern laut und präch­tig über den Markt wie König Drosselbart (der Ahnherr aller Kritiker) und zerteppert Dir Deine Keramik, aber ohne den Oberton einer spröden, fast preußischen Güte kann er einfach nicht schimpfen. Eine nordöstliche Mutter ist er; in den Westen gekommen, um mit glänzenden Au­gen seinen Tadel so lange vorzutragen, bis sich eine Fami­lie von solchen, die nur von ihm getadelt werden wollen, um ihn versammelt. Sollte die Gruppe 47 je eine Abord­nung zu irgendwelchen Literatur-Olympiaden schicken, so wird der Mannschaftstrainer, der für zeitiges Schlafenge­hen, Beseitigung von internen Intrigen und Ausräumung von Wettbewerbsneurosen sorgt, zweifellos Reich-Ranicki sein. Unnachsichtig ist er nur gegen die geistigen Gegenden, aus denen er selber stammt. Möglich, daß er so Heim­weh bekämpft.[8]

Auch in den Reihen der Gruppe 47 fand dieser Text große Zustimmung. Nicht nur der Gruppen­chef war hellauf begeistert, selbst diejenigen, die die Zielscheibe des Spottes abgaben, zeigten sich amüsiert, allen voran Joachim Kaiser.[9] Hans Mayer gefiel der Text sogar so gut, dass er ihn in seine Anthologie mit Glanzlichtern der deutschen Literaturkritik aufgenommen hat.[10] Für Walser sollte der hochgelobte Text jedoch zu einer Art Bumerang werden. Im Novem­ber 1975 notiert er in seinem Tagebuch: „M. Reich-Ranicki: Neulich hat jemand gesagt, das Beste, was der W[alser] geschrieben hat, ist sein Aufsatz über die Kritiker der Gruppe 47.“[11]

Reich-Ranickis Auftreten bei der Gruppe 47 wird in mehreren Werken thematisiert, in kürzeren, zumeist satirischen Erzählungen, aber auch in Romanen. Hält man sich an die Chrono­logie der Tagungen, so ist mit dem Gruppentreffen 1960 in Aschaffenburg zu beginnen. In seinem Tagungsbericht schreibt Rudolf Walter Leonhardt, der damalige Feuilletonchef der ZEIT, dass Reich-Ranicki die Rolle von einem „Außenseiter“ einnahm, „der auch verehrungswürdigen Altgruppianern gegenüber kein Erbarmen kennt und durch unermüdliches Anecken sehr zur Belebung beiträgt.“[12] Eine solche Erfahrung musste die ‚Altgruppianerin‘ Barbara König machen, die 1950 zum ersten Mal vor der Gruppe gelesen hatte. 1960 in Aschaffenburg trug sie aus dem Manuskript des noch unfertigen Romans Kies vor. Die Lesung und die anschließende Diskussion hat die Autorin mehr als ein Jahrzehnt später in dem autobio­graphischen Roman Schöner Tag, dieser 13. (1973) verarbeitet:

Die Kritik an meinem „Kies“-Kapitel. Dieser Ranicki: „Zu hübsch, zu glatt, zu gekonnt, erinnert an Stefan Zweig, Anna Seghers … Die Utensilien zu niedlich, auch Birken sind immer gefährlich.“[13]

Immerhin, vermerkt die Erzählerin, habe sie trotz ihres Misserfolgs doch etwas gelernt: „sparsamer mit den Re­flexionen. Und die Utensilien absetzen.“[14] Die fiktionale Darstellung entspricht fast wortgetreu den Tagebucheintragungen von Barbara König:

Dann saß ich vorne auf dem berüchtigten Stuhl wie auf einer Bühne, sah ins Parkett und dachte: Jetzt müßte ich mich schrecklich fürchten, aber ich fürchtete mich nicht, fühlte mich nur miserabel, wie immer, wenn ich mich so ausstellen muß, und las, sehr schnell, um es hinter mich zu bringen, das erste Kapitel aus dem KIES. Das war sicher ein Fehler, Anfänge sind gewöhnlich zu deskriptiv, aber sowas weiß man bestenfalls danach. Da gingen auch schon die Kritikerhände hoch, Hans Werner rief auf. Marcel Reich-Ranicki, den Kopf wiegend, die Worte wägend: „Das ist mir zu hübsch, zu glatt, zu gekonnt, erinnert an Stefan Zweig, Anna Seghers … Die Utensilien zu niedlich; auch Birken sind immer gefähr­lich…“ Das gab zunächst einmal großes Gelächter […].[15]

Nachzutragen ist noch, dass in dem ein Jahr später erscheinenden Roman Kies nur an einer Stelle von Birken die Rede ist, und zwar so dezent und beiläufig, dass von deren Gefährlichkeit nichts mehr zu spüren ist.[16]

Im Oktober 1963 tagt die Gruppe 47 im schwäbischen Saulgau. Erstmalig erscheint Hubert Fichte, der das Anfangskapitel seines Romans Das Waisenhaus vorträgt. In dem posthum erschiene­nen Roman Der kleine Hauptbahnhof (1988) wird Fichtes Alter Ego, der Schriftsteller Jäcki, das Glück zuteil, nach Saulgau eingeladen zu werden. Seine Erfahrungen schildert Jäcki seinem Freund Dulu in einem langen Telefongespräch:

– Ich hatte furchtbare Angst. Stellen Sie sich mal vor: Die Crème de la Crème des Geistes in der Bundesrepublik. Die größten Dichter, die einflußreichsten Rezensenten, die Scouts aller gro­ßen Verlage, die Chefs der Feuilletons, die Redakteure von Funk und Fernsehen. Alles Graue Eminenzen. Jens, der die junge deutsche Literatur in Frankreich eingeführt hat, Grass, dessen Blechtrommel im Bücherregal von Liz Taylor steht. Ernst Schna­bel. Wer hier stürzt, stürzt tief. […] Der Tagungssaal: Ich würde schätzen etwa 150 Leute. Man sitzt wie im Kino. Vorn Hans Werner Richter, der als einziger alle die an­deren ansieht. Daneben der sogenannte elektrische Stuhl.

– Das finde ich gar nicht witzig, sagt Dulu ins Telefon.

– Das ist die Hinrichtungstradition der Deutschen: Die Galgenlieder, Die sieben Scharfrichter. Günter Grass sitzt rechts vorne an der Wand. Alle sehen zu ihm hin. Reich-Ranicki möchte es Grass nachmachen und setzt sich vorne links hin. Aber da guckt keiner hin. Bei Premieren im Schauspielhaus löst er das Problem, indem er kurz bevor es dunkel wird und kurz bevor Arne Beren­sen durch die dritte Reihe grätscht, aufsteht, Reich-Ranicki tut dann so, als suche er angestrengt eine Geliebte in den hinteren Reihen. Alle haben ihn gesehn, und auf den Gongschlag setzt er sich wieder. Die Chefkritiker sitzen in der ersten Reihe. Jens. Höllerer. Mayer. Joachim Kaiser fehlt.

