Marcus Stiglegger gibt das „Handbuch Filmgenre“ heraus

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Genre gehört zu jenen Verständigungsbegriffen, deren jeweilige Definition am unmittelbarsten mit der populären Wahrnehmung vom Film verbunden scheint. Doch dieses landläufige Verständnis von einem vermeintlichen Kanon der Filmgenres macht die wissenschaftliche Analyse des Phänomens umso problematischer. Unter einem Filmgenre wird zunächst einmal eine Gruppe von Filmen verstanden, die unter einem spezifischen Aspekt Gemeinsamkeiten aufweisen. Diese Gemeinsamkeiten, Genrekonventionen, können in einer bestimmten Erzählform, einer speziellen Grundstimmung, hinsichtlich des Handlungssujets oder in historischen oder räumlichen Bezügen bestehen. Im Kontext der gegenwärtigen globalen kinematografischen Entwicklungsströmungen, Transformationen und Hybriditäten muss ein vermeintlich verlässlicher Faktor aus der klassischen Phase der Filmgeschichte (bis 1960), das Genrekino, einer Re-Evaluation unterzogen werden.

Das seit Oktober 2020 vorliegende „Handbuch Filmgenre“ des Berliner Filmwissenschaftlers Marcus Stiglegger bietet auf 700 Seiten einen in umfangreichen Überblick über den Stand der Filmgenreforschung. Es werden sowohl die Definitionen und die Begriffsgeschichte umfassend dargestellt, verschiedene Theorien und Ansätze, historische und lokale Perspektiven vorgestellt, als auch einzelne Filmgenres wie Western, Kriminalfilm, Gangsterfilm, Thriller, Science Fiction, Horror, Fantasy, Komödie, Melodram, Abenteuerfilm, Musical, Kriegsfilm bis hin zum erotischen Film in Einzelstudien analysiert.
In seiner Multiperspektivik bildet der Band die Phänomenologie von Filmgenres quer durch die Filmgeschichte als einen umfassenden Diskurs ab, der durch Beiträge von führenden Vertreterinnen und Vertretern der deutschsprachigen Genreforschung nah an internationalen Filmbeispielen diskutiert wird.

Der Herausgeber versammelte 36 ExpertInnen, die ihre Forschungsbereiche vorstellen. Darunter finden wir Klaus Kreimeier zum frühen Kino, Herrmann Kappelhoff zum Melodram, Rainer Winter zur Populärkultur, Hans-Jürgen Wulff zum Abenteuerfilm, Anja Peltzer zum Hollywoodkino, Marcus S. Kleiner zum pornografischen Film, Irina Gradinari zu Genre und Gender und viele mehr. In seiner Einleitung fragt Stiglegger: Sind klare Genredefinitionen noch sinnvoll und haltbar? Ist der Begriff des Genres in diesem Kontext noch produktiv? Er resümiert die Geschichte der Genretheorie und bietet eine Einschätzung zur Aktualität des Genrebegriffs, der ungeachtet der sehr unterschiedlichen kritischen Perspektiven in diesem Band im Zentrum steht: vom Ordnungsbegriff zum Diskursmodus.

Das „Handbuch Filmgenre“ ist die bislang umfassendste Darstellung der Genretheorie und bietet Studierenden, Lehrenden und Forschenden der Film- und Medienwissenschaft einen differenzierten Einstieg in die Materie.

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Marcus Stiglegger: Handbuch Filmgenre. Geschichte – Ästhetik – Theorie.
Springer Verlag Berlin, Heidelberg 2021.
X, 690 Seiten in 1 Teil , 114,49 EUR.
ISBN-13: 9783658090562

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