Die letzte Kuh

„Freiheit ist das schönste Fest“ präsentiert eine Auswahl politischer Gedichte von Ludwig Pfau

Von Christian RößlerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christian Rößler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Den opportunistischen Zeitgenossen war er mit Sicherheit ein Dorn im Auge. Schien auch die neue Weltanschauung der französischen Revolution in Kunst und Kultur Deutschlands Mitte des 19. Jahrhunderts angekommen zu sein, regierte das Deutsche Kaiserreich noch der preußische Adel in religiöser Legitimation. Bis zur Republik kämpften ein ganzes Jahrhundert lang Studenten und Revolutionäre gegen Machtmissbrauch und Ausbeutung. So auch Ludwig Pfau (1821–1894), der sich mit seinem Leben und Schreiben der politischen Befreiung Deutschlands widmete. Seine Verse beklagen, die aufgeklärten Ideen des 18. Jahrhunderts noch immer nicht umgesetzt zu sehen.

Jener Kampf ist nicht verschollen,
Jener Feind ist nicht bezwungen

Besonders die Zeitgedichte offenbaren ein starkes Mitgefühl mit den Verlierern des Systems. So versetzt er sich in seinen Liedern je in einen anderen Stand armer Leute und besingt ihre Leiden mit Witz und Pranger in salopper, schwäbischer Manier: „Ich steh‘ am Weg im feuchten Kot/ Ihr zieht zum Weinberg, singt und schmauset –/ Ihr frohen Herzen! gebt mir Brot.“ (Das alte Bettelweib).

In seiner kurzen Lyrikphase, nur etwa drei Jahre, schreibt Pfau viele gute empfindsame bis schelmische Gedichte im Stile heutiger Liedermacher. So beschwingt schreibt der polit-satirische Dichter und versteht es, sein Thema trefflich zu pointieren. Er formt Refrainzeilen, die er dann leicht variiert wiederholt, wie es heute noch in der Popmusik vorkommt, um zum Mitsingen zu animieren.

O sei den deutschen Bettlern mild
Da läutet sanft der Tag des Herrn

Die blumigen Worte stehen der deprimierenden Lebensrealität gegenüber. Als Herausgeber der Satirezeitschrift Der Eulenspiegel ist Pfau nach den verlorenen Aufständen 1848 gezwungen, seine geliebte Heimat Württemberg, „du alte Stätte meiner Lust und Qualen“, zu verlassen. Seine Angriffe gelten den „Gottesgnadenfritzen“ seiner Zeit – dickbäuchige Systemlinge, die ihre illegitime Macht dazu gebrauchen, arme Leute noch um die letzte Kuh zu bringen.

Doch wär’s vergeblich, mich zu wehren -
man gönnte mir im Turme Ruh‘:
Die Obrigkeit, die sollst du ehren -
Und nimmt sie dir die letzte Kuh

Dem versierten Reimer sollen stilistische Vergleiche zum Goetheschen keine Schmach bedeuten. Sind seine Verse auch weltlicher, alltäglicher, folgt er in der Poesie getreu dem ästhetischen Verständnis der Weimarer Klassik. Das mag mitunter Grund dafür sein, dass er auf den ersten Blick nicht aktuell erscheint. Die Verse bieten dem avantgardistischen Herzen kein Futter. Dabei ist es schon erstaunlich, wie einem so manch Geflügeltes Wort Pfaus bisher entgehen konnte.

Schwarzrotgold, die Farben geben sie heraus,
Wenn wir die Freiheit fordern,
nur eine Freiheit giebt es,
und dies Gold muss dir werden noch,
O Deutschland, du geliebtes

Ludwig Pfau soll sowohl als Revolutionär als auch als Poet nicht in Vergessenheit geraten. Vielleicht erleben wir keine landesweite Pfau-Renaissance, wie sie Erhard Jöst im Nachwort anstößt, doch sicher findet Pfau nun einen rechtmäßigen Platz und die angemessene Aufmerksamkeit für sein lyrisches Werk. Deshalb hier noch einmal der Wink den deutschen Liedermachern, seine Gedichte mit Gitarre und Gesang neu erklingen zu lassen, die letzte Kuh zurückzuholen.

Titelbild

Ludwig Pfau: Freiheit ist das schönste Fest. Zeit- und Sinngedichte.
Günther Emigs Literatur-Betrieb, Niederstetten 2020.
198 Seiten , 10,00 EUR.
ISBN-13: 9783948371678

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