– Alles Dr.?

– Ja, außer Reich-Ranicki.[17]

Die Zeitumstände hatten Reich-Ranicki in der Tat daran gehindert, ein Studium aufzunehmen. Ihm, dem Juden, wurde 1938 die Zulassung zur Universität verwehrt. Über einen fehlenden Doktortitel wird aber schon bald nicht mehr zu klagen sein, in seinem Leben wird es Reich-Ranicki auf neun Ehrendoktorwürden bringen. Aus Fichtes Roman sei noch eine Stelle zitiert, die eine überraschende Beobachtung enthält: „Reich-Ranicki schwieg die ganze Tagung über. Alle rätselten warum. Vielleicht hatte ihm jemand gestochen, er rede zuviel.“[18] Ähnliches liest man in einem Tagungsbericht.[19]

Dass Marcel Reich-Ranicki mehrere Tage über geschwiegen haben soll, ist schwer vorstell­bar und auch nicht ganz richtig. Hätte er es doch nur getan, mag sich im Nachhinein Hans Christoph Buch gedacht haben, der in Saulgau als gerade einmal Neunzehnjähriger auf dem ‚elektrischen Stuhl‘ Platz nahm. Von einer Rücksichtnahme auf das zarte Alter des Debütanten war in der anschließenden Diskussion nichts zu spüren, der vorgetragene Text wurde von den Kritikergrößen als „Schulaufsatz, Banalität und Schlimmeres“[20] abqualifiziert. Seine Lesung schildert Buch in dem autobiographischen Roman Stillleben mit Totenkopf (2018):

Während ich las, sah ich aus den Augenwinkeln heraus, wie der in der ersten Reihe sitzende Marcel Reich-Ranicki die Stirn in be­denkliche Falten legte und sein Nebenmann Walter Jens sich die Haare raufte, was nichts Gutes verhieß. Dabei war ich mir sicher gewesen, dass mein Text preiswürdig war – nicht aus Überheblichkeit, son­dern aus jugendlicher Unkenntnis. Der kurz zuvor von Leipzig nach Tübingen übergesiedelte Ernst Bloch deutete das Vorgelesene als Produkt spätbürgerlicher Dekadenz, die mit eisernem Besen ausgefegt werden müsse, und beförderte mich mitsamt meinem Ma­nuskript auf den Müllhaufen der Geschichte. Hans Mayer hielt ein extemporiertes Kolleg, in dem er mei­nen Text literaturhistorisch einordnete, und Reich-­Ranicki dekretierte, die Geschichte tauge nichts und sei für denkende Menschen eine Zumutung, wäh­rend Hans Magnus Enzensberger von gewolltem Leerlauf sprach, der ihn an Slapstick-Komödien und absurdes Theater erinnerte.[21]

Günter Grass stellte sich damals gegen Reich-Ranicki, wofür ihm Buch noch lange verbunden bleiben sollte. Ein Jahr nach der Tagung fügte es sich, dass Reich-Ranicki den Vater von Hans Christoph Buch kennenlernte. Natürlich wollte dieser sofort wissen, was der Kritiker von den schriftstellerischen Qualitäten des Sohnes halte. „Vollkommen unbegabt“ lautete das Verdikt. „Mein Vater antwortete: Das finde ich auch. Die beiden haben sich angefreundet. Später habe ich mich selbst mit Reich-Ranicki angefreundet, was ich nie gedacht hätte, denn er ging mir so auf den Geist mit seinen Plattitüden. Aber er hatte ein stupendes Gedächtnis, und irgendwann habe ich erkannt, dass er Sinn für Humor hatte.“[22]

Viel Sinn für Humor besaß auch Johannes Bobrowski, der 1960 zum ersten Mal an einer Tagung der Gruppe 47 teilnahm. Selbst nach dem Mauerbau war es ihm noch möglich, weiter­hin zu erscheinen. 1962 wurde er zum Preisträger der Gruppe 47 gekürt. Seine Erfahrungen im Umgang mit den Gruppenteilnehmern verarbeitete er unter dem Titel Literarisches Klima zu einer Sammlung von satirischen Epigrammen, die unter den Betroffenen für viel Beifall sorgten. Ein begeisterter Hubert Fichte wünschte sich ausdrücklich weitere Epigramme dieser Art, wobei er Uwe Johnson, Hans Mayer und Reich-Ranicki nannte. In seiner Antwort wies Bobrowski darauf hin, dass er zu diesen „Epigramm-Anwärtern“ von der DDR aus „kaum was sagen“[23] könne. Alle drei waren von Ost nach West gegangen – Mayer und Johnson galten zudem als ‚Republikflüchtlinge‘ –, sodass eine Äußerung über sie in einer westlichen Publikation für Bobrowski nicht unproblematisch gewesen wäre. Im Falle Reich-Ranickis konnte jedoch eine Lösung gefunden werden, sie lautet Der Ochsenfrosch:

Viel verbreitet die Meinung: grad er sei der allerstärkste
Diskutierer im Land, – aber was sagt er denn schon?
Lautstark ist er und rüde schimpft er, das aber doch nur, weil
er für die Diskussion stets in der Sache zu schwach.[24]

Das ist zwar eine Camouflage, aber doch eine durchschaubare. Eine Identifizierung ließe sich schon nach einem Ausschlussverfahren vornehmen, denn da die anderen vier großen Gruppen­kritiker eigene Epigramme erhalten haben, in denen sie auch namentlich genannt werden, bleibt nur noch Reich-Ranicki übrig.[25] Auch die Charakterisierung des Ochsenfrosches („rüde schimpft er“) kommt einem sehr bekannt vor. Sie stimmt zudem mit einem anderen Bild überein, das von Klaus Wagenbach stammt. Ihm zufolge waren Joachim Kaiser, Walter Jens und Hans Mayer als Kritikerpersönlichkeiten „drei Florette“, Reich-Ranicki dem gegenüber „eine wahre Axt, oder besser Streitaxt“.[26]

Die Dominanz der Gruppe 47 wurde vielfach kritisiert, vorwiegend aus dem konservativen Lager, man denke an Literaturkritiker wie Günter Blöcker oder Hans Habe, vor allem aber an Friedrich Sieburg, Reich-Ranickis Vorgänger bei der FAZ. Unter den Gegnern findet sich auch einer der großen Repräsentanten der Emigration, der Österreicher Robert Neumann, der seinen literarischen Ruhm bereits in den zwanziger und dreißiger Jahren mit seinen berühmten Parodien begründete. Mit Die Staatsaffäre legt Neumann 1964 ein schmales Buch vor – er nennt es ein „Scherzchen“[27] –, in dem er satirisch durchspielt, wie die Presse in Ost und West auf die Nachricht reagiert, dass der Hitler-Nachfolger Rudolf Heß spurlos aus dem Gefängnis in Spandau verschwunden ist. Noch während der Entstehung vermerkt Neumann, dass sich die „wirkliche Aggression in dem kleinen Buch“ gegen Reich-Ranicki richtet, woraufhin er sich sogleich zur Ordnung ruft: „Ich muß mich von meiner Antipathie diesem Mann gegenüber frei machen und sie dämpfen – da dieses Büchlein ja nun einmal ein Scherzartikel ist.“[28] Die Anstrengung ist aber vergebens: „Abends: Das über Reich-Ranicki habe ich nun doch nicht reduziert sondern verschärft.“[29] Hier nun der Diskussionsbeitrag jenes René Schleich-Schlanicki, der, so die Fiktion, in der ZEIT den Artikel Literarische Streifschüsse nach Ost und West veröffentlicht:

