Letzter Ausweg Ehe?

Die englische Autorin Barbara Pym sieht sich „In feiner Gesellschaft“ um

Von Rainer RönschRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rainer Rönsch

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Eine deutsche Frauenzeitschrift erteilte Barbara Pyms (1913–1980) Roman Vortreffliche Frauen (1952) das Prädikat „vortrefflich“. Die Zweitnutzung eines Adjektivs aus dem Buchtitel nachahmend, könnte man Pyms Roman In feiner Gesellschaft als „feine Satire“ bezeichnen. Das ist dieser aus dem Jahre 1961 stammende und nun in deutscher Übersetzung herausgegebene Roman – und viel mehr.

Meist wird aus der Perspektive von Dulcie Mainwaring erzählt. Dulcie hat die Dreißig überschritten und arbeitet in den 50er-Jahren in London, wo sie Register für Fachzeitschriften erstellt. Ihr Verlobter hat ihr mitgeteilt, dass er sie nicht zu heiraten gedenkt. Für die feige Begründung, er sei ihrer nicht würdig, möchte man ihn stundenlang ohrfeigen. Dulcie tut das nicht, sondern fährt zu einer Fachtagung, was von der Autorin als „unübliche Verfahrensweise“ bei gebrochenem Herzen bezeichnet wird.

Bei der Tagung geht es nach Dulcies Einschätzung um „akademische Spitzfindigkeiten“. Dort lernt sie nicht nur die etwas jüngere und unordentliche Viola Stint kennen, sondern auch den gutaussehenden Endvierziger Aylwin Forbes. Diesem Herausgeber einer Zeitschrift, der beim Verlesen des Hauptreferats ohnmächtig wird, hat Viola zugearbeitet und sich verliebt, so dass sie ihm die Fortsetzung dieser Tätigkeit später aufdrängen wird.

Nachdem sie von der Tagung zurückgekehrt ist, bereitet Dulcie alles für den Einzug ihrer 18-jährigen Nichte Laurel vor, die zur Ausbildung in die Hauptstadt kommt. Scharfsinnig wird die Beziehung zwischen den Verwandten beschrieben. Die hilfsbereite Tante mit ihrem Haus in London freut sich, dass junges „Leben in die Bude“ kommt. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Dulcie weiß, dass Laurels Mutter diesen schwesterlichen Dienst von ihr erwartet, und fügt sich, wie sie sich meist fügt, so als zum Beispiel auch Viola wegen Schwierigkeiten mit ihrer Vermieterin bei ihr einziehen will. Zwar blickt Viola überheblich auf Dulcie herab, aber sie gibt ihr das Gefühl, gebraucht zu werden, und das ist es, was Dulcies Leben ausmacht.

Aylwin Forbes wird für alle drei Frauen in diesem Haus wichtig. Neben Viola empfindet auch Dulcie etwas für ihn, und in Laurel verliebt sich schließlich Aylwin. Das junge Mädchen gibt ihm allerdings ohne Umschweife zu verstehen, dass er zu alt für sie sei.

Aylwin hat einen ebenso attraktiven Bruder, der Geistlicher geworden ist und in Schwierigkeiten steckt, weil eine Frau aus seiner Gemeinde ihm nachstellt. Mutter Forbes besitzt ein Hotel an der Küste. Was aber ist mit dem Vater? Die beiden ungleichen Gefährtinnen Dulcie und Viola suchen das Hotel auf, erfahren von einer bewegten Familiengeschichte und lernen kauzige Leute kennen. Die Leere in ihrem Leben vertreibt das allerdings nicht. An langen Abenden sitzen sie gelangweilt im Zimmer „oder gar auf dem Bett“. Bei Dulcie treten zuweilen Bücher an die Stelle der realen Welt. Dann fragt sie sich, was ein Mann wohl zu ihr sagen würde, wenn sie sich in einem Trivialroman befänden.

Bei aller skeptischen Ironie macht die Autorin ihre Figuren nicht lächerlich. Wie Dulcie den Zwiespalt zwischen gesellschaftlichen Konventionen und Selbstverwirklichung auszuhalten versucht, wird mit unverhohlener Sympathie geschildert. Diese warmherzige Grundhaltung im Verein mit schärfster Beobachtung und feinem Humor legt den oft zu hörenden Vergleich der Autorin mit Jane Austen nahe.

Man hat den Romanen von Barbara Pym schon vor 60 Jahren vorgeworfen, altmodisch zu sein. Pauschal war das ungerecht. Allerdings wirkt es wie aus der Zeit gefallen, wenn Frauen nur an romantische Liebe denken und von sexuellem Verlangen nie die Rede ist. Dulcies Verlobung ist gescheitert, Aylwins Ehe ebenfalls, und seine noch nicht geschiedene Frau brennt mit einer Speisewagenbekanntschaft durch. Wie in viktorianischer Zeit wird dies lapidar berichtet – den Rest muss man sich denken.

Am Schluss öffnet Dulcie die Tür nur zaghaft für Aylwin. Während der Lektüre hat man die niemals kapitulierende Frau schätzen gelernt und möchte ihr von einem Bund mit dem unheilbaren Egoisten abraten. Doch die Ehe scheint vielleicht der letzte Ausweg zu sein.

Titelbild

Barbara Pym: In feiner Gesellschaft.
Aus dem Englischen von Sabine Roth.
DuMont Buchverlag, Köln 2020.
350 Seiten, 20,00 EUR.
ISBN-13: 9783832181314

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