Wissenschaftler und Mensch

„Der Rostocker Gelehrte Oluf Gerhard Tychsen (1734–1815) und seine internationalen Netzwerke“ werden in einem informativen Sammelband vorgestellt

Von Martin MeierRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin Meier

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der 1734 im nordschleswigschen Tondern geborene Oluf Gerhard Tychsen konnte am Ende seines Lebens auf ein ereignisreiches und umfassendes Wirken zurückblicken. Der Sohn eines dänischen Unteroffiziers stieg aus eigener Kraft, seiner sozialen Herkunft zum Trotz, zum Akademiker von europäischem Ruf empor. Begleitet war dieser Aufstieg von unbändigem Geltungsdrang. Von 1763 bis 1789 als Professor der kurzlebigen Bützower Universität, dann Jahrzehnte als Hochschullehrer in Rostock tätig, erwarb er sich bleibende Verdienste. So leistete er Hervorragendes beim Aufbau der Universitätsbibliothek, verfasste Arbeiten über Numismatik, orientalische Philologie und Judaistik. Zunächst bemüht, Juden zum christlichen Glauben zu bekehren, wurde er später zum eifrigen Verfechter der Judenemanzipation. Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang die Ausführungen von Sabine Mangold-Will im vorliegenden Band, auf die noch einzugehen sein wird. Er begründete die Rostocker historische Münzsammlung und die dortige zoologische Sammlung. Seine umfassenden akademischen Korrespondenzen mit Gelehrten zahlreicher Länder nötigen ebenso Respekt ab wie die Mitgliedschaft in acht europäischen wissenschaftlichen Akademien.

Grund genug, seinem Wirken durch einen Sammelband Aufmerksamkeit erfahren zu lassen. Die Herausgeber sehen Tychsen als Intellektuellen des Übergangs vom vormodernen Gelehrten zum aufgeklärten „modernen“ Wissenschaftler, ohne dass ihm eines dieser Attribute letztgültig beizumessen wäre. Sie betten ihre Darstellung des Wirkens Tychsens in den Kontext aktueller Netzwerkforschung ein, eine Aufgabe, die dem ersten aus der Feder Marian Füssels stammenden Aufsatz zufällt. Füssel umreißt kurz die Entwicklung der Netzwerkforschung, bietet eine Darstellung der methodischen Vielfalt, die sich hinter dem häufig verwendeten Begriff Netzwerk, der „mittlerweile mehr den Charakter eines modischen Etiketts trage“, verbirgt. Er plädiert für die Kombination dreier unterschiedlicher methodischer Zugänge, der Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT), die den Blick für „wissenschaftliche Infrastrukturen“ und damit die Materialität in Korrespondenznetzwerken schärfe, sowie die der Philosophiegeschichte entlehnte Konstellationsforschung, die konkret jene Prozesse analysiert, die neues Wissen generieren. Zudem präferiert Füssel die Feldanalyse, die den einzelnen Gelehrten in seinen Beziehungen zur Wissenschaft untersucht und hierbei auch Machtbeziehungen thematisiert. Somit bricht er eine Lanze für eine Korrespondenzanalyse, die weit über die Untersuchung von brieflichen Kontakten hinausgeht, indem sie „Kommunikationsprozesse, materielle Infrastrukturen und soziale Machtbeziehungen“ untersucht. Abschließend warnt Füssel vor einer Netzwerktheorie, die Phänomene historischer Wissenschaftskultur mit der modernen gleichsetze, und mahnt eine „konsequente Historisierung“ an. Ganz im Sinne des von Füssel Dargelegten verfährt der nächste Beiträger, der unter anderem die Materialität einer Korrespondenzbeziehung in seine Ausführungen einbindet.

Mitherausgeber Hillard von Thiessen widmet sich dem zwanzig Jahre währenden Briefwechsel Tychsens mit dem bedeutenden Forschungsreisenden Carsten Niebuhr. Von Thiessen weist auf das ideelle und wirkmächtige Konzept der Gelehrtenrepublik hin, um gleichsam zu betonen, dass Korrespondenzen zwischen Wissenschaftlern keineswegs nur dem Gedankenaustausch dienten. Vielmehr zielten sie auch auf die Verdichtung informeller Beziehungsgeflechte, auf Freundschaft und Patronage ab. Es folgen Ausführungen zum Gabentausch in Anknüpfung an die Patronageforschung.