In eigener Sache: Wäre es in der ZEIT nicht möglich, sogar, wenn sich dereinst ein Anlaß bieten sollte, ein Mitglied der „Gruppe 47“ offenherzig zu tadeln (warum nicht? Es könnte einmal geschehen!) oder den verehrten Feuilletonchef der FAZ, Friedrich Sieburg persönlich, mit blanker Klinge zu umzüngeln (zahlreiche Leserbriefe zeigen, daß die verhüllte Spitze gegen ihn in meiner vorletzten Glosse wenigstens von einer Abonnentin nicht unbemerkt geblieben ist), ja sogar mit dem Feuilletonchef der ZEIT selbst nicht nur innerlich, sondern sogar nach gebührlich ritterlichen Verbeugungen schwarz auf weiß den Degen zu kreuzen – dann würde die Glaubwürdigkeit unserer Kritik des hiesigen literarischen Lebens peinlicherweise auf die des Lebens drüben in der sogenannten DDR herabsinken, wo man zwar die Geschmacklosigkeit begeht, uns nach den hinteren Umständen unseres Ausschlusses aus der Kommunistischen Partei im Jahre 1955 zu befragen, gleichzeitig aber dies nur als ein Vernebelungsmanöver verwenden will, um von der Tatsache abzulenken, daß man dort Autoren des polnischen Tauwetters wie Stanislaus Wojcechowicz und Kasimir Krok-Kowalski nur deshalb bedeutenderen wie Pinkus oder sogar Krapulinski-Waschlapski vorzieht, weil sie sich am 30. Juni des Vorjahres an einer Umfrage anläßlich des Geburtstages von W. Ulbricht positiv beteiligten.

Hiervon kann hier keine Rede sein, und auch der an anderer Stelle dieses Blattes in traditioneller Unparteilichkeit nicht unterdrückte Leserbrief, der uns vorwerfen zu können glaubt, als umschmusten wir unsere Gegner mit Bücklingen, um, hinter ihnen angelangt, je nachdem mit ihren Intimissima zu verfahren und ihnen dann einen Tritt zu versetzen – auch dieser Vorwurf, so behaupten wir, ist peinlicherweise falsch angesiedelt.[30]

Blättert man in dem nicht paginierten Büchlein ein paar Seiten weiter, stößt man auf ein „Manifest“ der Gruppe 47, in dem gegen alles und jeden protestiert wird:

Die unterzeichneten Mitglieder der an sich nicht existierenden Gruppe 47 bezeigen dem verschwundenen Rudolf Heß unter gleichzeitigem Protest ihre Sympathie. Sie verwahren sich dagegen, daß die Amerikaner den Russen, aber auch daß die Russen den Amerikanern in dieser Sache einen dem politischen Verantwortungsgefühl der Stunde zuwiderlaufenden Tort angetan haben könnten, und stellen ausdrücklich fest, daß sie von keiner der beiden Seiten vorher befragt worden sind und daher jede Verantwortung ablehnen müssen.[31]

Unterzeichnet ist das „Manifest“ von Alois Megalomagnus Enzensbubi, Günter Kratz, Iphigenie Bachstelz, Schnurzdietrich Wolle, René Schleich-Schlanicki und Gratulatius Jentz. Sogar in einem Literaturlexikon kann man nachlesen, dass die Polemik in Neumanns Staatsaffäre so sehr überhandnimmt, „daß aus einem hervorragenden Parodisten ein mäßiger Satiriker wird“.[32]

Die Kritik von Neumann zielt darauf ab, dass Reich-Ranicki die ZEIT für Verlautbarungen der Gruppe 47 nutzt, wenn nicht missbraucht. Aus der Sicht von Rudolf Walter Leonhardt rennt Neumann nur offene Türen ein, denn die ZEIT als „Hausorgan der Gruppe 47“ zu betrachten, erscheint dem Feuilletonchef als ein „Ehrentitel“.[33] Ein Friedrich Sieburg sieht das natürlich anders: „Es geht von der Bande, die sich in der ZEIT zusammengerottet hat, ein Terror aus, dem sich sogar große Sortimenter beugen. […] Das alles hat mit Literatur nichts zu tun; es sind reine Machtkämpfe, für deren Führung ein so geschulter ehemaliger Kommunist wie Ranitzki die besten Voraussetzungen mit sich bringt.“[34] Eine Geschmacklosigkeit sondergleichen leistet sich Hans Habe, der Reich-Ranicki als „Kapo Nummer eins des Literatur-KZ ZEIT“[35] apostrophiert. Harte Worte der Kritik kann man aber auch von linker Seite aus vernehmen. Im April 1965 schreibt Heinrich Böll: „der ‚Literaturbetrieb‘ wird immer, immer finsterer, eigentlich von ein paar eitlen ‚Machern‘ bestimmt, im übrigen: Feiglinge, auch bei der ‚Zeit‘. Leonhardt bekannte mir mehr oder weniger offen, daß sie alle von R-R erpreßt werden.“[36] Ob das Wort „erpreßt“ richtig gewählt ist, sei einmal dahingestellt. Sicherlich war Reich-Ranicki ein Machtmensch, der auf das literarische Leben Einfluss nehmen wollte, freilich immer zum Wohle der Literatur, wie er sagen würde. Und bei aller Klage über den sicher nicht einfachen Mitarbeiter durfte man in der ZEIT durchaus zufrieden sein. „Eine der Lokomotiven, die den Auflagenanstieg des Blattes beschleunigen halfen“, schreibt Karl-Heinz Janßen in einem historischen Abriss, „war bis in die frühen siebziger Jahre unbestritten Marcel Reich-Ranicki, der hier den ganzen Reichtum seiner Talente spielen lassen kann.“[37] Etwas Erstaunliches bringt Reich-Ranickis Autobiographie an den Tag: In den mehr als dreizehn Jahren, die er bei der ZEIT beschäftigt war, wurde er zu keiner einzigen Redaktionskonferenz eingeladen. Er erledigte sein enormes Arbeitspensum ausschließlich von zuhause aus, einer Hamburger Sozialbauwohnung von zwei­ein­halb Zimmern. Der ebenfalls in der Hansestadt ansässige Peter Rühmkorf spricht von einem „richtigen Kleineleutekarton, bißchen beengt und kombüsenmäßig“.[38] Das war einmal das Kraftzentrum der deutschen Literaturkritik, nach­gerade unvorstellbar.

