Weißwein für Louise, Bier für Tom

Nick Hornby beobachtet in „State of the Union“ ein Paar vor den Sitzungen mit der Eheberaterin

Von Rainer RönschRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rainer Rönsch

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der britische Erfolgsautor Nick Hornby (High Fidelity, About a Boy) trug die Idee mit sich herum, über die Ehekrise eines arbeitslosen Rockkritikers und einer Gerontologin zu schreiben. Kritiker für Rockmusik ist er selbst, nicht arbeitslos. Eines Tages sah er im Fernsehen eine Serie, die mit alten Gewohnheiten hinsichtlich der Sendelänge brach. Die einzelnen Folgen erstreckten sich nur über fünf bis zwölf Minuten. Das war es! Hornby schrieb zu seinem Wunschthema eine Serie von zehn Folgen mit je zehn Minuten. Unter dem Titel State of the Union lief sie, mit Chris O’Dowd und Rosamund Pike als Ehepaar Tom und Louise, 2019 im britischen Fernsehen. Großen Anteil am Erfolg hatte die Regiearbeit von Stephen Frears (Mein wunderbarer Waschsalon, Die Queen); Autor und Regisseur waren kongenial.

Vor dem Inhalt sei der Titel kommentiert: State of the Union heißen Buch und Serie im Original. Ein Wortspiel, denn der „Zustand der Verbindung“ könnte sich auf eine Ehe beziehen. In den USA ist damit die Lage der Nation gemeint, zu der sich der Präsident jährlich vor dem Kongress äußert. Der deutsche Titel meidet dieses Feld. Er stammt aus dem Buch und ist nicht treffsicher. Ohne den Untertitel Eine Ehe in zehn Sitzungen und die Illustration auf dem Umschlag könnte man annehmen, dass es um das Verweilen im „Hotel Mutti“ geht. Übrigens zieht Tom nur vorübergehend aus.

Tom und Louise finden sich zwischen den Scherben ihrer Beziehung nicht mehr zurecht und absolvieren Sitzungen bei einer Eheberaterin. Hornby hatte die witzige Idee, nicht diese Dreiertreffen zu schildern, sondern die Begegnungen der beiden Eheleute unmittelbar davor. In immer derselben Kneipe, mit Weißwein für Luise und Bier für Tom, kommen sie ohne Vermittlerin ins Reden. Der Autor schreibt wirklichkeitsnah, aber zugespitzt, und er ist fair zu seinen Figuren. Ehebruch hat nur Louise begangen, doch am lädierten Zustand der Ehe ist Tom mitschuldig. Nick Hornby spielt nicht die eine Figur gegen die andere aus. Er ist das, was manche Eheberatung in ihrer Werbung „allparteilich“ nennt, obwohl es normalerweise nur zwei „Parteien“ geben sollte. In den Dialogen wird keine Seite zum bloßen Stichwortgeber für pointierte Antworten des Gegenübers.

Der Humor ist sarkastisch, doch das drohende Scheitern eines Lebensentwurfs wird nicht zum Gegenstand plumper Witze gemacht. Übertriebene Empfindlichkeit auf der einen oder anderen Seite freilich erzeugt heftiges Kontra. Tom und Louise verwenden bei diesen zehn Begegnungen mehr Metaphern als manche Leute im ganzen Leben. Die bildlichen Vergleiche sind scharfe Waffen im Streitgespräch und können schmerzen wie Tritte in die Weichteile.

Die beiden Eheleute beobachten andere Paare, die die gleiche Beraterin aufsuchen. Ihre Kommentare reichen von giftigem Spott bis zum ehrlichen Mitgefühl. Die zehnte Beratung lassen beide sausen, davor waren sie wochenlang nicht in der Kneipe. Ihre Ehe samt Sex kommt allmählich wieder in Schwung.

Lebensklug benennt der Autor, der eine Scheidung hinter sich hat, typische Eheprobleme, die banal klingen und tragische Folgen haben können. Was tun, wenn der Partner oder die Partnerin verlangt, man solle unverfälscht bleiben, sich aber gleichzeitig ändern? Das ist, wie Tom salopp formuliert, „eine schwierige Nummer“. Beim Ehestreit rutscht schnell eine falsche Bemerkung heraus, die zum Thema gemacht wird, wobei man das eigentliche Problem vernachlässigt.

Zu überwinden ist dies alles, wenn die Liebe verschüttet, aber nicht verschwunden ist. Das Buch von Nick Hornby ist an vielen Stellen schonungslos, die Ehe von Tom und Louise jedoch nicht hoffnungslos. Eine amüsante und lehrreiche Lektüre für Leute, die Ehepaare bleiben oder werden wollen.

Titelbild

Nick Hornby: Keiner hat gesagt, dass du ausziehen sollst. Eine Ehe in zehn Sitzungen.
Aus dem Englischen von Ingo Herzke.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2020.
160 Seiten, 20,00 EUR.
ISBN-13: 9783462054101

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