So ganz erschließt sich hierbei nicht, warum die Korrespondenz Tychsens mit Niebuhr unter diesem Aspekt gesehen wird. Der Autor geht davon aus, dass Tychsen den Kontakt zu Niebuhr angebahnt habe, um gezielt in eine „Gabentauschbeziehung“ mit dem Meldorfer Forscher einzutreten. Es sei sehr wahrscheinlich, dass Tychsen erhofft habe, „Informationen, Schriften und Artefakte“ zu erhalten, die für die eigene Arbeit bedeutend gewesen wären. Niebuhr hingegen habe gehofft, von den weitläufigen Kontakten Tychsens zu profitieren, der auch über die eigenen Landesgrenzen hinaus einen beachtlichen Bekanntheitsgrad erlangt habe. Hier wären entsprechende Zitate oder sonstige Belege gewiss von einigem Wert, um die Thesen zu untermauern. Von Thiessen verweist stattdessen auf einen Aufsatz aus der Feder Martin Kriegers. Tatsache ist, dass beide Gelehrte neben familiären Angelegenheiten in der Korrespondenz tatsächlich einen Gabentausch in erheblichem Umfange praktizierten, der u.a. aus Manuskripten, gedruckten Schriften, Geschenken, Leihgaben, Siegeln, Münzen, Reiseberichten, Publikationen etc. bestand. Niebuhrs Ansehen profitierte vom Kontakt mit Tychsen. In einer Zeit, da sich die Trennlinie zwischen anerkanntem Wissenschaftler und jenen Geistesschaffenden vertiefte, denen dieser Status nicht zuerkannt wurde, war die Korrespondenz mit angesehenen Gelehrten für den Justizrat von hoher Bedeutung. „Teilhabe an der Wertschätzungsgemeinschaft Wissenschaft“ sei, so Thiessen, „ein wichtiges Gut“ gewesen, eine im Grunde auch heute uneingeschränkt geltende Aussage.

Sabine Mangold-Will geht in ihrem Beitrag Von der Theologie zur Philologie auf die Entwicklung der Orientalistik ein, eines Faches, das seit dem 16. Jahrhundert mehr oder weniger als Hilfswissenschaft für Theologie an den Universitäten bestand. Im Zuge der sich vertiefenden interkontinentalen Handelsbeziehungen und den sich herausbildenden Interessen an fremden Kulturen emanzipierte sich die Orientalistik im 18. Jahrhundert zunehmend. Alte Glaubensgewissheiten gerieten durch kulturelle Kontakte ebenso in die Krise wie Wissensbestände, die unumstößlich erschienen. In jenen Zusammenhang ordnet die Verfasserin das Wirken Tychsens ein, des Professors für morgenländische Literatur, der in erster Linie Stubengelehrter war und dessen Kenntnis des Orients zunächst auf der Bibel fußte. An dieser Stelle der Lektüre zeigt sich einmal mehr der geschickte Aufbau des Sammelbandes. Unweigerlich tritt dem Leser die Bedeutung des Briefwechsels mit Niebuhr nochmals vor Augen.

Unter Orientalistik versteht die Verfasserin „eine säkulare, primär philologische Disziplin“, die auf umfassender Sprach- und Literaturkenntnis fußte. Die Schaffung eines „gelehrten Selbst“ sei für Tychsen, nicht zuletzt aufgrund seiner Herkunft – er war, wie oben erwähnt, Sohn eines Soldaten – problematisch. Sie erklärt hieraus gewisse nachteilig erscheinende Charakterzüge des Mecklenburger Gelehrten, wie etwa dessen Geltungsdrang. Andrerseits geriet Tychsen durch seine judenfreundliche Position in einen gewissen Verhaltenszwang. Mangold-Will setzt sich mit der These Urs Apps auseinander, den radikalen Orientalisten sei es stets um die Delegitimierung oder Relativierung des Christentums gegangen, und verweist auf den sehr geringen Einfluss dieser Radikalen auf die universitäre Forschung und Lehre.