„Nicht mehr der Autor ist wichtig, sondern der, der über ihn spricht. Es ist der Sieg der Kritik über die Literatur.“[39] Mit diesen Worten resümiert Hans Werner Richter die Tagung, die die Gruppe 47 im Herbst 1964 im schwedischen Sigtuna abhielt. Die vorgetragenen Texte waren nach allgemeiner Einschätzung eher mittelmäßig, und so schlug die Stunde der „fünf Großen“.[40] Als Reaktion auf diese Entwicklung hat Helmut Heißenbüttel den satirischen Text Gruppenkritik (1965) verfasst. Hier der letzte Abschnitt:

Walter Höllerer findet sehr viel an subtiler Substanz Wal­ter Jens findet weder Theologie noch Libretto Alexander Kluge findet eine sehr interessante Abkehr von der Rhe­torik Günter Grass findet das nun einmal eine pausbäckige Angelegenheit Hans Mayer findet den Text sehr schön Günter Grass kommt es auf den langen Atem an Marcel Reich-Ranicki will nur nicht gleich aufhören zu kritisieren wenn es sich nicht um avantgardistische Kunststücke han­delt Hans Mayer findet es schwer etwas zu sagen er ist sehr bewegt und findets wunderschön Joachim Kaiser hat kei­nen Kunstfehler entdeckt

Hans Werner Richter wundert sich über sich selbst[41]

Mit der Interpunktionslosigkeit wird angedeutet, dass sich das Kritikergerede scheinbar unendlich fortsetzen lässt, wobei es bei diesem Leerlauf eigentlich gar nicht mehr der Literatur bedarf. Der Gerechtigkeit halber muss aber angemerkt werden, dass das „erfrischend Demokratische“ der Gruppe 47 gerade darin bestanden hat, dass „Rechthaber“[42] keine Chance hatten, wie sich Friedrich Christian Delius erinnert. Günter Grass wird später über Reich-Ranicki befinden, „dass er seine beste Zeit noch in der Gruppe 47 hatte, als andere Kritiker ihm widersprachen und er sich diesem Widerspruch stellen musste. Der Größenwahn ist bei ihm erst durch die Macht der Medien, insbesondere des Fernsehens, entstanden.“[43]

In vielerlei Hinsicht fernsehreif war 1966 die Tagung, die die Gruppe 47 im amerikanischen Princeton abhielt. Hans Christoph Buch las dort einen Text, in dem er seine Erfahrungen aus Saulgau literarisch verarbeitete. Hans Werner Richter wusste schon vorher, dass er eine Satire auf die Gruppe 47 zu erwarten hatte, und er legte die Lesung ganz an das Ende des Tages, um den Anwesenden einen amüsanten Ausklang zu bieten. In seinem Text lässt Buch den Protagonisten aus Gustave Flauberts Éducation sentimentale wiederauferstehen und in eine Schrift­stel­ler­versammlung geraten:

Ein Rezensent, berüchtigt für sein unbestechliches Urteil, drohte, die Notizen vorzulesen, die er sich während der Lesung gemacht hatte: eine Zeile wie ‚Bring deinen Buckel ins Pfandhaus‘ stehe stellvertretend für die Misere einer ganzen Literatur; nicht nur gebe sie keinerlei praktische Anleitung zum Handeln, darüber hinaus enthalte sie handgreifliche Verstöße gegen die Sprache: es müsse heißen Puckel‘, nicht ‚Buckel‘ – aber das nur in Klammern, rief der Rezensent, flammend wie Mirabeau in der Nationalversammlung.[44]

Reich-Ranicki ist nicht nur durch sein Temperament zu erkennen, sondern auch durch die Angewohnheit, dass er sich fortwährend Notizen machte, was Hans Werner Richter schon bei dem erstmaligen Erscheinen des Kritikers aufgefallen war: „einen so fleißigen Zuhörer hatte ich bis dahin in diesem Kreis noch nicht erlebt.“[45] Während des Vortrages von Buch wurden die Anspielungen auf die Gruppe 47 natürlich erkannt und auch belacht. Allerdings wurde sein Text in der anschließenden Diskussion doch letztlich als zu oberflächlich und zu seicht befunden. Derlei tauge allenfalls für eine „Abiturzeitschrift“,[46] höhnte Joachim Kaiser. Ein Neuling in der Gruppe war jedoch sehr mit der Satire einverstanden: Peter Handke. Verwundern kann das nicht, denn wenige Stunden zuvor hatte er selbst für den „verrücktesten Moment der deutschen Literatur­ge­schichte der Nachkriegszeit“[47] gesorgt, als er die gestandenen Gruppenmitglieder der „Beschreibungsimpotenz“ bezichtigte. Sein Unmut galt aber nicht nur den Schriftsteller­kollegen, sondern mindestens ebenso sehr den Kritikern, allen voran „Jammergestalten wie dem Reich-Ranicki, der da kräht und schreit und die Menschen niedermacht“.[48] Ein verärgerter Günter Grass reagierte auf Handkes Invektiven mit einem offenen Brief, in dem er um „bessere Feinde“[49] bat. Hierauf reagierte Handke seinerseits mit einem offenen Brief und erklärte, dass er keineswegs ein Feind der Gruppe 47 sei: „Ich finde nur die meisten Kritiker in ihr (Marcel Reich-Ranicki, Joachim Kaiser, Walter Jens, Hans Mayer) indiskutabel.“[50] Hans Werner Richter empfahl später, den Trubel nicht allzu ernst zu nehmen, denn Handke, so Richter, „wird in ein paar Jahren vergessen sein“.[51]

In Princeton debütierte auch ein sehr junger Lyriker, der dreiundzwanzigjährige Mathias Schreiber. Seine Eindrücke von damals fasste er später so zusammen: „Reich-Ranicki, Hans Mayer, Walter Jens, Erich Fried, Walter Höllerer, Günter Grass, Joachim Kaiser, auch schon Hellmuth Karasek […] –  sie alle erschienen mir, dem lyrischen Wurm im Nobody-Staub, wie riesige, blauschwarz gefiederte, laut krächzende Raben, von denen einer mich bald aufpicken und verschlingen würde.“[52] Schreiber las aus unveröffentlichten Gedichten, darunter auch das Gedicht Woher, in dem sich die Verse finden: „Woher die Feinde nehmen / wenn ich keinem groß genug bin / für seinen Haß“.[53] Die Verse waren zwar nicht auf die Großkritiker gemünzt, passten jedoch vortrefflich in der Situation, was dem Autor offenbar erst während des Vortrages aufging. Im Anschluss bemerkte Reich-Ranicki nur, dass man es nicht mit Lyrik, sondern mit einem Aphorismus zu tun habe, wogegen wiederum Erich Fried protestierte. Zu dem kuriosen Szenario bemerkt Schreiber im Rückblick: „Ein Zufall von eigenartiger Sinnhaftigkeit – irgendwie, wenn auch sehr kleinformatig, schicksalhaft.“[54] Mathias Schreiber hat später unter Reich-Ranicki bei der FAZ gearbeitet. Gemeinsam mit Volker Hage hat er das erste biographische Porträt verfasst.[55]

