„I remember you my friend“
Bruce Springsteen bringt sich einmal mehr seinen Fans in Erinnerung
Von Dieter Lamping
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseBruce Springsteen hat, mit 70, ein neues Album eingespielt, das nach kurz nach seinem 71. Geburtstag herausgekommen ist: Letter to You. Es ist ein kommerzieller Erfolg, aber keine künstlerische Sensation. Das unterscheidet es von Bob Dylans Rough and Rowdy Ways, auch von den American Recordings, deren letzte Johnny Cash mit gleichfalls 70 aufgenommen hat. Dabei hat Springsteen, der einmal so tat, als wollte und könnte er Dylan überflügeln, deutlich mehr Stimme, als der kranke Cash damals hatte und der alte Dylan heute hat. Seit langer Zeit hat er sich nun auch wieder mit seiner alten E Street Band zusammengetan, mit der er zum Superstar wurde.
Man würde das neue Album nicht unbedingt für ein Alterswerk halten, selbst wenn Springsteen von Toten und Geistern („Ghosts“) singt. Er klingt dabei, wie er fast immer geklungen hat: kraftvoll. Die Musik seiner Band, dominiert von elektrischen Gitarren, einem harten Schlagzeug und rauhem Chorgesang, ist gut zum Tanzen in großen Hallen. Also trotz aller fast demonstrativen Vitalität gerade ein wenig anachronistisch. Das gilt besonders für die drei älteren, aus den Anfängen seiner Karriere stammenden Songs, die Springsteen in das Album aufgenommen hat, vor allem für „Janey Needs a Shooter“.
Es ist schwer, einen der Songs hervorzuheben. Sie klingen nicht alle gleich, aber doch ähnlich. Keiner ist ganz misslungen, und keiner ist herausragend. Mancher fängt vielversprechend an, „Rainmaker“ etwa, verliert sich dann aber im forcierten Arrangement. Der Titelsong, der schon umrätselt ist, wirkt schwungvoll, aber auch ambitioniert, ähnlich wie das gleichfalls ältere „If I Was The Priest“. „The Power of Prayer“ hält vom Text und von der Musik her nicht, was der Titel verspricht. Dagegen beschwört das hymnische „House of A Thousand Guitars“, bis in die wieder und wieder gesungene Refrainzeile am Schluss, eindringlich die Macht der eigenen Musik. Ein Vers, der erste der zweiten Strophe, dürfte Springsteens amerikanische Hörer aufmerken lassen: „The criminal clown has stolen the throne“. Den Vers mit seinem Anti-Trump-Engagement zu assoziieren (siehe dazu https://www.rollingstone.de/bruce-springsteen-trump-us-wahl-2050383/), liegt nahe. Der Song ist, wie die meisten dieses Albums, solide gemacht, routiniert und doch emphatisch vorgetragen: Fankost.
Zwei andere Songs verdienen noch eine Erwähnung: der erste und der letzte. Mit dem ersten „One Minute You‘re Here“, einem melancholischen Solostück mit großem Orchester im Hintergrund, schließt Springsteen an sein letztes, gleichfalls erfolgreiches Album Western Stars an. Damit entfernt er sich am weitesten vom Sound der E Street Band. Der letzte Song, eine moderne Elegie auf einen verstorbenen Freund, ist vom Text her einfach und eingängig, aber etwas zu laut und zu schnell gespielt: Er rockt die Trauer weg. Er wäre ein Titel für ein Solo-Album Springsteens gewesen.
So bleibt am Ende, wie oft bei ihm, vor allem der Eindruck einer eindrücklichen Kraftanstrengung: viel Kraft, noch immer, und, noch immer, viel Anstrengung.
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