Tychsen habe sich im Mainstream seines Faches bewegt, aber durchaus interessante eigene Ansätze eingebracht. So etwa in einer kurzen Auseinandersetzung um den Nutzen des Rabbinischen im Verständnis zum Bibelhebräischen. Tychsen sei kein Philologe im Sinne dessen, was im 19. Jahrhundert darunter verstanden wurde, habe jedoch zur Philologisierung seines Faches beigetragen. Mangold-Will verweist auf eine spannende Übersetzung aus dem Spanischen über Heuschrecken, die von Tychsen getätigt und mit umfangreichem Anhang über die Heuschrecken in der Bibel versehen wurde. Diese Betrachtungen standen nicht im Gegensatz zur naturwissenschaftlichen Erkenntnis, sondern dienten vielmehr zur Verdeutlichung des Gewinnes, der sich aus religiösen Texten für die Wissenschaft ziehen lässt. Tychsen beteiligte sich ebenso am Streit um Wandelbarkeit und Historizität des Arabischen wie an der Auseinandersetzung über die Frage, ob es sich im Falle der in Persepolis aufgefundenen Keile tatsächlich um Schriftzeichen handelte.

Rafael Arnolds Beitrag Nova orientalia nulla habeo widmet sich den Korrespondenzen Tychsens mit Wissenschaftlern aus romanischen Ländern. Hier wird, neben der ungeheuren thematischen Vielfalt der in den Schreiben berührten Themen, auch der netzwerkartige Charakter der Korrespondenzen sichtbar. Es handelte sich nicht um einen Wissensaustausch zwischen zwei, sondern mehreren Briefpartnern. So sind den Korrespondenzen Abschriften von Briefen Dritter beigefügt, ein damals durchaus gängiges Verfahren. Unter nach derzeitigem Stand 3475 erhaltenen Briefen sind 746 Korrespondenzen mit italienischen, spanischen und französischen ForschernHervorzuheben ist der Briefwechsel mit dem Begründer der Arabistik Antoine Isaac Silvestre de Sacy, der in anderen Beiträgen des Sammelbandes ebenfalls gern bemüht wird. Insbesondere über Fragen orientalischer Sprachen und Literatur tauschten beide Wissenschaftler sich aus. Untersucht werden zudem die Korrespondenzen mit dem italienischen Spezialisten für kufische Inschriften Simone Assemani, den Spaniern Ignacio de Asso y del Rio und Don Franzisco Perez Bayer, den Tychsen als Numismatiker schätzte. Einmal mehr verdeutlicht Arnold die Bedeutung des brieflichen Austausches für Forscher an der Peripherie, etwa wenn Assemanis sich permanent über mangelnde Austauschmöglichkeiten beklagt. Am Beispiel der Vella Affäre wird deutlich, dass das gesteigerte wissenschaftliche Interesse auch anfällig für Fälschungen machte, wie im Falle der angeblichen historischen Dokumente zur islamischen Frühgeschichte Siziliens, die damals in der „Gelehrtenrepublik“ breiten Widerhall fanden und auf die Tychsen zunächst einstieg.

Den zweiten umfassenden Teil des Bandes, der sich Tychsens Beziehungen zu den Juden widmet, eröffnen Małgorzata Anna Maksymiak und Hans-Uwe Lammel. Beide wenden sich den 60 Briefen zu, die Tychsen mit ehemaligen jüdischen Studenten der Universität Bützow wechselte. Es handelt sich ausnahmslos um acht Mediziner. Sie versuchen die Beziehung mit jenen Briefpartnern in theoretischen Konzepten der Netzwerkforschung zu erklären und führen als Ziel wiederum den Austausch von Informationen, Ressourcen und Gewinn von Prestige an. So spielte Tychsen eine wesentliche Rolle bei der Promotion Marcus Moses‘, und hob diese auch in einer gesonderten Publikation hervor, schließlich handelte es sich um die erste Promotion eines Juden in Mecklenburg. Außerdem zeigen die Autoren den Weg Tychsens vom Missionierer zum Mittler zwischen Christentum und Judentum auf.

Der Warschauer Historiker Jan Doktór greift jenen Aspekt der pietistischen Mission unter Juden auf, zu dem das in Halle befindliche Institutum Judaicun et Muhammedicum wesentlich beitrug, erfuhr doch auch Tychsen sein Rüstzeug der ersten Missionsreise 1759 von Heinrich Callenberg. Doktór holt hingegen weit aus, schildert erste Missionierungsversuche der katholischen Kirche in Polen, um sich dann den protestantischen Bemühungen ab 1730 zuzuwenden.