Die Gruppe 47 war kaum aus Princeton zurück, da sah sie sich einem massiven Angriff von Robert Neumann ausgesetzt. Für Neumann war die Gruppe 47 eine Art Literaturkartell, in dem unbegabte Literaten („Würstchen“) einander Vorteile verschafften, ob durch gegenseitiges Lob in der Presse, Auftragsarbeiten, Literaturpreise und dergleichen Gefälligkeiten mehr.[56] Auf Kritikerseite herausragend galt ihm – und man achte auf die maliziöse Namensver­änderung – der „ledern sprühende[] Richt-Ranicki“.[57] Auffallend war der scharfe und aggressive Ton, der Hans Werner Richter an den „polemischen Stil des Dritten Reiches“[58] erinnerte. Schützenhilfe bekam Neumann durch Hans Erich Nossack, dessen Beitrag schon im Titel – „Literarische Prostitutionen“[59] – zu verstehen gibt, was er von der Gruppe 47 hält. Auch Erich Fried will in die Streitereien eingreifen. Anfang Juli 1966 kündigt er Hans Werner Richter die Veröffentlichung eines Gedichtes an, das aus unbekannten Gründen dann aber doch nicht erscheint.[60] Im Nachlass von Fried fanden sich mehrere Varianten. Eine trägt den Titel Der Angriff:

Hans Werner Richter
findet ihn
sachlich nicht richtig

Walter Jens
findet ihn jenseits
aller Kritik

Höllerer
findet ihn
weder himmlisch noch höllisch

Peter Weiß
findet ihn
zu schwarz-weiß

Heißenbüttel
bleibt kalt
aber findet ihn bitter

Becker findet ihn altbacken
Helga Novak findet
er wackelt

Rühmkorf
findet ihn unrühmlich
Schnurre nicht einmal schnurrig

Grass findet
derlei grassiere
schon grässlich lange

Reich-Ranicki
findet ihn reichlich
arm

Ledig Rowohlt
findet ihn
lediglich roh

Unseld findet ihn
unselig
Piper zum Piepen

Nur Neumann
findet ihn immer noch männlich
und neu[61]

Durch Neumanns Angriffe sah sich Richter darin bestätigt, dass es in den Anfängen der Gruppe 47 richtig war, nicht auch Vertreter der Emigration eingeladen zu haben.[62] Wirkungsvolle Erwiderungen auf Neumann und Nossack initiierte Walter Höllerer in der Zeitschrift Sprache im technischen Zeitalter.[63] Hochzufrieden meldet sich daraufhin Klaus Roehler beim Gruppenchef: „Jetzt schwimmen zwei Leichen im deutschen Literaturteich herum: Neumann und Nos­sack.“[64]

Der deutsch-österreichische Schriftsteller Peter Orthofer, der sich vor allem als Texter für das Kabarett einen Namen machen sollte, veröffentlicht 1967 einen Band mit Parodien, in denen er sich über zahlreiche Persönlichkeiten der Zeitgeschichte lustig macht. Zu den Parodierten gehört auch Peter Handke mit seiner Publikumsbeschimpfung. In einem kleinen Vorspann erfährt man: „Äußerlich gleicht er einem schüchternen jungen Mädchen, ist es aber nicht“, eine Einschätzung, die mit dem Verweis auf Handkes Auftritt in Princeton belegt wird. Bei der Erwähnung der Gruppe 47 hält es der Verfasser für nötig, eine erklärende Fußnote anzufügen:

Gruppe 47 war ur­sprünglich die Bezeich­nung für den Leserkreis von Hans Werner Richter, der zeitweise bis zu 47 Personen umfaßte. Heute versteht man darunter eine Gruppe von Litera­ten, die mit bunten Vor­tragsabenden junge Talente zu fördern suchen, von denen sie sicher sind, daß sie ihnen keine Kon­kurrenz machen werden. Außerdem vertreibt sich die Gruppe ihre Zeit mit dem Abfassen und Wi­derrufen verschiedener Resolutionen, die demnächst ins Deutsche über­tragen von Walter Hölle­rer und mit einem Vor­wort versehen von Mar­cel Reich-Ranicki als Schmunzelbuch bei Bär­meier & Nikel erschei­nen werden.[65]

Zur Erklärung: Die Reihe der „Kleinen Schmunzelbücher“ wurde 1955 von den Verlegern Erich Bärmeier und Hans Nikel ins Leben gerufen. Das Format war in der Tat klein (sechs mal sieben Zentimeter), die Namen zumindest einiger Beiträger, unter anderem Erich Kästner und Loriot, aber umso größer.

Im September 1968 konnte Marcel Reich-Ranicki zu seiner Überraschung im Spiegel lesen, dass er zum Filmschauspieler aufgestiegen war. Alexander Kluge hatte 1967 bei der Tagung der Gruppe 47 im fränkischen Gasthof „Pulvermühle“ Aufnahmen gemacht und diese in dem Film Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos so zurechtmontiert, dass Siegfried Unseld, Hans Werner Richter und Reich-Ranicki wie Zirkusdirektoren erschienen. Zirkusprobleme und Probleme der Gruppe 47 seien „im wesentlichen“[66] die gleichen, wird Kluge im Spiegel zitiert. „In späteren Jahren“, verrät Reich-Ranicki in Mein Leben, „hat man mir mitunter tatsächlich kleine Filmrollen angeboten. Offenbar versprach man sich davon einen besonderen Jux, denn meist sollte ich einen Kritiker spielen. Ich habe diese Angebote stets abgelehnt, bisweilen mit der aufrichtigen Begründung, daß es mir ohnehin Mühe genug bereite, im Leben, im lite­rarischen, versteht sich, einen Kritiker wirklich ‚überzeugend‘ zu mimen.“[67]

Für den Herbst 1968 stand die nächste Auslandsreise der Gruppe 47 an, der Tagungsort sollte das bei Prag gelegene Schloss Dobřiš sein. Einige Monate zuvor malt sich Hubert Fichte in einem satirischen Text aus, wie es bei der Tagung wohl zugehen werde: „Marcel wird wieder hin und herrutschen.“[68] Und weiter: „Die Kritik wird sich wieder selbst übertroffen haben.“[69] Die Zeitläufte wollten es jedoch anders. Mit der Zerschlagung des Prager Frühlings durch den Einmarsch der Roten Armee platzte auch die Tagung. Es ist zeithistorisch interessant, dass Reich-Ranicki schon vordem absagte, da er in Prag um seine Sicherheit besorgt war.[70]

