Pazifist und Menschenfreund aus Überzeugung

Katharina Rudolph hat die erste Biographie zu Leonhard Frank vorgelegt

Von Manfred OrlickRSS-Newsfeed neuer Artikel von Manfred Orlick

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Mit seinem Romanerstling Die Räuberbande (1914) war der Schriftsteller Leonhard Frank (1882–1961) zu einem Bestsellerautor geworden. Während der Republik gehörte er dann neben Heinrich Mann, Lion Feuchtwanger, Arnold Zweig, Alfred Döblin oder Hans Fallada zu den Autoren, die mit ihren Werken Gesellschaftskritik übten und die Literatur damit politisierten. Seine Romane und Erzählungen wurden in die wichtigsten Sprachen der Welt übersetzt und zum Teil verfilmt, daneben machte er mit unkonventionellen Theaterstücken Furore. Heute ist der „Romancier der sozialen Revolution“ (Fritz Martini) jedoch halb vergessen.

Die Journalistin, Historikerin und Germanistin Katharina Rudolph hat über das Leben von Leonhard Frank promoviert. Vorausgegangen war eine mehrjährige Forschungsarbeit, da die Quellenlage recht schwierig ist. Frank hatte kein Tagebuch geführt und auch der Briefwechsel war nicht sehr aussagekräftig. Mit Unterstützung der Würzburger Leonhard-Frank-Gesellschaft und des Berliner Aufbau-Verlages ist aus der Promotion eine Leonhard-Frank-Biografie geworden. Es ist überhaupt die erste Biographie über den Schriftsteller und das fast sechzig Jahre nach seinem Tod. Bisher gaben nur Franks autobiographischer Roman Links, wo das Herz ist (1952) und die beiden Veröffentlichungen seiner dritten Ehefrau Charlott Frank Leonhard Frank. 1882–1961 (1962) und Sagen, was noch zu sagen ist – Mein Leben mit Leonhard Frank (1982) Auskunft über sein Leben.

In neun umfangreichen Kapiteln beleuchtet Rudolph neben Franks Lebensstationen auch seine wichtigsten Werke und ihre Wirkung – vom Frühwerk über das Schaffen während der Weimarer Republik bis hin zum Exil und seiner Rückkehr 1950. Am 4. September 1882 als viertes Kind des Schreinergesellen Johann Frank und dessen Ehefrau Marie in Würzburg geboren, wuchs Frank in ärmsten Verhältnissen auf. Nach einer Schlosserlehre ging er auf Wanderschaft, auf die „Walz“, und schlug sich in Frankfurt am Main und Dresden mit Gelegenheitstätigkeiten als Fabrikarbeiter durch. Wieder daheim in Würzburg fand er zunächst eine Anstellung als Labordiener, war aber auch immer wieder für Wochen oder Monate arbeitslos. Bei einem Besuch in München entstand der Wunsch, Maler zu werden. Von 1904 bis 1909 studierte er dann an der Münchner Kunstakademie und bestritt seinen Bohème-Lebensunterhalt mit verschiedenen Hilfsjobs. Hier hatte er Kontakt zu zahlreichen jungen Künstlern – u.a. Johannes R. Becher, Max Dauthendey, Erich Mühsam oder Emmy Hennings.

Im Frühjahr 1909 verließ Frank München in Richtung Berlin. Hier fand der Übergang vom bildenden Künstler zum Schriftsteller statt – ein „radikaler Bruch“, wie Rudolph meint. Drei Jahre, von 1911 bis 1914, arbeitete er an seinem Erstlingswerk, dem Roman Räuberbande (1914), in dem er sich seine Kindheit und Jugend von der Seele schrieb. Nach „acht Hungerjahren“ landete er damit einen grandiosen Erfolg, der ihm den Fontane-Preis einbrachte.

Während viele Künstler und Intellektuelle dem Kriegsbeginn im August 1914 mit freudiger Erwartung entgegensahen, zeigte Frank eine Antikriegshaltung. So berichtet eine Anekdote, dass er im Café des Westens den Journalisten Felix Stössinger ohrfeigte, weil dieser die Versenkung des englischen Passagierschiffes „Lusitania“ mit rund 1200 Toten durch ein deutsches U-Boot als „größte Heldentat der Menschheitsgeschichte“ bejubelt hatte. Frank, der seit einem Jahr mit der Wienerin Lisa Ertel verheiratet war, emigrierte 1916 mit seiner Frau in die Schweiz. Detailliert beschreibt Rudolph das Leben des jungen Paares in der Emigranten-Kolonie. Im Exil entstand die Antikriegs-Novellensammlung Der Mensch ist gut (1917), in der Frank mit expressionistischer Verve die Leiden der einfachen Menschen im Krieg schilderte und die im Deutschen Reich aufgrund der pazifistischen Grundhaltung verboten war. 1918 wurde ihm dafür der Kleist-Preis zugesprochen, den er aber erst 1920 in Empfang nehmen konnte.