Aya Elyada verweist in ihrem anschließenden Aufsatz auf die Beschäftigung Tychsens mit dem Jiddischen als der Umgangssprache deutscher Juden in seiner Zeit. Interessant ist hierbei, dass Elyada den Begriff des Westjiddischen verwendet, den Maksymiak und Lammel in ihrem Beitrag ablehnen und stattdessen den Quellenbegriff „Judendeutsch“ bevorzugen.

Michael Busch verfolgt mit seinem anschließenden zweierlei: Zum einen stellt er das Diktum in Frage, demzufolge im Zuge der Reformen in der napoleonischen Ära die Judenemanzipation nur in geringem Maße in Mecklenburg vorangekommen sei, sich „die Rechtslage der Juden am wenigsten änderte“, zum anderen zeigt er die Bedeutung Tychsens im Rahmen der Erweiterung der Staatsbürgerrechte der Juden 1813 in Mecklenburg auf. Im ersten Teil seines Beitrages wird die jüngere Geschichte des Judentums in Mecklenburg ab 1679 nachgezeichnet, also jenem Jahr, in dem vergleitete Juden in Mecklenburg wieder geduldet waren beziehungsweise von der Landesherrschaft gefördert, von den Ständen aber weitgehend abgelehnt wurden. Busch verdeutlicht zugleich die Unterschiede zwischen beiden mecklenburgischen Territorien, indem er auf eine deutlich liberalere Auffassung in Mecklenburg-Strelitz hinweist, wo Juden auch Besitzer einer Brauerei, von Loh- und Papiermühlen etc. waren. So nimmt es denn auch wenig Wunder, dass gerade von einem Mecklenburg-Strelitzer bereits 1802 eine Denkschrift über die Ansiedlung von Juden im Mecklenburgischen verfasst wurde, die gleichzeitig die Forderung nach mehr Rechten beinhaltete. Ausländischen Juden sollte die Möglichkeit gegeben werden, sich in Mecklenburg niederzulassen, sofern sie Geld mitbrächten, um einem Gewerbe nachgehen zu können, „eine Regelung übrigens, die noch heute für Menschen aller Konfessionen in den meisten Staaten der Welt gilt“ – eine bemerkenswerte Äußerung.

Tychsen war an der Vorbereitung des Emanzipationsgesetzes von 1813 mit einem umfassenden Gutachten beteiligt. Sein Ziel war eine Gleichstellung nach französischem Vorbild. Im Gegenzug sollten die Juden auf talmudische Grundsätze verzichten. Das Edikt traf auf massiven Widerstand der mecklenburgischen Ritterschaft und wurde 1817 wieder aufgehoben.

Im Zentrum des Beitrages von Lutz Ilisch steht der Numismatiker Tychsen, dessen Sammlung im Heinrich-Schliemann-Institut der Universität Rostock bewahrt wird. Ilisch gibt einen Überblick über diese Sammlung. Ausgehend von der Schilderung der Geschichte orientalischer Numismatik bis Tychsen, beschreibt er zunächst dessen Irrtümer bei der zeitlichen Bestimmung islamischer Münzen, die zeigt, dass Tychsen vor 1767 keine Kenntnis von islamischer Geschichte besaß. Schwerer als derlei Unkenntnis wiegt die Tatsache, dass der Rostocker Professor in seiner zweiten numismatischen Publikation Münzen erfand und diese auch noch auf selbst gestochenen Kupfertafeln präsentierte, ein Betrug, der nach Tychsens Tod aufgeklärt wurde. Der Aufbau einer umfassenden Sammlung habe ihn jedoch zum Spezialisten werden lassen, so Ilisch. Zudem profitierte Tychsen vom Kontakt mit Juden, die im Silberhandel tätig waren, und entwickelte so ein einfaches Deutungsmodell für fragmentierte Dirhams.

