Der Poet als „Papi“

Hermann Hesse zeigt sich im Briefwechsel mit seinen Söhnen Bruno und Heiner als Vater

Von Carina GrönerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Carina Gröner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das familiär Idyllische ist nicht das Allererste, das Lesern von Hermann Hesse bei dem Gedanken an diesen Dichter in den Sinn kommt; das Attribut „väterlich“ hingegen als Beschreibung für seine Einstellung besonders zu den zahlreichen Briefpartnern schon. Das verwundert kaum, Hermann Hesse ist ja selbst Vater. Er und seine erste Frau Mia (Maria Bernoulli) haben drei Söhne: Bruno, geboren 1905, Heiner, geboren 1909 und Martin, geboren 1911. Leider dauert ihr gemeinsames Leben im erhofften Familienidyll in Gaienhofen am Bodensee nur wenige Jahre, bis die Ehe der Eltern scheitert und die Kinder nach einem Zusammenbruch der Mutter außerhalb der Familie untergebracht werden müssen.

Zu dieser Zeit der emotionalen und räumlichen Trennung von der Familie um 1920, Bruno ist 15 und Heiner 11 Jahre alt, setzt der Briefwechsel zwischen dem Vater Hermann Hesse und den beiden älteren Söhnen ein und dauert bis zum Tod des Vaters 1962. Die Briefe erlauben sehr private Einblicke in Hesses Rolle als Vater, aber auch als Künstler, und zeigen deutlicher als andere Korrespondenzen, was er vom Weltgeschehen um ihn herum denkt.

Als Vater nimmt Hesse stets herzlichen Anteil an der Entwicklung seiner Söhne, es ist ihm wichtig, dass beide einen Beruf erlernen, der zu ihnen passt und der ihnen Freude macht; gelegentlich wirkt er auch erzieherisch, etwa wenn er den seinen Religionsunterricht verabscheuenden 13-jährigen Heiner auffordert, „ein wenig artiger zu sein“.

Je älter die Söhne werden, umso mehr nimmt sie Hesse aber auch als eigenständige Künstlerpersönlichkeiten ernst. Das gilt besonders für den Maler Bruno, der zunächst bei Hesses Freund Cuno Amiet lebt und später Kunst in Paris studiert. Ihn spricht der Vater in einem Brief 1928 als „Sohn und jungen Seelenbruder“ an. Auch seine eigenen Werke schickt der Vater regelmäßig an die Söhne und diskutiert Intentionen und zeitgenössische Reaktionen mit ihnen. Obwohl Vater und Söhne in der Schweiz leben, nimmt Hesse, der mittlerweile mit seiner dritten Frau Ninon, geborene Ausländer, verheiratet ist, regen Anteil an der Situation Deutschlands in den 1930er und 1940er Jahren: So berichtet er schon 1935 in einem Brief an Heiner, dass er „heut der einzige deutsche Kritiker [sei], der jüdische Bücher bespricht“ und deutet ernste Gefahr für einen regimegegnerischen Bürger an, er „endet vielleicht im Konz[entrations]lager“. So direkt findet man zu dieser Zeit nur wenig über diese Themen geschrieben.

Während der Kriegsjahre fallen für Hesse weitestgehend die Einnahmen aus Deutschland weg, dennoch hält er stets sein Haus in Montagnola offen für Familie, Freunde und Kollegen, die Zuflucht vor Repressionen suchen und berichtet den Söhnen regelmäßig über diese Aktivitäten.

Dieser Band, der die sehr private Korrespondenz Hesses mit seinen beiden älteren Söhnen zugänglich macht und neben dem Dichterbild endlich auch das Bild des Privatmanns Hesse schärft, ist wichtig. Er zeigt eindrücklich, wie genau Hesse die Geschehnisse seiner Zeit beobachtet und diese auch explizit und, wenn nötig, mit harten Worten kommentiert, sowie immer wieder politisch klar Stellung bezieht, ohne sich direkt vereinnahmen zu lassen.

Leider sind die Briefe von und an den jüngsten Sohn Martin, der am Bauhaus in Dessau studiert hatte und Fotograf geworden war, in dem Band nicht enthalten. Sie hätten das Bild ideal komplettiert.

Eines aber macht das Buch auch so klar: Hermann Hesse sieht sich stets als jemanden, dem es wichtig ist, „in und für Deutschland zu arbeiten, aber Schweizer und Europäer zu sein“. Damit steht er klar im Kontrast zu Exilliteraten, wie seinem Freund Thomas Mann und dieser Kontrast prägt auch heute noch, vielleicht manchmal allzu stark, die Rezeption seiner Werke.

Davon, dass er 1946 den Nobelpreis für Literatur zugesprochen bekommt, schreibt er den Söhnen übrigens kein Wort. Bruno gratuliert ihm aber dennoch umgehend zu dieser wichtigen Anerkennung, nachdem er davon im Radio gehört hat.

 

Titelbild

Hermann Hesse: »Mit dem Vertrauen, daß wir einander nicht verloren gehen können«. Briefwechsel mit seinen Söhnen Bruno und Heiner.
Herausgegeben von Michael Limberg in Zusammenarbeit mit Silver und Simon Hesse.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2019.
332 Seiten, 34,00 EUR.
ISBN-13: 9783518429051

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