Die Geschichte der Hof- und Regierungsbuchdruckerei Konert/Weigel von 1720 bis 1929

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts steigt die Grafschaft Waldeck zum Fürstentum Waldeck und Pyrmont auf. Man gehört nun zum europäischen Hochadel – und was braucht es da? Zunächst einmal ein riesiges neues Schloss im Stile Versailles. Aber mehr noch: Kunst, Kultur und vor allem einen herausragenden Hof- und Regierungsdrucker. Das Schloss ist bald gebaut, Künstler angelockt, und auch der Buchdrucker ist gefunden: Fürst Friedrich Anton Ulrich zu Waldeck und Pyrmont kann den schon in Berleburg erfolgreichen Druckunternehmer Christoph Konert in sein Fürstentum locken.

Konert zieht 1720 mit seinen Druckgeräten und Typen im Fürstentum ein und bekommt das Dachgeschoss der fürstlichen Wasserburg im kleinen Städtchen Mengeringhausen zur Einrichtung seiner Offizin – wie die Quellen vermuten lassen, natürlich gratis, was den Fürsten aber bald reut, denn in die neue Residenz Arolsen will der tolle Neudrucker jetzt und in Zukunft einfach nicht umziehen. Fernab vom Hof, fernab von den Zensurbehörden, fernab von zu direktem fürstlichen Einfluss druckt es sich offensichtlich am besten.

Einer der ersten Drucke der neuen Offizin ist das Festprogramm samt Predigt zur Schlosseinweihung in der Residenzstadt Arolsen am 13. September 1720:

Des Gesegneten Fürsten-Hauses Arolsen Frohe und durch Göttlichen
Beystand erlebte Einweyhung/ Welche/ Alls Der Durchlauchtigste
Fürst und Herr/ Herr Friederich Anton Ulrich, Fürst zu Waldeck/ […]
Mit Dero Hoch-Fürstl. Familie und gantzen Hofstatt in dasiger Rezidenz
am 13ten Sept. 1720. Ihren solennen Einzug unter Göttlichem
Geleit mit erwünschtem Vergnügen hielten

Konert verwendet sein ganzes Können auf diesen Druck: Zahlreiche Typen werden kombiniert, aufwändige Bordüren eingesetzt. Das Heftchen ist eine wahre Augenweide, und er hatte Erfolg. Im Fürstentum setzte daraufhin geradezu ein Run auf diese neue Druckerei ein. Binnen weniger Monate ist Konert voll im Geschäft und druckt Gelegenheitsdrucke zu Taufen, Hochzeiten, Sterbefällen.

Noch im selben Jahr erscheint auch ein erstes Lutherisches Gesangbuch. Es ist so erfolgreich, dass Konert bereits 1721 ein Neu vermehrtes Waldeckisches Gesang-Buch auf den Markt werfen kann. Ähnlich furios sind seine Bibelerfolge. 1723 erscheinen Evangelien und Epitel, 1724 das Neue Testament und 1725 die erste Luther-Vollbibel. Und die Auflagen sind gewaltig: 24.000 vollständige Bibeln und 5.000 Exemplare vom Neuen Testament. Wie für einen Hofdrucker der Zeit üblich, muss Konert allerdings auch reichlich Regierungsamtliches wie Verordnungen, Gesetze und Steuersachen drucken, was ihn zwar nicht erfreut und wohl auch keinen Gewinn abwirft, ihm aber den Fürsten gewogen macht, wie aus zahlreichen Briefen hervorgeht.

Das Renommee der Offizin ist schon in den 1730er-Jahren so groß, dass Konert von Pele Mele (ein Pseudonym von Christian Ludwig Hoffmann) in seiner 1740 erschienen Monographie Historisch-Philologischer Discurs von der Erfindung der edlen Buchdruckerkunst als der wahre Nachfolger Gutenbergs gepriesen wird. Konert und sein Nachfolger Johann Jakob Weigel haben aber weitergehende Pläne: wissenschaftliche Literatur, literarische Meisterwerke und eine Wochenzeitschrift stehen auf der Agenda. Am kulturell sehr regen Fürstenhof sind solche Ideen hochwillkommen.