Neben den tatsächlichen Tagungen der Gruppe 47 gibt es noch solche, die nur in der Phantasie von Schriftstellern existieren. „Es war spätabends, als der Briefträger eintraf“,[71] so eröffnet Reinhard Baumgart seine Erzählung Auf der letzten Frühjahrstagung (2002). Der Satz zitiert den Anfang von Kafkas Roman Das Schloß („Es war spätabends, als K. ankam“) und kündigt damit schon an, dass es traumhaft-kafkaesk weitergeht. Was der Briefträger dem Erzähler mitbringt, ist eine Einladung von Hans Werner Richter zu einem neuerlichen Treffen der Gruppe 47, zu dem der Erzähler denn auch erscheint. Das letzte Treffen muss sehr lange zurückliegen, denn die Teilnehmer sind merklich gealtert und tragen zur besseren Identifizierung „leicht lesbare Namensschilder an goldenen Kettchen um den Hals“.[72] Günter Grass etwa erscheint mit Glatze und ohne Schnauzbart, sodass er aussieht „wie ein fröhlicher Zuchthäusler“.[73] Eine Lesung von Heinrich Böll verläuft sehr zäh und für alle ermüdend. In einem Brief fragt Hans Werner Richter den Erzähler, ob dem Gerücht zu glauben sei, dass er, Richter, während des Vortrages eingeschlafen sei „oder (Marcels Version) sogar schon während der Lesung mit dem Schlaf gerungen“ habe. „Ich muß, wie Du weißt, Legenden über die Gruppe rechtzeitig vorbeugen. Wir haben viele Gegner.“[74] Mehr als diese punktuelle Erwähnung war wohl nicht möglich, Baumgart stand zu Reich-Ranicki in einem sehr angespannten Verhältnis.[75] Nach einer Begegnung mit Baumgart schreibt Horst Krüger 1971 an Reich-Ranicki: „Im übrigen spuken Sie nicht unerheblich in seinen Gehirnwindungen herum. Sie sind sozusagen die Personifikation des schlechthin Falschen im literarischen Leben. Das kann Sie ehren, meine ich.“[76]

Sehr gelobt wurde Hilmar Klute für seinen 2018 erschienenen Debütroman Was dann nachher so schön fliegt. Der Protagonist, der in den achtziger Jahren als Zivildienst­leistender in einem Seniorenheim arbeitet, wünscht sich nichts mehr, als Schriftsteller zu wer­den. Immer wieder beschwört er in seiner Phantasie Begegnungen mit seinen Geistesheroen, so auch ein Treffen der Gruppe 47. Eine mit ihm arbeitende Altenpflegerin verwandelt sich unversehens in eine Schriftstellerin: „Als die kleine rothaarige Frau mit dem etwas bitteren Mund auf dem Stuhl neben Hans Werner Richter Platz nimmt, herrscht absolutes Schweigen, der Spott erstirbt auf den Mündern der Männer, Günter Grass dreht sich eine Zigarette, um Gelassenheit vorzutäuschen, Marcel Reich-Ranicki legt seinen kleinen Notizblock zur Seite und Walter Jens tippt mit dem Zeigefinger gegen seine hohe Stirn.“[77] Die Debütantin bekommt zwar keinen Preis, die Männer sind aber alle sehr angetan. Hans Werner Richter nennt ihr die Nummer seines Hotelzimmers, Martin Walser lädt sie zu einer Schiffsfahrt auf dem Bodensee ein und Günter Eich widmet ihr einen seiner „Maulwürfe“. Dem Erzähler ergeht es leider ganz anders: „Ich bin nicht satisfaktionsfähig, meine Texte haben nicht das Zeug, von Hans Mayer und Marcel Reich-Ranicki professionell auseinander­ge­nommen zu werden.“[78] Bei einer weiteren Tagung erweist sich die nämliche Schriftstellerin als Feministin und spricht sich gegen eine Literatur aus, in der Frauen nur als Liebesobjekte erscheinen: „Ein paar Männer, ich glaube Reich-Ranicki und Kaiser, lachen laut und höhnisch auf.“[79]

Anmerkungen

[1] Hans Werner Richter an MRR, 4. 9. 1959, in: Hans Werner Richter: Briefe, hg. von Sabine Cofalla, München/Wien 1997, S. 286.

[2] Hans Werner Richter an Siegfried Lenz, 26. 9. 1961, in: ebd., S. 367.

[3] Erich Fried: Stärken und Schwächen. Die 20. Tagung der Schriftstellervereinigung Gruppe 47, in: Frankfurter Rundschau, 10. 10. 1967.

[4] Hans Werner Richter: Tagebuch, 22. 3. 1967, in: Ders.: Mittendrin. Die Tagebücher 1966-1972, hg. von Dominik Geppert in Zusammenarbeit mit Nina Schnutz, München 2012, S. 62.

[5] Günter Grass im Gespräch mit Uwe Wittstock, 8. 7. 2004, zitiert nach Uwe Wittstock: Marcel Reich-Ranicki. Die Biografie, München 2015, S. 262.

[6] Tadeusz Nowakowski: Geboren in Włocławek [1980], in: Walter Jens (Hg.): Literatur und Kritik. Aus Anlaß des 60. Geburtstages von Marcel Reich-Ranicki, Stuttgart 1980, S. 13-23, hier: S. 23. Wiederabdruck in: Jens Jessen (Hg.): Über Marcel Reich-Ranicki. Aufsätze und Kommentare, München 1985, S. 23-35, hier: S. 33f.

[7] Uwe Johnson: Begleitumstände. Frankfurter Vorlesungen, Frankfurt/M. 1980, S. 278.

[8] Martin Walser: Brief an einen ganz jungen Autor, in: DIE ZEIT, 13. 4. 1962. Wiederabdrucke in: Hans Werner Richter (Hg.): Almanach der Gruppe 47 1947-1962, Reinbek bei Hamburg 1962, S. 418-423, hier: S. 421, und in: Martin Walser: Ewig aktuell. Aus gegebenem Anlass, hg. von Thekla Chabbi, Reinbek bei Hamburg 2017, S. 34-42, hier: S. 39f.

[9] Vgl. Hans Werner Richter an Martin Walser, 27. 2. 1962, in: Richter, Briefe (wie Anm. 1), S. 395. – Solch emphatische Zustimmung auf Seiten der Betroffenen führte aber auch zu Zweifeln an der Wirksamkeit von Walsers Kritik. Hermann Peter Piwitt schrieb 1973: „Wer wissen will, was Anpassung in den sechziger Jahren bedeutete, lese dieses Stück umarmender Kritik der Kritik, in dem Walser die Großkritiker der Gruppe 47 porträtiert. Wie man sich Respekt verschafft, ohne sich Gegner zu machen, wie man in Ärsche so kriecht, daß es aussieht, man trete rein – dieses Tui-Talent hat es hier zu einer nicht mehr überbietbaren dekadenten Perfektion gebracht.“ Hermann Peter Piwitt: Klassiker der Anpassung, in: Literaturmagazin 1, 1973, S. 15-23, hier: S. 18.