1918 beteiligte sich Frank an der Münchner Räterepublik. Im Jahr darauf zog er erneut nach Berlin. Hier ereilte Frank ein schwerer Schicksalsschlag: Seine Frau Lisa starb 1923 mit nur 41 Jahren. Sein anschließender desolater seelischer Zustand hatte zunächst auch Auswirkungen auf seine Schaffenskraft. Erst nach einem Jahr fand er zum Schreiben zurück und in rascher Folge entstanden die Romane Der Bürger (1924) und Das Ochsenfurter Männerquartett (1927) sowie verschiedene Novellen – darunter die Novelle Karl und Anna (1926), die er später zu einem Theaterstück umschrieb, das ein sensationeller Bühnenerfolg wurde. Diese Jahre als Erfolgsautor, die schließlich mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten ein Ende fanden, nehmen einen breiten Raum in der Biographie ein.

Seine Bücher – vor allem die pazifistische Novellensammlung Der Mensch ist gut – fielen im Mai 1933 der Bücherverbrennung zum Opfer. Wieder hieß es „Koffer packen“. Frank emigrierte über Zürich und London nach Frankreich, wo er interniert wurde. 1940 konnte er über Spanien und Portugal schließlich in die USA flüchten. Als Drehbuchautor in Hollywood hatte er jedoch wenig Erfolg, sodass er einen Neuanfang in New York versuchte. Hier entstanden die Romane Die Jünger Jesu (1947) und Mathilde (1948).

Die anschaulichen Schilderungen der gefährlichen Flucht aus dem besetzten Frankreich und der Exiljahre in den USA gehören zu den gelungensten Abschnitten in Rudolphs Biographie. Im letzten Kapitel werden dann Franks Rückkehr nach Deutschland (1950) und sein letztes Lebensjahrzehnt beleuchtet, das geprägt war von großen Hoffnungen und großen Enttäuschungen. In den letzten Jahren seines Lebens arbeitete Frank unermüdlich, doch abgesehen von Links, wo das Herz ist konnte er nicht mehr an seine Vorkriegserfolge anknüpfen. Seine kritische Auseinandersetzung mit der NS-Zeit und der Verstrickung von großen Teilen der Bevölkerung in die NS-Verbrechen stieß bei vielen Lesern nicht auf Gegenliebe. Trotz einiger Ehrungen und Auszeichnungen teilte Frank in der Bundesrepublik das Schicksal vieler aus dem Exil zurückgekommener Schriftsteller, die nach ihrer Rückkehr auf Misstrauen und Ablehnung stießen. Von der DDR umworben, wo neben zahlreichen Einzelbänden zu seinem 75. Geburtstag eine sechsbändige Gesamtausgabe erschien, befand sich der Schriftsteller gewissermaßen zwischen den Stühlen von Ost und West. Vor knapp sechzig Jahren, am 18. August 1961, starb Leonhard Frank in München, wo er auf dem Nordfriedhof seine letzte Ruhestätte fand. In den meisten Zeitungen allerdings suchte man einen Nachruf vergebens.

In einem Interview bedauerte die Autorin, dass Franks Werke trotz ihrer teilweisen Aktualität kaum noch erscheinen. Zuletzt meist nur als eBook bei aufbau digital. Vielleicht sind Rudolphs Biographie und der bevorstehende 60. Todestag von Frank der Anstoß für eine Wiederentdeckung. „Es wäre ungerecht, zu vergessen, dass Leonhard Frank sich um die deutsche Literatur des 20. Jahrhunderts verdient gemacht hat“ – forderte Marcel Reich-Ranicki bereits 2008. So ist kürzlich neben der Biographie im Aufbau Verlag auch die Novelle Karl und Anna erschienen, die ein guter Einstieg in das vielschichtige Werk von Leonhard Frank ist.

Titelbild

Katharina Rudolph: Rebell im Maßanzug. Leonhard Frank.
Aufbau Verlag, Berlin 2020.
464 Seiten , 28,00 EUR.
ISBN-13: 9783351037246

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Titelbild

Leonhard Frank: Karl und Anna. Erzählung.
Mit einem Beitrag von Heinrich Mann.
Aufbau Verlag, Berlin 2020.
122 Seiten, 18,00 EUR.
ISBN-13: 9783351034764

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