Eine textgenetische Studie von Marion Brandt über Alfred Döblins „Reise in Polen“
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseNur wenige Schriftsteller von Rang lernten die Wirklichkeit der Zweiten Republik Polen (1918–1939) so gut kennen wie Alfred Döblin, der das Land im Herbst 1924 zwei Monate lang bereiste. Das anschließend entstandene Reisebuch ist nicht nur eines der ungewöhnlichsten Zeugnisse der zwanzig Jahre später fast vollständig zerstörten Kultur der polnischen Juden. Es erzählt auch von der Begegnung eines assimilierten Westjuden mit der ostjüdischen Kultur, einem Erlebnis, dessen Spannbreite von Abstoßung bis zu Faszination reichte und das eine Schlüsselrolle für Döblins produktive Bejahung des Judentums wie auch für sein literarisches Schaffen erhalten sollte.
Marion Brandt erkundet in ihrer Studie Döblins Begegnung mit Polen und den polnischen Juden erstmals anhand der Reisenotizen und Handschriften. Die Nachlassdokumente vermitteln einen Einblick in Döblins Schreibwerkstatt und erlauben es, die Literarisierung und teils auch Fiktionalisierung der Reiseerlebnisse zu rekonstruieren. Charakteristische Textverfahren sind etwa das Anonymisieren von Gesprächspartnern, das Inszenieren von Mündlichkeit, die Gestaltung von Verständnisprozessen der reisenden Ich-Figur und auch die in Teilen thematische Strukturierung des Textes. Die Studie nutzt Methoden der critique génétique, die um ein hermeneutisches Vorgehen in Form einer Untersuchung der Gestaltung von Schlüsselbegriffen wie Ich, Geist und Nation erweitert werden.
Weitere Informationen (Inhaltsverzeichnis): https://www.harrassowitz-verlag.de/titel_6489.ahtml
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