Konert, Weigel und der Fürstenhof haben allerdings die Rechnung ohne die Waldeckische Bevölkerung gemacht, denn die Ackerbürger des Fürstentums Waldeck – zumal außerhalb der aufblühenden Residenzstadt Arolsen – interessieren sich für vieles, aber sicher nicht für ‚hochgestochene‘ Literatur, weder für Belletristik, noch für Theologisches oder Naturwissenschaftliches. Entsprechende Versuche wie die vielbändig geplanten Pericula exegetica scheitern dann auch kläglich. Sogar das 1769 als Wochenzeitung initiierte Waldeckische Intelligenzblatt ist trotz ansprechender Gestaltung, niedriger Preise und interessanter Informationen aus Region, Kultur, Gesellschaft und Welt nur schwer an den Mann zu bringen. Kaufen will die neue Zeitung jedenfalls niemand.

Als dann sogar der Versuch, das Intelligenzblatt kostenlos abzugeben, scheitert, wissen sich Fürst und Drucker nur noch einen Rat: Die Abnahme des Intelligenzblattes wird für alle Schulmänner, Pfarrer und Regierungsbeamte zur verbindlichen Pflicht erklärt. Erst diese radikale Maßnahme hat Erfolg. Das Waldeckische Intelligenzblatt erscheint durchgehend von 1769 bis 1810 und geht anschließend in den Fürstlich Waldeckischen Regierungsblättern mit Beilagen auf, die bis zur Auflösung von Fürstentum (1918) beziehungsweise Freistadt (1929) fortlaufend bei Weigel gedruckt werden.

Dieses und vieles mehr verspricht die Monographie Die Hof- und Regierungsbuchdruckerei Konert/Weigel. 200 Jahre Druckgeschichte in Mengeringhausen von Klaus Wendt. Die Druckproduktion der Offizin Konert-Weigel vom Start der Offizin im Jahr 1720 bis zur Einstellung des Betriebs am 7. August 1929 ist jetzt vorbildlich erschlossen. Samt beigegebener CD-ROM mit den digitalisierten Titelblättern von über 200 Ausgaben der Offizin gibt die Monographie aber nicht nur einen Gesamtüberblick über die Druckproduktion selbst, sondern ermöglicht mittels der Hintergrundinformationen zu den einzelnen Drucken, der umfassend recherchierten Offizingeschichte und immer wieder aufscheinender Auflagenzahlen einen tief gehenden Einblick in das kulturelle Leben eines Kleinstaates mitten in Europa. Sichtbar werden literarische, wirtschaftliche, medizinische, soziale, politische und allgemein kulturelle Entwicklungen. Die minutiös nachgezeichnete Druckproduktion erweist sich dabei letztlich als Druck-Spiegel vom frühen 18. bis ins 20. Jahrhundert hinein.

Das Buch ist erhältlich im Buchhandel und der Geschäftsstelle des Waldeckischen Geschichtsvereins e.V. in Bad Arolsen, Schloßstraße 24, Telefon: 05691 6652. Der Preis beträgt 19,80 €; Vereinsmitglieder zahlen einen ermäßigten Preis.

Anmerkung der Redaktion: literaturkritik.de rezensiert grundsätzlich nicht die Bücher von regelmäßigen Mitarbeitern der Zeitschrift, Angehörigen der eigenen Universität oder aus dem Verlag LiteraturWissenschaft.de. Diese Bücher können hier jedoch gesondert vorgestellt werden.

Ein Beitrag aus der Mittelalter-Redaktion der Universität Marburg

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Klaus Wendt: Die Hof- und Regierungsbuchdruckerei Konert/Weigel. 200 Jahre Druckgeschichte in Mengeringhausen.
Herausgegeben vom Waldeckischen Geschichtsverein; inklusive CD-ROM.
Waldeckischer Geschichtsverein e.V. Bad Arolsen, Bad Arolsen 2020.
172 Seiten, 19,80 EUR.
ISBN-13: 9783932468230

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