Polizistin in Philadelphia

Liz Moore packt in „Long Bright River“ Gesellschafts-, Familien- und Kriminalroman in eine fesselnde Geschichte

Von Karsten HerrmannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Karsten Herrmann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Mickey ist alleinerziehende Mutter, sorgende Schwester und Streifenpolizistin im berüchtigten Stadtteil Kensington in Philadelphia. Kensington gilt als Viertel mit einer der höchsten Dichte an Drogen und Drogenabhängigen in den Vereinigten Staaten. In den von Liz Moore eindringlich geschilderten verfallenden Hausruinen und aufgegeben Geschäften tummeln sich hier die Junkies, sind auf der Jagd nach dem nächsten Schuss, besorgen sich Geld durch Dealen, Klauen und Prostitution. Zu dieser Szene gehört auch Kacey, die drogenabhängige Schwester von Mickey. Schon früh hatte Mickey nach dem Tod der alleinerziehenden Mutter die Verantwortung für ihre jüngere Schwester übernommen und sie dann doch an die Drogen verloren.

Zeitgleich mit dem Begin einer Mordserie an jungen Prostituierten in Kensington verschwindet auch Kacey und Mickey, die die erste Tote findet, beginnt sowohl nach dem Mörder wie ihrer Schwester zu suchen. Sie bittet dabei ihren langjährigen und im Dienst schwer verletzten Ex-Partner zur Hilfe und trifft auf ihren Ex-Mann Simon, der inzwischen Detective ist und eine undurchsichtige Rolle spielt. Zunehmend bekommt Mickey einen fürchterlichen Verdacht „und zum ersten Mal in meiner Laufbahn als Polizistin befällt mich das Gefühl, dass ich auf der falschen Seite von etwas Wichtigem bin.“

Liz Moore nimmt sich viel Zeit, um die Vergangenheit von Mickey und Kacey zu beleuchten. Während Kacey schon immer das lebenslustigere und beliebtere Mädchen war, war Mickey ein ernsthaftes und verantwortungsbewusstes Mauerblümchen, das sich dann auf einen viel älteren Polizisten einließ. Im Verlaufe des Romans offenbart sich schließlich auch ein lange zurückgehaltenes Geheimnis im Leben der beiden Schwestern, das ein zweifelhaftes Licht auf die eigentlich immer verantwortungsvolle und ihr Kind Thomas liebende Mickey wirft.

Während die Erzählstränge und damit auch die verschiedenen Genres des Gesellschafts-, Familien- und Kriminalromans sich anfangs nicht so recht ineinanderfügen wollen und nebeneinander herlaufen, gelingt das im Verlauf der Geschichte immer besser. Liz Moore zieht den Leser in den eher sublimen als spektakulären Sog ihres komplexen Erzählkosmos‘. Psychologisch dicht entwickelt sie eine Heldin, die sich zwischen ihrer Rolle als alleinerziehender Mutter, verantwortungsbewusster Schwester und – neben ihrem regulären Streifendienst – privat ermittelnder Polizistin aufreibt und schließlich vom Dienst suspendiert wird. In einem letztlich doch fast schon wieder klassischen Showdown stellt Mickey schließlich den Serienmörder und auch das Verschwinden ihrer Schwester löst sich in einer überraschenden Wendung auf.

Titelbild

Liz Moore: Long Bright River.
Aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann.
Verlag C.H.Beck, München 2020.
413 Seiten , 22,00 EUR.
ISBN-13: 9783406748844

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