Während Ilisch vor allem Tychsens Entwicklung als Numismatiker sowie Umfang und ideellen Wert der orientalischen Münzsammlung auslotet, beschreibt und bewertet Niklot Klüßendorf Oluf Gerhard Tychsen als Münzsammler und Forscher. Während Ilisch den Stand und die Entwicklung orientalischer Numismatik im 18. Jahrhundert herleitet, weitet Klüßendorf den Blick für die Entwicklung der Gesamtdisziplin, die zur Lebzeiten Tychsens begann, autonome Wege zu beschreiten und sich schließlich zur Wissenschaft auszuformen. Dennoch muss auch er konstatieren, dass Tychsen lediglich „auf dem Gebiet der orientalischen Numismatik“ „größere publizistische Wirksamkeit entfaltete“. Er verdeutlicht erneut den filigranen Charakter Tychsens, der kaum davor zurückschreckte, die eigene Biographie zu fälschen und der sich darüber monierte, nur von Zweien der Rostocker Fakultäten aus Anlass des fünfzigjährigen Professorendaseins zum Ehrendoktor ernannt worden zu sein. Vielleicht tröstete ihn eine Ehrenmedaille, die Herzog Friedrich Franz I. aus diesem Anlass prägen ließ. Klüßendorf geht der Frage nach, ob Tychsen als Numismatiker eher Spezialist oder Generalist gewesen ist. Sein Urteil fällt zugunsten des Letzteren aus: Die Numismatik habe von Tychsens breitem Horizont profitiert. Dies zeigt sich unter anderem an der Korrespondenz mit dem in Kasan lehrenden Professor für morgenländische Sprache Christian Martin Frähn, der sich um die islamische Numismatik Verdienste erwarb. Tychsens Verdienst sei die Förderung Frähns gewesen, so Klüßendorf. Nicht zuletzt sei er an Münzen als Erweiterung des Horizontes im Hinblick auf seine Tätigkeit als Philologe interessiert gewesen. Die Numismatik war ihm nicht nur Hilfswissenschaft. Als Tychsen, der eine Versteigerung wünschte, starb, enthielt die Sammlung immerhin 466 orientalische Münzen.

Anna Pontani widmet sich in ihrem Beitrag The Presence of Tychsen in the Correspodence of Simone Assemani der immerhin mehr als hundert Schriftstücke umfassenden Korrespondenz beider Orientalisten. Assemani war Spezialist für orientalische Handschriften und arabische Münzen. Im Alter von 35 Jahren zum Professor ernannt, blieb Assemani in dieser Funktion bis an sein Lebensende in Padua, das er selten verließ. Gleichwohl hielt er sich zu Studien in Venedig auf. In jene zweite Lebenshälfte fällt auch die Bekanntschaft mit Tychsen, mit dem er ab 1788 bis 1815, kurz vor Tychsens Tod, korrespondierte. Pontanis kurzer impulsartiger Beitrag ist insofern bemerkenswert, als dass sie den Blick nicht nur auf die wissenschaftlichen Gegenstände, sondern auch auf die politisch-historischen Aspekte des Briefwechsels richtet. So verweist sie auf Assemanis Beschreibung der Situation nach Einmarsch französischer Truppen in Venetien. Selbst Goten und Vandalen hätten nicht getan, was Franzosen nun täten, klagt der italienische Orientalist seinem deutschen Kollegen. Aber was könne man von Menschen ohne Religion schon erwarten. Assemani beschreibt die Kämpfe im Umfeld der Stadt.

Den Sammelband beschließen zwei weitere internationale Beiträge. Licia Traviani und Arianna D´Ottone Rambach verorten Tychsen erneut in den Kontext der islamischen Numismatik seiner Zeit. Insgesamt wird nicht allein ein Wissenschaftler in der Vielfalt seiner Interessen und Leistungen präsentiert, sondern gleichsam ein Mensch in seiner Widersprüchlichkeit, seinem Geltungsdrang, seinen Irrtümern und seinem unermüdlichen Streben. Personen und Ortsregister beschließen das lesenswerte Buch.

Titelbild

Rafael Arnold / Michael Busch / Hans-Uwe Lammel / Hillard von Thiessen (Hg.): Der Rostocker Gelehrte Oluf Gerhard Tychsen (1734-1815) und seine internationalen Netzwerke.
Wehrhahn Verlag, Hannover 2019.
304 Seiten, 29,50 EUR.
ISBN-13: 9783865256997

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