[10] Hans Mayer: Deutsche Literaturkritik, Bd. 4: Vom Dritten Reich bis zur Gegenwart (1933-1968), Frankfurt/M. 1983, S. 627-635.

[11] Martin Walser: Tagebuch, 15. 11. 1975, in: Ders.: Leben und Schreiben. Tagebücher 1974-1978, Reinbek bei Hamburg 2010, S. 169.

[12] Rudolf Walter Leonhardt: Die Jahrestagung der Gruppe 47 in Aschaffenburg [1960], in: Ders.: Zeitnotizen. Kritik, Polemik, Feuilleton, München 1963, S. 199-202, hier: S. 200.

[13] Barbara König: Schöner Tag, dieser 13. Ein Liebesroman [1973], München 1999, S. 304.

[14] Ebd., S. 304.

[15] Barbara König: Hans Werner Richter. Notizen einer Freundschaft, München/Wien 1997, S. 19f.

[16] Vgl. Barbara König: Kies, München 1961, S. 26.

[17] Hubert Fichte: Der kleine Hauptbahnhof oder Lob des Strichs (= Die Geschichte der Empfindlichkeit, Bd. II), hg. von Gisela Lindemann, Frankfurt/M. 1988, S. 204f.

[18] Ebd., S. 206.

[19] Vgl. Jost Nolte: Selten waren die Momente der Wahrheit, in: Die Welt, 31. 10. 1963. Wiederabdruck in: Reinhard Lettau (Hg.): Die Gruppe 47. Bericht – Kritik – Polemik. Ein Handbuch, Neuwied/Berlin 1967, S. 180-184, hier: S. 182.

[20] Hanspeter Krüger: Wer dazugehört, bleibt Geheimnis, in: Der Tagesspiegel, 1. 11. 1963. Wiederabdruck in: Lettau, Die Gruppe 47 (wie Anm. 19), S. 185-188, hier: S. 187.

[21] Hans Christoph Buch: Stillleben mit Totenkopf, Frankfurt/M. 2018, S. 171.

[22] Hans Christoph Buch: „Handke nervte mich, weil er das Licht nicht ausmachte“, Interview mit Bert Rebhandl, in: Der Standard, 22. 4. 2016.

[23] Johannes Bobrowski an Hubert Fichte, 8. 4. 1964, in: Johannes Bobrowski: Briefe 1937-1965, hg. von Jochen Meyer, Bd. 4: 1963-1965, Göttingen 2017, S. 312.

[24] Johannes Bobrowski: Der Ochsenfrosch, in: Ders.: Gesammelte Werke, Bd. 1: Die Gedichte, hg. von Eberhard Haufe, Stuttgart 1987, S. 251.

[25] Diese Meinung vertritt auch der Bobrowski-Herausgeber Eberhard Haufe in seinem Kommentar, vgl. ebd., S. 253.

[26] Klaus Wagenbach: Meine Lehrer [2010], in: Ders.: Die Freiheit des Verlegers. Erinnerungen, Festreden, Seitenhiebe, Berlin 2010, S. 52-56, hier: S. 54f.

[27] Robert Neumann: Tagebuch, 21. 1. 1964, in: Ders.: Vielleicht das Heitere. Tagebuch aus einem andern Jahr, München 1968, S. 56.

[28] Ebd., S. 56f.

[29] Ebd., S. 57.

[30] Robert Neumann und Oswin: Die Staatsaffäre, München/Wien/Basel 1964, nicht paginiert.

[31] Ebd.

[32] Werner Kohlschmidt/Wolfgang Mohr (Hg.): Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte, Bd. I, 2. Auflage, Berlin/New York 2001, S. 40.

[33] Rudolf Walter Leonhardt: Was gilt die deutsche Literatur im Inland?, in: DIE ZEIT, 26. 10. 1962.

[34] Friedrich Sieburg an Armin Mohler, 23. 12. 1962, unveröffentlicht, zitiert nach Harro Zimmermann: Friedrich Sieburg – Ästhet und Provokateur. Eine Biographie, Göttingen 2015, S. 368.

[35] Zitiert nach Helmut Steinbeck: Marke 47. Deutschland, deine Dichter, in: Literatur 1965, S. 56-60, hier: S. 60.

[36] Heinrich Böll an Josef W. Janker, 21. 4. 1965, in: Josef W. Janker: Jankerbriefe. Literarische Korrespondenz 1951-1987. Briefe von und an Josef W. Janker, hg. von Manfred Bosch, Friedrichshafen 1988, S. 124.

[37] Karl-Heinz Janßen: Die Zeit in der Zeit. 50 Jahre einer Wochenzeitung, Berlin 1995, S. 165.

[38] Peter Rühmkorf: Ich habe Lust, im weiten Feld… Betrachtungen einer abgeräumten Schachfigur, Göttingen 1996, S. 24.

[39] Hans Werner Richter: Wie entstand und was war die Gruppe 47? [1974], in: Hans A. Neunzig (Hg.): Hans Werner Richter und die Gruppe 47, Frankfurt/M. 1981, S. 27-110, hier: S. 99.

[40] Thomas von Vegesack: Synthese in Sicht [1964], in: Lettau, Die Gruppe 47 (wie Anm. 19),S. 189-193, hier: S. 193.

[41] Helmut Heißenbüttel: Gruppenkritik [1965], in: Lettau, Die Gruppe 47 (wie Anm. 19), S. 202f., hier: S. 203. Wiederabdruck in: Toni Richter: Die Gruppe 47 in Bildern und Texten, Köln 1997, S. 117.

[42] Friedrich Christian Delius: Als die Bücher noch geholfen haben. Biographische Skizzen, Berlin 2012, S. 15; vgl. auch MRR: Kritik auf den Tagungen der Gruppe 47 [1962], in: MRR: Literarisches Leben in Deutschland. Kommentare und Pamphlete, München 1965, S. 118-125. Wiederabdruck in: Marcel Reich-Ranicki: Meine deutsche Literatur seit 1945, hg. von Thomas Anz, München 2015, S. 39-45.

[43] Günter Grass: „Halt’s Maul Oskar!“, Interview, in: Die Woche, 7. 10. 1999. Wiederabdruck in: Hubert Spiegel (Hg.): Welch ein Leben. Marcel Reich-Ranickis Erinnerungen. Stimmen, Kritiken, Dokumente, München 2000, S. 327-334, hier: S. 330f.

[44] Hans Christoph Buch: Ein unbekanntes Kapitel, in: Peter Härtling (Hg.): Leporello fällt aus der Rolle. Zeitgenössische Autoren erzählen das Leben von Figuren der Weltliteratur weiter, Frankfurt/M. 1971, S. 130-139, hier: S. 135. Wiederabdruck in: Toni Richter, Die Gruppe 47 (wie Anm. 41), S. 112; der Text wird dort fälschlicherweise der Tagung in Saulgau (1963) zugeordnet.

