Donald der Trump

Mit „Der größte Kapitän aller Zeiten“ hat Dave Eggers eine Parabel auf die Trump-Ära verfasst

Von Sascha SeilerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sascha Seiler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Dave Eggers hat es sich mittlerweile in seiner Nische nicht nur gemütlich gemacht, er überflutet regelrecht den Markt mit seinen Romanen, in denen Zeitgeschichte im Rahmen meist bewusst durchschaubarer, simpel konstruierter Plots reflektiert wird. Eggers sieht seine Rolle als Schriftsteller als die eines kritischen Kommentators unserer Lebenswirklichkeit, dem Handlung, Figurencharakterisierungen, Sprachgestaltung und anderes, was Literatur mitunter ausmacht, nur Mittel zum Zweck sind. So hat sein erfolgreichster Roman The Circle funktioniert, eine literarisch haarsträubend schreckliche, aber in der Sache durchaus visionäre Dystopie, die schnell von der Realität überholt werden würde.

Kein Wunder also, dass dieser Eggers sich nun auch ganz exklusiv seinem Präsidenten widmet, als sei über den nicht schon genug geschrieben worden. Der größte Kapitän aller Zeiten ist eine in bewusst naivem Tonfall verfasste Parabel auf unsere Zeiten, in der zahlreiche bekannte Elemente der Trumpschen Präsidentschaft in fast schon schmerzvoller Unzweideutigkeit eingebracht werden.

Ein großes Schiff sucht nach einem neuen Kapitän und ein dort mitfahrender Kleinganove bewirbt sich, unterstützt von seiner kriminellen Gang, aus einer spontanen Eingebung heraus auf den Posten. Weil er offen sagt, was er denkt, Leute verleumdet und beschimpft und offen mit seiner Vorliebe für das Begrapschen junger Passagierinnen prahlt, wird er von den Passagieren und Crewmitgliedern tatsächlich zum neuen Kapitän gewählt. Jeden Morgen schreibt er nun in falscher Orthographie oft sinnfreie Ungeheuerlichkeiten an die Ankündigungstafel, schmeißt nach und nach die gesamte Crew über Bord, so dass am Ende niemand mehr übrig ist, der das Schiff fachmännisch steuern könnte. Er lässt keine Schiffbrüchigen mehr an Bord, mehr noch, er lässt alle anders aussehenden Passagiere töten, geifert ständig seiner attraktiven jungen Tochter hinterher und verkriecht sich schließlich Cheeseburger fressend unter seinem Bett, wo er der „Stimme aus dem Lüftungsschacht“ lauscht, die ihn für seine Ungeheuerlichkeiten feiert.

Irgendwann lässt der Kapitän auch berüchtigte, blutrünstige Piraten auf das Schiff, der eine unverkennbar Vladimir Putin; er legt am Hafen eines anderen tyrannischen Herrschers an (ebenso unverkennbar Kim Jong-un), die rauben das Schiff aus, morden die Passagiere, lachen den Kapitän aus, der sich aber immer nur als „der Größte“ fühlt und von seinen Anhängern gefeiert weiter vor sich hindümpelt.

Das Buch ist tatsächlich an Plattheit kaum zu übertreffen. Man wusste ja schon vorher, dass Dave Eggers kein besonders talentierter Autor ist, dem Aussage über Ästhetik geht, doch obwohl Donald Trump und seine Machenschaften nun wirklich in jeder Ecke der Welt bekannt sein sollten und Eggers Geschichte sich fast sklavisch an die zahlreichen „Highlights“ der Trump-Präsidentschaft prä-Corona hält, ist er sich nicht zu schade, auch noch Hinweise einzustreuen, was denn nun genau gemeint sei. Als er am Anfang die Gefährten des Kapitäns aufzählt, die typische Piratennamen wie „Benny der Schröpfer“ oder „Patsy der Mörder“ tragen, muss natürlich einer auch „Michael der Cohen“ und ein anderer „Paul der Manafort“ heißen – völlig sinnentleert, zumal diese Figuren praktisch nicht mehr auftauchen. Als das Schiff am Hafen des „Sehr Weichen Mannes“ anlegen, bebildert Eggers das Kapitel mit Zeichnungen eines Gesichts, das eindeutig jenes von Kim Jong-un ist. Als der „Helle“ eingeführt wird, reitet der Autor wiederum jedes Klischee, damit man ja nicht verpasst, dass es sich bei dem Bösewicht um Vladimir Putin handelt, so wird etwa mehrfach erwähnt, dass der „Helle“ gerne mit nacktem Oberkörper auf Pferden reite.

Doch auch ohne diese eindeutigen Zuweisungen ist dem Buch leider nichts Originelles abzugewinnen; vielleicht, weil man ihm von der ersten Seite an anmerkt, dass es am Reißbrett entworfen wurde. Trumps erste drei Jahre als Präsident werden einfach konsequent auf der Folie der Kapitän/Schiff-Parabel durcherzählt. Alle tauchen auf: Die zögernden Demokraten mit ihrer taktisch eigentlich gewieften Anführerin oder Sonderermittler Robert Muller als „Sheriff der Meere“. Besonders misslungen ist der Seitenhieb auf den umstrittenen Berater Stephen Miller, der im Buch in einem Lüftungsschacht wohnt, nie das Tageslicht sieht und bereits auf der „Santa Monica High School“ keine Freunde gehabt habe – der einzige reale, direkte geographische Verweis im Buch.

Die Krönung des Ganzen ist allerdings das schrecklich aufgesetzte Happy End, das wohl den Amerikanern Mut machen soll, dass die Welt, die nach Trump kommt, eine versöhnende sein wird, eine Welt, in der Amerika sich wieder zu seinen Werten bekennt und dem Rest und vor allem den eigenen Bürgern sein freundliches Gesicht zeigt. Doch dafür ist es längst zu spät, steht zu befürchten.

Titelbild

Dave Eggers: Der größte Kapitän aller Zeiten.
Übersetzt von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2020.
128 Seiten , 14,00 EUR.
ISBN-13: 9783462000108

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