[45] Hans Werner Richter: Im Etablissement der Schmetterlinge. Einundzwanzig Portraits aus der Gruppe 47 [1986], München 1988, S. 227.

[46] Jörg Magenau: Princeton 66. Die abenteuerliche Reise der Gruppe 47, Stuttgart 2015, S. 191.

[47] Delius, Als die Bücher noch geholfen haben (wie Anm. 42), S. 51.

[48] Peter Handke im Gespräch mit Malte Herwig, 2009, in: Malte Herwig: Meister der Dämmerung. Peter Handke. Eine Biographie, München 2010, S. 143.

[49] Günter Grass: Freundliche Bitte um bessere Feinde [1966], in: Ders.: Werke, Bd. 11, Göttinger Ausgabe, Göttingen 2007, S. 178-180.

[50] Peter Handke: Offener Brief an Günter Grass, in: Abendzeitung, 22. 10. 1966.

[51] Hans Werner Richter an Victor Lange, 24. 6. 1966, in: Ders., Briefe (wie Anm. 1), S. 603.

[52] Mathias Schreiber: Der Riesenrabe [2005], in: Hubert Spiegel (Hg.): Begegnungen mit Marcel Reich-Ranicki, Frankfurt/M. 2005, S. 141-143, hier: S. 141.

[53] Mathias Schreiber: Woher, in: Ders.: Ein Steinbock steht im Zimmer. Gedichte, Neuwied/Berlin 1967, S. 9.

[54] Mathias Schreiber an Uwe Neumann, 15. 4. 2019.

[55] Volker Hage/Mathias Schreiber: Marcel Reich-Ranicki. Ein biographisches Porträt, aktualisierte Ausgabe, München 1997.

[56] Robert Neumann: Spezis in Berlin [1966], in: Horst Ziermann (Hg.): Gruppe 47. Die Polemik um die deutsche Gegenwartsliteratur. Eine Dokumentation, Frankfurt/M. 1966, S. 77-91, hier: S. 78.

[57] Ebd., S. 88.

[58] Hans Werner Richter: Tagebuch, 29. 9. 1966, in: Ders., Mittendrin (wie Anm. 4), S. 19.

[59] Hans Erich Nossack: Literarische Prostitutionen [1966], in: Ziermann, Gruppe 47 (wie Anm. 56), S. 92-96.

[60] Erich Fried an Hans Werner Richter, 1. 7. 1966, in: Richter, Briefe (wie Anm. 1), S. 607.

[61] Erich Fried: Der Angriff [1966], unveröffentlicht, zitiert nach Volker Kaukoreit: Vom „Heimkehrer“ zum „Palast­rebel­len“? Ein Protokoll zu „Erich Fried und die Gruppe 47“, in: Stephan Braese (Hg.): Bestandsaufnahme. Studien zur Gruppe 47, Berlin 1999, S. 115-154, hier: S. 141.

[62] Vgl. Richter, Tagebuch, 6. 10. 1966, in: Ders., Mittendrin (wie Anm. 4), S. 26.

[63] Vgl. Walter Höllerer (Hg.): Kunst und Elend der Schmährede. Zum Streit um die Gruppe 47, in: Sprache im technischen Zeitalter 20, 1966, Sonderheft.

[64] Klaus Roehler, zitiert nach Richter, Tagebuch, 29. 9. 1966, in: Ders., Mittendrin (wie Anm. 4), S. 19.

[65] Peter Orthofer: Als wärs ein Stück von ihm. Das Beste aus prominenten Papierkörben, Wien 1967, S. 56.

[66] Fritz Rumler: Ratlose Artisten in der Pulvermühle. Fritz Rumler über Alexander Kluges neuen Film, in: Der Spiegel, 9. 9. 1968.

[67] Marcel Reich-Ranicki: Mein Leben, Stuttgart 1999, S. 33.

[68] Hubert Fichte: Die Herbsttagung der Gruppe 47 in Prag 1968 [Juni 1968], in: Ders.: Alte Welt. Glossen (= Die Geschichte der Empfindlichkeit, Bd. V), hg. von Wolfgang von Wangenheim und Ronald Kay, Frankfurt/M. 1992, S. 428f., hier: S. 428.

[69] Ebd.

[70] Vgl. Hans Werner Richter an Fritz J. Raddatz, 10. 7. 1968, in: Richter, Briefe (wie Anm. 1), S. 671.

[71] Reinhard Baumgart: Auf der letzten Frühjahrstagung, in: Ders.: Glück und Scherben. Drei lange Geschichten, vier kurze, München/Wien 2002, S. 162-176, hier: S. 162.

[72] Ebd., S. 163.

[73] Ebd., S. 163.

[74] Ebd., S. 176.

[75] Reinhard Baumgart hatte 1964 im Spiegel Reich-Ranickis Buch Deutsche Literatur in West und Ost verrissen (R. B.: Beckmesser oder de Gaulle?, in: Der Spiegel, 22. 1. 1964. Wiederabdruck in: Ders.: Deutsche Literatur der Gegenwart. Kritiken –  Essays – Kommentare, München/Wien 1994, S. 121-124). In seinen Erinnerungen Damals (2003) äußert sich Baumgart zu seinen früheren Bedenken: „[…] ich litt unter seiner damals noch so dürftigen, banal rhetorischen Sprache, litt an den überall durchschimmernden kulturkonservativen Vorurteilen gegenüber aller Moderne, die der in der Ideologie des sozialistischen Realismus Geschulte nun westlichen Verhältnissen und Vorurteilen anpaßte. Was zu krassen, mürrischen Fehlurteilen führte über nahezu alles, was uns damals neu und wichtig schien an deutscher Literatur, über Grass und Walser, Bachmann und Johnson. Der Verriß meiner Hausmusik stand ja in durchaus würdiger Gesellschaft.“ Wie Baumgart weiter berichtet, löste seine Rezension eine Protestwelle aus: „Denn für den Angegriffenen und Hocherregten schien die Sache klar: die Attacke des Kritikers B. war nichts als eine hinterhältige Rache an R.-R., dem Kritiker seines Romans, nicht zurechnungsfähig, alle Spielregeln verletzend und im Grunde wohl auch antisemitisch.“ Reinhard Baumgart: Damals. Ein Leben in Deutschland 1929-2003, München 2003, S. 196f. – Hubert Fichte schreibt, dass Reich-Ranicki in den sechziger Jahren für Baumgart ein „Todfeind“ war; Fichte, Alte Welt (wie Anm. 68), S. 176.

[76] Horst Krüger an MRR, 9. 3. 1971, in: Marcel Reich-Ranicki: „Lieber Marcel“. Briefe an Reich-Ranicki, hg. von Jochen Hieber, 2., erweiterte Auflage, Berlin 2000, S. 242.

[77] Hilmar Klute: Was dann nachher so schön fliegt, Berlin 2018, S. 18f.

[78] Ebd., S. 19.

[79] Ebd., S. 346.